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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Jugendstrafe, schädliche Neigungen, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 26.08.2010 - (1) 1 Ss 351/10 (25/10)

Fundstellen:

Leitsatz: Die Verhängung von Jugendstrafe nach § 17 Abs. 2 JGG setzt voraus, dass die schädlichen Neigungen nicht nur bei Begehung der Taten, sondern auch noch im Zeitpunkt des Urteils vorliegen und deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sind.


KAMMERGERICHT
Beschluß
Geschäftsnummer:
(1) 1 Ss 351/10 (25/10)
432 Ds 110/10 Jug - 2 St Js 2000/09
In der Strafsache gegen
N ,
geboren am x in x,
wohnhaft in x,
wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei
hat der 1. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 26. August 2010 beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin –Jugendgericht–
vom 5. Mai 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurück-verwiesen.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei in sechs Fällen zu einer Jugendstrafe von acht Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Seine mit der allgemeinen Sachrüge begründete Sprungrevision hat (vorläufigen) Erfolg.
1. Das Urteil kann keinen Bestand haben, weil die Feststellungen zum Schuldspruch und zu den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 JGG lückenhaft sind.
a) Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil die Urteilsgründe sich in der Wiedergabe der (durch den geständigen Angeklagten) hinterzogenen Tabaksteuer erschöpfen und keine Angaben zu deren Berechnung enthalten. Das wäre aber erforderlich gewesen, um dem Senat die Beurteilung zu ermöglichen, ob der Schuldumfang vom Tatgericht zutreffend festgestellt worden ist (std. Rspr., vgl. BGH NStZ 2006, 634; Senat, Beschluß vom 30. Juni 2010 – (1) 1 Ss 239/10 (18/10) – mwN). Eine Berechnungsdarstellung ist nur in eng begrenzten Ausnahmefällen dann entbehrlich, wenn der geständige Angeklagte die zur Ermittlung des Schadensumfanges notwendige Sachkunde besitzt und sich deshalb sein Geständnis auch auf die Höhe der hinterzogenen Steuern beziehen kann (vgl. BGH und Senat aaO). Diese Sachkunde hat das Amtsgericht bei dem im Tatzeitraum 16jährigen Angeklagten, der nach einem Schulbesuch von fünf Jahren keinen Beruf erlernt hat und erst 2009 aus seiner vietnamesischen Heimat nach Deutschland gekommen ist, nicht fest-gestellt. Unter den gegebenen Umständen versteht sich die Sachkunde auch nicht von selbst.

b) Darüber hinaus ist die Annahme von „schädlichen Neigungen“ im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG in dem Urteil nicht rechtsfehlerfrei begründet. Das Jugendgericht sieht die schädlichen Neigungen darin, daß der Angeklagte sich dem illegalen Zigarettenhandel angeschlossen und ihn mit erheblicher Intensität betrieben habe, was an seinen „häufigen Aufgriffen“ ablesbar sei. Richtig ist zwar, daß die wiederholte Begehung der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei tragfähige Rückschlüsse auf erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel zulassen. Das Amtsgericht hätte jedoch feststellen und darlegen müssen, daß die schädlichen Neigungen nicht nur bei Begehung der Taten, sondern auch noch im Zeitpunkt des Urteils vorlagen und deshalb weitere Straftaten des Angeklagten zu befürchten sind (vgl. Senat, Beschluß vom 20. Juni 2008 – (1) 1 Ss 185/08 (13/08) – mwN). Anlaß zu derartigen Erörterungen bestand, weil sich der Ange-klagte im Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits etwa drei Wochen in Untersuchungshaft befunden hatte und das Jugendgericht bei seiner Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 21 JGG) selbst davon ausgegangen ist, daß von dem Angeklagten wegen der „erfahrenen“ Untersuchungshaft und des Warneffekts seiner Verurteilung keine weiteren Straftaten zu erwarten seien. Das Amtsgericht hätte deshalb prüfen müssen, ob nicht insbesondere die – soweit ersichtlich erstmals - erlittene Freiheitsentziehung zu einer positiven erzieherischen Wirkung geführt hatte, welche die Verhängung von Jugendstrafe entbehrlich machte.
2. Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil mit den Feststellungen auf und verweist die Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück.

Einsender:

Anmerkung:


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