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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 90/17 OLG Hamm

Leitsatz: Zur (rückwirkenden) Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nebenklägerin.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Prozesskostenhilfe, Nebenklage, rückwirkende Bewilligung

Normen: StPO 397a

Beschluss:

Strafsache
In pp. hat der 4. Strafsenat des OLG Hamm am 13.06.2017
beschlossen:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Nebenklägerin als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin ist Nebenklägerin in einem Verfahren, das gegen ihren getrennt lebenden Ehemann wegen des Verdachts der vorsätzlichen Körperverletzung zu ihrem Nachteil und wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz geführt wurde.

Mit Beschluss vom 04.09.2014 ließ das Amtsgericht Münster die Beschwerdeführerin - vertreten durch Herrn Rechtsanwalt y - gemäß §§ 395 Abs. 1 Nr. 5, 396 StPO als Nebenklägerin zu. Wegen offensichtlicher Unvollständigkeit ergänzte das Amtsgericht Münster den vorbezeichneten Beschluss mit Beschluss vom 29.07.2016 dahingehend, dass der Nebenklägerin Rechtsanwalt y als Nebenklagevertreter beigeordnet wurde.

Das Amtsgericht Münster verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 29.05.2015 wegen Körperverletzung und wegen Verstoßes gegen das Gewaltschutzgesetz zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen in Höhe von jeweils 25,00 Euro.

Hiergegen legte der Angeklagte rechtzeitig Berufung ein.

Mit Schriftsatz vom 15.09.2015 beantragte die Nebenklägerin, ihr für die Berufungsinstanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt y gewähren.

Nach vorheriger Anhörung aller Verfahrensbeteiligten stellte das Landgericht Münster das Verfahren mit Beschluss vom 13.06.2016 gem. § 153a Abs. 2, Abs. 1 StPO zunächst vorläufig und mit Beschluss vom 25.07.2016 endgültig ein.

Mit Beschluss vom 30.12.2016 hat das Landgericht Münster den Antrag der Nebenklägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Es lägen weder die Voraussetzungen für eine Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO noch für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO vor. Es sei nicht erkennbar, dass die Nebenklägerin ihre Interessen nicht ausreichend selbst wahrnehmen könne. Sprachbarrieren könnten mit einem Dolmetscher überwunden werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Nebenklägerin mit ihrer mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 04.01.2017 erhobenen „sofortigen Beschwerde“, der das Landgericht Münster mit Beschluss vom 04.05.2017 nicht abgeholfen hat.

Die Nebenklägerin führt zur Begründung aus, dass sie erkennbar mittellos sei. Angesichts des rechtzeitig zu Beginn des Berufungsverfahrens gestellten Prozesskostenhilfeantrags sei es fast mutwillig, selbigen erst nach Verfahrensabschluss zu bescheiden.

Im Übrigen lägen die Gründe, die erstinstanzlich zu einer Beiordnung nach § 397 Abs. 2 StPO geführt hätten, weiter vor. Die Nebenklägerin sei sprach- und rechtsunkundig. Aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds sei sie nicht in der Lage, sich ohne anwaltliche Unterstützung dem Angeklagten zur Wehr zu setzen. Schließlich sei auch aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Gewährung von Prozesskostenhilfe geboten gewesen, da auch der Angeklagte verteidigt gewesen sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 15.05.2017 beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Eine nachträgliche rückwirkende Beiordnung eines Nebenklägervertreters bzw. eine nachträgliche Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren ist zwar grundsätzlich nicht zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 13.10.2010, 5 StR 179/10; KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 397a, Rn. 2 und 11). Vorliegend ist nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen allerdings von einer Ausnahme von diesem Grundsatz auszugehen, denn der von der Nebenklägerin bereits am 15.09.2015 gestellte Antrag ist durch die Kammer nicht rechtzeitig beschieden worden und die Antragstellerin hatte mit ihrem Antrag bereits alles für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe getan (vgl. BVerfGE v. 11.10.1996, 2 BvR 1777/95; OLG Köln, Beschluss vom 01.10.1999, 2 Ws 528/99; OLG Celle, Beschluss vom 04.08.2015, 2 Ws 111/15).
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2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. §§ 397a Abs. 2 StPO, 119 ff. ZPO liegen nicht vor. Insoweit nimmt der Senat zunächst auf die vollumfänglich zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung sowie der Nichtabhilfeentscheidung Bezug. Danach war die Nebenklägerin trotz sprachlicher Schwierigkeiten und des angespannten Verhältnisses zu dem Angeklagten in der Lage, ihre Interessen selbst ausreichend und in zumutbarer Weise wahrzunehmen. Auch die Ausführungen in dem Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 04.01.2017 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Soweit die Nebenklägerin ausführt, aus Gründen der „Waffengleichheit“ sei ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren, kann dieser Argumentation nicht gefolgt werden.

