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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 24/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung durch eine gemäß § 462a Abs. 4 S. 3 StPO zuständige Strafvollstreckungskammer steht ein bezüglich derselben Strafe bereits zuvor ergangener Widerrufsbeschluss auch dann als Verfahrenshindernis entgegen, wenn dieser Beschluss rechtsfehlerhaft durch ein unzuständiges Gericht gefasst worden ist.
2. Dies gilt auch dann, wenn das für die Widerrufsentscheidung unzuständige Gericht seinen diesbezüglichen Beschluss auf eine hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde selbst aufgehoben hat. Denn gemäß § 311 Abs. 3 S. 1 StPO darf im Verfahren über eine sofortige Beschwerde das Gericht, dessen Entscheidung angefochten ist, diese Entscheidung - vorbehaltlich der Ausnahme des § 311 Abs. 3 S. 2 StPO – nicht selbst abändern. (Ergeht gleichwohl eine abändernde Entscheidung, so ist diese unwirksam und so zu behandeln, als ob sie nicht ergangen wäre.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Sofortige Beschwerde; Änderung der angefochtenen Entscheidung; Verfahrenshindernis für erneuten Widerruf

Normen: StGB 56f, StPO 311

Beschluss:

Strafsache
in pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22.02.2017 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 13.10.2016 und der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 12.10.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 04.10.2016 dem Landgericht Dortmund - Beschwerdekammer - als dem für diese Entscheidung zuständigen Beschwerdegericht (§ 309 StPO) vorgelegt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten in diesem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer ist durch Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 03.03.2015, rechtskräftig seit dem 11.03.2015, wegen Erschleichens von Leistungen in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden. Seit dem 04.01.2016 befindet sich der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt D-S zum Zweck der Vollstreckung von mehreren Freiheitsstrafen bzw. Ersatzfreiheitsstrafen. Durch Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 21.06.2016 wurde der Verurteilte wegen Erschleichens von Leistungen in zehn Fällen und Diebstahls im besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Aufgrund dieser Verurteilung wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 04.10.2016 die Strafaussetzung zur Bewährung wegen erneuter Straffälligkeit des Verurteilten während der Bewährungszeit widerrufen. Hiergegen legten sowohl der Verurteilte mit Schriftsatz seiner damaligen Verteidigerin vom 13.10.2016 als auch die Staatsanwaltschaft Dortmund mit Schreiben vom 12.10.2016 sofortige Beschwerde ein. In ihrer Beschwerdebegründung vom 17.10.2016 führte die Staatsanwaltschaft Dortmund aus, das Amtsgericht Lünen sei zum Erlass des Widerrufsbeschlusses sachlich nicht zuständig gewesen. Aufgrund der Strafhaft des Verurteilten ab dem 05.02.2016 in der JVA D-S (Ergänzung des Senats: Der Verurteilte befindet sich bereits seit dem 04.01.2016 in der JVA D-S; bis zum 4.02.2016 wurde zunächst eine Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt) sei vielmehr ab diesem Zeitpunkt nach dem Konzentrationsprinzip des § 462a Abs. 4 S. 3 StPO die Strafvollstreckungskammer auch für die Bewährungsüberwachung und die insoweit zu treffenden Entscheidungen in der vorliegenden Sache zuständig.

Das Amtsgericht Lünen hob daraufhin mit Beschluss vom 14.10.2016 seinem Beschluss vom 04.10.2016 auf, wobei es sich zur Begründung den Ausführungen der Staatsanwalt Dortmund in ihrer Beschwerdebegründung vom 17.10.2016 anschloss, und übersandte die Akte zwecks weiterer Veranlassung an die Staatsanwaltschaft Dortmund. Diese legte den Vorgang mit Verfügung vom 03.11.2016 der für die JVA D-S zuständigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund zur Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 30.11.2016 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund die Strafaussetzung aus dem Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 03.13 2015 (erneut) widerrufen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.

