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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 RVs 97/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Bei einem Fußballspiel in einem umfriedeten und teilweise überdachten Stadion handelt es sich um eine "Veranstaltung unter freiem Himmel" im Sinne von § 27 Abs. 2 VersammlgG.

2. Solange sich der Angeklagte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem von ihm zuvor besuchten, inzwischen beendeten Bundesligaspiel noch auf dem Stadiongelände selbst befindet, um ein ihm dort zur Verfügung stehendes Mittel zum Abtransport zu nutzen, befindet er sich noch auf der Veranstaltung im Sinne von § 27 Abs. 2 VersammlG.


Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Vermummung, Fußballspiel, Stadion, Abreise

Normen: VersammlG 27; VersammlG 17a

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.09.2017 beschlossen:

1. Die Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
2. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Paderborn hat den Angeklagten am 14.09.2016 (72 Cs pp.) wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen in Höhe von je 50,00 Euro verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht mit Urteil vom 27.03.2017 verworfen; die Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Paderborn mit Urteil vom selben Tag mit der Maßgabe verworfen, dass die Tagessatzhöhe auf 40,00 Euro herabgesetzt worden ist.

In der Sache hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:
„Am 23.5.2015 besuchte der Angeklagte als Auswärtsfan mit weiteren Anhängern des T das Bundesligaspiel des Q gegen den Tin der C Arena in Q2. Er war bekleidet mit einer blauen Jeanshose, einem grauen Kapuzenpullover, darüber einer schwarzen Regen-/Windjacke mit dem weißen Emblem des „T-er Rössle“ auf der linken Brust sowie schwarzen Adidas-Turnschuhen mit drei weißen Streifen und weißer Sohle. Das Spiel wurde um 15:30Uhr angepfiffen und endete mit einem 2:1Sieg des T. Nach Abpfiff und dem Verlassen des Stadions hielt sich der Angeklagte gegen 17:48 Uhr noch auf dem zum Stadiongelände gehörenden umzäunten Gästeparkplatz bei den dort geparkten Bussen auf. Hier kam es aus einer Gruppe der auf dem Parkplatz anwesenden Anhänger des T zu einem Tumult und unter anderem dem Zünden von Pyrotechnik. Die dort eingesetzten Beamten forderten daraufhin die auswärtigen Fans auf, sich ruhig zu verhalten, zu den Bussen zu begeben und in diese einzusteigen. Auch beabsichtigten sie vereinzelt die Personalien der dort anwesenden Anhänger des Tfestzustellen. Als der Angeklagte, welcher bereits in einen der bereitstehenden Busse eingestiegen war, den Tumultbemerkte, maskierte er sich,indem er sein Gesicht hinter einem roten Schal bzw. einer Sturmhaube verbarg,so dass nur noch seine Augenpartie zu erkennen war. Zudem zog er sowohl die Kapuze seines Sweatshirts als auch die Kapuze seiner Jacke, die er zuvor bei Verlassen des Stadions nur locker über den halben Kopf getragen hatte, tief ins Gesicht.In dieser Aufmachung verließ er den Bus wieder und stellte sich den eingesetzten Polizeibeamten gegenüber. Durch das Verdecken eines Großteils seines Gesichtesbeabsichtigte er, eine Identifizierung seiner Person zu verhindern. Als regelmäßigen Besucher von Fußballbundesligaspielen war dem Angeklagten bewusst, dass eine derartige Aufmachung im Zusammenhang mit dem Besuch einer solchen Veranstaltungverboten ist.

Der Aufforderung der anwesenden Polizeibeamten, wieder in den Bus einzusteigen, folgte er zunächst nicht, sondern stellte sich diesen entgegen. Erst durch andere Anhänger des T ließ es sich wieder zurück in den Fanbus drängen, wobei er die Polizeibeamten anschrie und von außen aggressiv mit der flachen Hand kräftig gegen den Bus schlug. Insgesamt dauerte dieses Geschehen keine Minute lang.“

Nach den getroffenen Feststellungen hat das Landgericht den Angeklagten des vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 27a Abs. 2 Nr. 2, 17a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG für schuldig befunden.