Durch die Nebenklage wird denjenigen Verletzten, die besonders schutzwürdig erscheinen, zwar grundsätzlich die Gelegenheit gegeben, in dem Verfahren ihre persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzungen zu wehren (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., Vor § 395, Rn. 1 m.w.N.). Die Nebenklage dient aber nicht der Herstellung von „Waffengleichheit“ im Verhältnis zum Angeklagten. Die Bestellung eines Beistandes verfolgt den im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, dafür zu sorgen, dass ein Geschädigter in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen (§ 397a Abs. 1 StPO) oder, wenn er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder ihm dies nicht zuzumuten ist (§ 397a Abs. 2 StPO), einen rechtskundigen Beistand erhält, der die Interessen des Nebenklägers vertritt und einen auch in dessen Interesse liegenden Verfahrensablauf gewährleistet. Dieser Zweck kann nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens jedoch nicht mehr erreicht werden. Denn es gibt in diesem Zeitpunkt keine von dem Opferanwalt zu erbringende Tätigkeit mehr. Dies gilt umso mehr, als dass die Nebenklägerin im vorliegenden Verfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten ordnungsgemäß vertreten worden ist und ihre Interessen damit in ausreichendem Maße wahrgenommen worden sind.

Schließlich erfolgt die Bestellung eines Beistandes nach § 397a Abs. 1 StPO bzw. die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach § 397a Abs. 2 StPO auch nicht im Kosteninteresse des Nebenklägers. Soweit die Nebenklägerin durch die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts den Vergütungsanspruch ihres Verfahrensbevollmächtigten gegen die Staatskasse sichern will (§ 45 Abs. 3 RVG), stellt dies einen verfahrensfremden Zweck dar (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 06.08.2009, 4 Ws 86/09; OLG Celle a. a. O.).

Ein Prozesskostenhilfeanspruch für die Berufungsinstanz ergibt sich auch nicht auf der Grundlage des Beschlusses des Amtsgerichts Münster vom 04.09.2014 in Verbindung mit dem Ergänzungsbeschluss vom 29.07.2016, mit dem der Nebenklägerin nach § 397a Abs. 2 StPO Prozesskostenhilfe unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt wurde. Denn die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gilt nach § 397 a Abs. 2 StPO i.V.m. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO im Gegensatz zur Beiordnung als Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO, die für das gesamte weitere Verfahren wirkt, nur für die jeweilige Instanz (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O.,§ 397 a, Rn. 17).

Soweit der Bundesgerichtshof in dem von dem Verfahrensbevollmächtigten zitierten Beschluss vom 15.08.2007, 2 StR 272/07, den dort gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die zweite Instanz als gegenstandslos erachtet und auf die Fortwirkung einer Beiordnung auch auf die Revisionsinstanz hingewiesen hat, ist diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Denn der Bundesgerichtshof hatte sich in dem entsprechenden Verfahren mit einem Fall zu beschäftigen, in dem eine Beiordnung als Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO erfolgt war. Ein solcher Fall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Zutreffend hat das Amtsgericht keine Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO vorgenommen, sondern lediglich Prozesskostenhilfe gewährt, da die Befugnis zur Nebenklage auf § 395 Abs. 1 Nr. 3, 396 StPO beruht.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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