II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Der Senat legt außerdem die Sache zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 13.10.2016 und der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 12.10.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 04.10.2016 der hierfür zuständigen Beschwerdekammer beim Landgericht Dortmund vor.

Dem (erneuten) Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung durch die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 30.11.2016 stand als Verfahrenshindernis der bereits durch das Amtsgerichts Lünen ergangene Widerrufsbeschluss vom 04.10.2016 entgegen. Dieser Beschluss ist allerdings fehlerhaft, da aufgrund der Aufnahme des Verurteilten in der JVA D-S zum Zweck der Strafvollstreckung ab dem 04.01.2016 für die im vorliegenden Verfahren zu treffenden Nachtragsentscheidungen nicht mehr das Amtsgericht Lünen, sondern gemäß § 462a Abs. 4 S. 3 StPO die Strafvollstreckungskammer zuständig ist. Mit Rücksicht darauf hat das Amtsgericht Lünen den Beschluss vom 04.10.2016 durch seine nachfolgende Entscheidung vom 14.10.2016 aufgehoben. Dieser Beschluss war aber unwirksam, da das Amtsgericht Lünen zu einer Abänderung und damit auch zu einer Aufhebung seines Widerrufsbeschlusses nicht befugt war. Gemäß § 311 Abs. 3 S. 1 StPO darf im Verfahren über eine sofortige Beschwerde das Gericht, dessen Entscheidung angefochten ist - von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 311 Abs. 3 S. 2 StPO abgesehen - seine durch eine sofortige Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht abändern. Hierzu ist vielmehr ausschließlich das Beschwerdegericht berufen (§ 309 StPO). Ergeht gleichwohl eine abändernden Entscheidung, so ist diese unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 22.12.2010 - 2 ARs 289/10 -, BeckRS 2011, 01830; Saarländisches OLG, Beschluss vom 21.01.2015 – 1 Ws 8/15 –, juris; Hanseatisches OLG, Beschluss vom 26.10.2007 – 2 Ws 248/07 -, juris; Frisch in SK-StPO, 5. Auflage, § 311, Rn. 16) und so zu behandeln, als ob sie nicht ergangen wäre (Saarländisches OLG, am angegebenen Ort). Der Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Lünen vom 04.10.2016 hat daher weiterhin Gültigkeit. Infolge dessen war die Strafvollstreckungskammer gehindert, ihrerseits ebenfalls eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung im vorliegenden Verfahren zu treffen. Denn über denselben Gegenstand kann grundsätzlich nicht parallel durch verschiedene Gerichte entschieden werden. Eine solche Vorgehensweise ist vielmehr unzulässig, da die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht. Die Rechtssicherheit verlangt für die Frage, welche der Entscheidungen vorgeht, ein klares Abgrenzungskriterium, dass inhaltliche Bewertungen zur Rechtmäßigkeit erübrigt. Deshalb sperrt eine frühere Entscheidung, solange sie fortgilt, ungeachtet ihrer Rechtsfehlerhaftigkeit die nachfolgende Befassung durch ein anderes Gericht. Hiermit stimmen die allgemeinen Grundsätze zum Verfahrenshindernis anderweitiger Rechtshängigkeit im Erkenntnisverfahren, die gleichfalls an die zeitliche Priorität der Befassung anknüpfen, überein (vgl. Hanseatisches OLG, a.a.O., m.w.N.).

Der angefochtene Beschluss war daher aufzuheben. Eine eigene Entscheidung des Senats über den Widerruf der Strafaussetzung zu Bewährung kommt aus den vorgenannten Gründen ebenfalls nicht in Betracht. Vielmehr war die Sache zur Entscheidung über die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 13.10.2016 und der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 12.10.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lünen vom 04.10.2016, über die eine wirksame Entscheidung bisher nicht ergangen ist, der hierfür als Beschwerdegericht gemäß § 309 StPO zuständigen allgemeinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vorzulegen.

III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


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