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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 RVs 52/16 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Auswirkung von Ladungsfehlern auf die Frage der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung.



Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Öffentliche Zustellung, Wirksamkeit, Ladung Berufungshauptverhandlung

Normen: StPO 37; StPO 329

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 03.11.2016 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 22.09.2016 aufgehoben. Dem Angeklagten wird – auf seine Kosten (§ 473 Abs. 7 StPO) - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung vom 05.10.2015 gewährt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin erwachsenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse analog § 467 StPO.

2. Das Urteil der 4. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 05.10.2016 und die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten sind gegenstandslos.

Gründe
I.

Das Amtsgericht Münster hatte den Angeklagten mit Urteil vom 16.07.2012 wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt. Hiergegen legte der Angeklagte Berufung ein. Im ersten Termin zur Berufungshauptverhandlung vom 13.02.2013 gab der Angeklagte als seine Anschrift „L-Straße, N“ an. Die Berufungshauptverhandlung wurde ausgesetzt. Unter der genannten Anschrift konnte eine Ladung zum zweiten Hauptverhandlungstermin am 05.10.2015 nicht erfolgen. Auf dem Zustellformular wurde vermerkt, dass der Adressat unter dieser Anschrift nicht ermittelt werden konnte.

Daraufhin hat der Vorsitzende der Berufungsstrafkammer die öffentliche Ladung des Angeklagten mit Beschluss vom 17.08.2016 angeordnet. Der Beschluss hat folgenden Inhalt:

„In der Strafsache
gegen pp.,
geboren am pp. in pp.,
wohnhaft: L-Straße, N,
deutscher Staatsangehöriger
wird die öffentliche Zustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 05.10.2015 angeordnet,
weil
die Ladung zur Hauptverhandlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 16.07.2012 nicht unter der Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde und die der Angeklagte zuletzt angegeben hat (§ 40 Abs. 3 StPO). Es handelt sich um die im Rubrum genannte Anschrift. Die letzte Zustellung erfolgte dort am 11.10.2012 (Bl. 369 d. A.). Ferner hat der Angeklagte diese Anschrift im Hauptverhandlungstermin vom 13.02.2013 angegeben (vgl. Bl. 374R).“

Die zugehörige Verfügung hat folgenden Inhalt:
„Verfügung
II.
An der Gerichtstafel des
Landgerichts Münster
soll jeweils folgendes Schreiben (nicht der obige Beschluss) für 2 Wochen ausgehangen werden (Datum der Anheftung und der Abnahme sind zu beurkunden):

III.
Schreiben an Beschuldigten

PPP. (Besch1)
wird Ihnen hiermit ein Schriftstück vom 07.08.2015 zugestellt. Das Schriftstück enthält eine Ladung zu einem Termin, dessen Versäumung Rechtsnachteile zur Folge haben wird.

Das Schriftstück kann im Gebäude des Landgericht Münster, Am Stadtgraben 10, 48143 Münster eingesehen und abgeholt werden.

IV.
Anzufertigen für die Akte
Abschrift des Beschlusses zu Ziffer I.

V.
Zu übersenden ist/sind
Ausfertigung des Beschlusses zu Ziffer I.
an Staatsanwaltschaft (im Verfahren)
- StA Münster .
VI.
Zum Termin“

Entgegen der Verfügung des Vorsitzenden wurde indes eine „Ausfertigung“ eines Beschlusses nur mit folgendem Inhalt ausgehängt:

„In der Strafsache
gegen pp.,
geboren am pp. in pp.
wohnhaft: L-Straße, N,
deutscher Staatsangehöriger
wegen Steuerhinterziehung
wird die öffentliche Zustellung der Ladung zum Hauptverhandlungstermin vom 05.10.2015 angeordnet,
weil
die Ladung zur Verhandlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Münster vom 16.07.2012 nicht unter der Anschrift möglich ist, unter der letztmals zugestellt wurde und die der Angeklagte zuletzt angegeben hat (§ 40 Abs. 3 StPO).“

Der weitere Beschlussinhalt wurde nicht wiedergegeben.

Zum Hauptverhandlungstermin vor dem Berufungsgericht ist der Angeklagte nicht erschienen. Daraufhin hat die Strafkammer seine Berufung gem. § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Die öffentliche Zustellung des Urteils wurde angeordnet, aber nicht ordnungsgemäß ausgeführt.

Am 12.04.2016 hat der Angeklagte Revision gegen das Verwerfungsurteil eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt.

Nach (erneuter) Zustellung des Verwerfungsurteils am 17.06.2016 hat der Angeklagte am 25.07.2016 seine Revision und sein Wiedereinsetzungsgesuch zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle begründet.

Die beantragte Wiedereinsetzung hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsmittel des Angeklagten zu verwerfen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Dem Angeklagten war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren.

Der Angeklagte hat das Wiedereinsetzungsgesuch rechtzeitig vor Ablauf der Wochenfrist des § 329 Abs. 7 StPO gestellt. Da eine ordnungsgemäße Urteilszustellung erst am 17.06.2016 erfolgt ist, war die Frist bei Stellung des Wiedereinsetzungsgesuchs am 12.04.2016 noch nicht abgelaufen.

Die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist als unverschuldet anzusehen. Die Ladung des Angeklagten hierzu war nicht ordnungsgemäß. Beim Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung ist der Angeklagte zwar an sich schon nicht säumig. Gleichwohl ist der Nichtsäumige dem Säumigen gleichzustellen und ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Angeklagten Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn das Gericht das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Ladung übersehen hat (BGH NJW 1987, 1776, 1777; Meyer-Goßner in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 329 Rdn. 41 m.w.N.).

Die Ladung des Angeklagten durch öffentliche Zustellung wäre zwar hier für sich genommen noch nicht deswegen fehlerhaft, weil statt der angeordneten Benachrichtigung (§ 186 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 37 StPO) der Beschluss selbst ausgehängt worden wäre, wenn dieser Mangel für die Funktion der Zustellfiktion nicht wesentlich ist (OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 205). Hier ist die Ladung aber fehlerhaft, weil noch nicht einmal eine beglaubigte Abschrift (§ 169 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 37 StPO) oder Ausfertigung des Beschlusses selbst ausgehängt worden ist. Eine der Zustellung einer gerichtlichen Entscheidung dienende Ausfertigung muss die Urschrift einschließlich der Unterschriften wortgetreu und vollständig wiedergeben. Unschädlich sind nur kleine Fehler und offenbare Unrichtigkeiten, die den Inhalt der Urschrift zweifelsfrei erkennen lassen (OLG Düsseldorf NStZ 2002, 448 m.w.N.). Hier fehlt in der ausgehängten „Ausfertigung“ indes gerade der wesentliche Teil der Beschlussbegründung, der über die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes hinausgeht. Von einem kleinen Fehler oder einer offenbaren Unrichtigkeit kann nicht die Rede sein. Darauf, dass aus dem Aushang auch weder Terminsstunde noch Terminsort erkennbar wurden, kommt es danach nicht mehr an.

III.
Aufgrund der gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung sind das mit der Revision angefochtene Verwerfungsurteil und damit auch die Revision selbst gegenstandslos. Einer ausdrücklichen Urteilsaufhebung bedarf es indes nicht (Meyer-Goßner a.a.O., § 329 Rdn. 44).




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