Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Hauptstrafe, Nebenstrafe, Wechselwirkung, Aufhebung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Koblenz, Beschl. v. 18.11.2010 - 1 Ss 149/10

Fundstellen:

Leitsatz: Weist der Strafausspruch im Urteil einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, weil es nicht erkennen lässt, von welchem Strafrahmen das Amtsgericht ausgegangen ist, so kann die angeordnete Festsetzung eines Fahrverbots nicht isoliert bestehen bleiben, da eine Wechselwirkung zwischen der Geldstrafe als Hauptstrafe und dem Fahrverbot als Nebenstrafe besteht.


1 Ss 149/10

OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung
hier: Revision des Angeklagten
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht
am 18. November 2010 gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Simmern vom 29. April 2010 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Simmern zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht — Strafrichter — Simmern erließ am 17. März 2010 einen Strafbefehl, in welchem es gegen den Angeklagten wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 70 Euro festsetzte und zudem ein Fahrverbot von einem Monat verhängte. Auf den hiergegen eingelegten Einspruch führte das Amtsgericht am 29. April 2010 eine Hauptverhandlung durch. Den Angeklagten, der von einem gemäß § 411 Abs. 2 S. 1 StPO bevollmächtigten Verteidiger vertreten wurde, hatte es antragsgemäß von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden. Dieser nahm daher an der Hauptverhandlung nicht teil. In der Hauptverhandlung erklärte der Verteidiger, dass der Einspruch auf die Rechts- folgen des Strafbefehls beschränkt werde. Zwischenzeitlich hat der Verteidiger gegenüber dem Senat mit Schriftsatz vom 16. November 2010 anwaltlich versichert, dass er diese Beschränkung in Ermächtigung des Angeklagten erklärt habe.

Mit Urteil vom. 29. April 2010 verhängte das Amtsgericht — Strafrichter — Simmern gegen den Angeklagten wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Beleidigung eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro. Zudem sprach es ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Angeklagten aus. Gegen dieses Urteil legte der Ange- klagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 6. Mai 2010, der an diesem Tag bei dem Amtsgericht Simmern einging, ein zunächst unbestimmtes Rechtmittel ein. Vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist bezeichnete der Angeklagte das eingelegte Rechtsmittel mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Mai 2010 als Revision und erhob die allgemeine Sachrüge. Er beantragte, das Urteil des Amtsgerichts Simmern vom 29. April 2010 mit den zugrunde liegenden Feststellungen im Rechtsfolgenaus- spruch aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Simmern zurückzuverweisen.

II.
Das wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg. Es führt zur Aufhebung des Urteils samt der zugrunde liegenden Feststellungen im Rechtsfolgenausspruch.

1.
Die von Amts wegen, auch im Fall der eingetretenen Teilrechtskraft (Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., Einl. Rn 151), vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen ergibt, dass das Amtsgericht im Ergebnis zu Recht eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch gemäß § 410 Abs. 2 StPO angenommen und daher zutreffend nicht über den in dem Strafbefehl vom 17. März 2010 enthaltenen Schuldspruch befunden hat.

Eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter den gleichen Voraussetzungen möglich, wie die Beschränkung der Rechtsmittel gegen Urteile (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 410 Rn. 4). Der Verteidiger bedarf daher einer ausdrücklichen Ermächtigung durch den Angeklagten, die nicht in der bei Übernahme des Mandats erteilten allgemeinen Prozessvollmacht gesehen werden kann. Als Nachweis der Ermächtigung genügt eine anwaltliche Versicherung des Verteidigers (Meyer-Goßner a.a.O., § 302 Rn. 33). Einen solchen Nachweis hat der Verteidiger nunmehr mit Schriftsatz vom 16. November 2010 vorgelegt.

Im Übrigen trägt die Tatschilderung in dem Strafbefehl den Schuldspruch und bietet eine ausreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs, so dass die erklärte Beschränkung des Einspruchs wirksam war.

2.
Auf die Sachrüge des Angeklagten unterliegt der Rechtsfolgenausspruch der angefochtenen Entscheidung jedoch der Aufhebung, weil er einen durchgreifenden Rechtsfehler aufweist.

Zwar unterliegt die Strafzumessung nur in eingeschränktem Umfang der Überprüfung durch das Revisionsgericht. Es ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Person des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belas-tenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in die Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, von unzutreffenden Tatsachen ausgehen, das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte StrafzWecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatrichter eingeräumten Spielraums liegt. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen. In Zweifelsfällen muss das Revisionsgericht die vom Tatgericht vorgenommene Bewertung bis an die Grenze des Vertretbaren hinnehmen (ständige Rechsprechung, vgl. BGH NStZ-RR 2008, 343. m.w.N.).