Gegen das Berufungsurteil hat der Angeklagte Revision eingelegt und diese mit der Verletzung materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen tragen eine Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 27 Abs. 2 Nr. 2, 17a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG.

a) Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 23.09.2013, 2 OLG 21 Ss 693/13; OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2011, 257), der sich der Senat anschließt, handelt es sich bei einem Fußballspiel um eine „Veranstaltung unter freiem Himmel“ im Sinne von § 27 Abs. 2 VersammlG.

Sonstige öffentliche Veranstaltungen unter freiem Himmel sind grundsätzlich alle jedermann zugängliche Veranstaltungen gleich zu welchem Zweck (Wache in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand Mai 2017, § 17a Rn. 1; Kretschmer, NStZ 2015, 504).

Unschädlich ist insoweit, dass das Q2 Stadion umfriedet und jedenfalls teilweise überdacht ist. Für die Annahme, dass auch Fußballspiele vom Schutzbereich der Norm umfasst werden sollen, spricht bereits maßgeblich der Sinn und Zweck der Vorschrift. Mit der Einführung der Strafvorschrift des § 27 Abs. 2 VersammlG wollte der Gesetzgeber auf „Erfahrungen bei großen Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen“ (BT-Drs. 11/2834, S. 11) reagieren. Bezweckt ist insbesondere eine Eindämmung der sog. Fangewalt, wie sie auch im Zusammenhang mit Fußballspielen der Bundesliga und Länderspielen zu beobachten ist (Ridder/Breitbach/Rühl/Steinmeier, Versammlungsrecht, 1. Aufl., § 17a Rn. 11; Dürig-Friedl/Enders, Versammlungsrecht, 1. Aufl., § 17a Rn. 8; Ott/Wächter/Heinhold, Gesetz über Versammlungen und Aufzüge, 7. Aufl., § 17a Rn. 48f.).b)

Gegen die Anwendbarkeit des § 27 Abs. 2 VersammlG spricht nicht, dass das Fußballspiel zum Zeitpunkt des Vorfalls abgepfiffen war und der Angeklagte das Stadioninnere bereits verlassen hatte. Der Angeklagte befand sich unmittelbar nach Spielende auf dem Gästeparkplatz. Solange sich der Angeklagte im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem von ihm zuvor besuchten Bundesligaspiel noch auf dem Stadiongelände selbst befindet, um ein ihm dort zur Verfügung stehendes Mittel zum Abtransport zu nutzen, befindet er sich noch auf der Veranstaltung in Sinne von § 27 Abs. 2 VersammlG.

c) Bei dem von dem Angeklagten besuchten Fußballspiel handelt es sich auch um eine öffentliche Veranstaltung. Unschädlich ist insoweit, dass er eine Eintrittskarte benötigte, um das Stadion betreten zu können. Ein Fußballspiel ist grundsätzlich für jedermann zugänglich. Jeder kann eine Eintrittskarte erwerben und der Veranstaltung beiwohnen. Im Vorfeld ist für den jeweiligen Veranstalter nicht absehbar, wer im Besitz einer solchen Eintrittskarte ist und an der Veranstaltung teilnehmen wird.

d) Die Vermummung des Angeklagten war auch - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - geeignet, die Feststellung der Identität des Angeklagten zu beeinträchtigen. Unerheblich ist insoweit, dass szenenkundige Beamte in Stuttgart nach Inaugenscheinnahme des von dem Vorfall aufgezeichneten Videos den Angeklagten haben identifizieren können. Nach dem Wortlaut und Sinn der §§ 17a Abs. 2 Nr. 1, 27 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG genügt es für das Verbot, dass die Vermummung objektiv geeignet und nach den objektiven Umständen darauf gerichtet war, die Feststellung der Identität des so aufgemachten Veranstaltungsteilnehmers zu verhindern (vgl. OLG Dresden, a. a. O.). So liegt der Fall hier. Ausweislich der landgerichtlichen Feststellungen war der Angeklagte zum Zeitpunkt des Vorfalls im Gesicht derart maskiert, dass nur noch seine Augenpartie zu erkennen war.

2. Die Strafzumessungserwägungen lassen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Insbesondere durfte das Landgericht auch die Nichtanwendung des § 59 StGB mit generalpräventiven Erwägungen begründen.

III.
Da die Überprüfung des angefochtenen Urteils damit insgesamt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, war die Revision auf seine Kosten, § 473 Abs. 1 StPO, als unbegründet zu verwerfen.


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