Vorliegend weist das Urteil aber in seinem Strafausspruch einen sachlich-rechtlichen Mangel auf, weil es nicht erkennen lässt, von welchem Strafrahmen das Amtsgericht ausgegangen ist. Es bleibt bereits offen, ob das Amtsgericht § 52 Abs. 2 S. 1 StGB zur Anwendung gebracht und die Strafe dem Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB entnommen hat. Hinzu kommt, dass sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen lässt, ob das Amtsgericht für den (gesetzlich vorgesehenen) Fall der Anwendung des § 240 Abs. 1 StGB von dessen Regelstrafrahmen oder von dem (nach seinem Ermessen) gemäß §§ 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 240 Abs. 1 StGB ausgegangen ist. Bereits dieser Fehler nötigt zur Aufhebung des Strafausspruchs (vgl. BGH, Beschluss vom 16.08.1979, 4 StR 431/79 m.w.N., als Leitsatz zitiert bei Pfister NStZ 1981, 295, 296).

Die angeordnete Festsetzung des Fahrverbots konnte nicht isoliert bestehen bleiben, da eine Wechselwirkung zwischen der Geldstrafe als der Hauptstrafe und dem Fahrverbot als Nebenstrafe besteht. Die sich gerade bei der Ahndung von — hier vorliegenden — Verkehrsverstößen aufdrängende ganzheitliche Betrachtungsweise wirkt sich insofern aus, als der strafschärfende Erfolg, der in der Verhängung der Neben- strafe des Fahrverbots liegt, in der Regel zugleich bei der Bemessung der Hauptstrafe zu berücksichtigen ist (vgl. BGH NJW 1980, 130, 131 m.w.N.; siehe auch OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 23). Dies ist hier der Fall. In der angefochtenen Entscheidung kommt zum Ausdruck, dass die erneute Verhängung einer Geldstrafe anstelle einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe auch wegen der Anordnung des Fahrverbots erfolgte.
Gemäß § 353 Abs. 1 und 2 StPO ist das angefochtene Urteil daher mit den getroffenen Feststellungen in seinem Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Gemäß § 354 Abs. 2 StPO wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
1.
Die Begründung der Strafe muss stets so erfolgen, dass dem Revisionsgericht die ihm obliegende sachlichrechtliche Nachprüfung möglich ist (vgl. Engelhardt in KK- StPO, 6. Aufl., § 267 Rn. 25 m.w.N.). Auch wenn der Tatrichter im Urteil nur diejenigen Umstände anzuführen braucht, die für die Strafzumessung bestimmend waren (§ 267 Abs. 3 S. 1 StPO) und eine erschöpfende Aufzählung aller Strafzumessungserwägungen weder vorgeschrieben noch möglich ist (vgl. BGH NStZ-RR 2008, 343), ist es doch rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter Umstände außer Acht lässt, die für die Beurteilung des Unrechts- und Schuldgehalts der Tat von erheblicher Bedeutung sind (vgl. Engelhardt a.a.O.). Aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils lässt sich nicht entnehmen, dass der Tatrichter strafmildernd zu beachtende Strafzumessungsgesichtspunkte (wie das Geständnis des Angeklagten und seine Entschuldigung bei dem Geschädigten) gewertet hat, auch wenn die Höhe der verhängten Geldstrafe die Beachtung von zu Gunsten des Angeklagten eingreifenden Strafzu-messungsgesichtspunkten nahe legt.

Bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe können Kreditbelastungen unter Umständen zu berücksichtigen sein. Es kommt auf den der Verschuldung zugrunde liegenden Lebenssachverhalt an (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl., § 40 Rn. 15 und 16).

Liegen die Voraussetzungen des § 42 S. 1 StGB vor, so sind Zahlungserleichterungen zwingend bereits von dem erkennenden Gericht anzuordnen (vgl. Fischer, a.a.O., § 42 Rn. 9.), nicht erst von der Staatsanwaltschaft im Zuge des Vollstreckungsverfahrens.

4.
Die in einem Urteil getroffenen Feststellungen dürfen nicht in sich widersprüchlich sein. Dies gilt auch für die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten einerseits und die im Ermessen des Gerichts stehende Anordnung eines Fahrverbots (vgl. § 44 Abs. 1 S. 1 StGB, vgl. Stree/Kinzig in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 44 Rn. 15 m.w.N.) andererseits. Soweit sich das Amtsgericht bei seinen Erwägungen, warum ein Absehen von der Verhängung des Fahrverbots nicht in Betracht kommt, über seine Feststellungen zur beruflichen Situation des Angeklagten hinwegsetzt, ist dies rechtsfehlerhaft, auch wenn es tatsächlich eher fern liegt, im vorliegenden Fall von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen.


Einsender: RA Dr. Fromm, Koblenz

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".