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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Beiordnung, Schwere der Tat

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.04.2011 - III 2 RVs 27/11

Fundstellen:

Leitsatz: Ob eine Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO als schwer zu betrachten ist, beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolge. Neben der Höhe der im Verfahren zu erwartenden Strafe kann sich die Schwere der Tat auch aus dem Angeklagten infolge der Verurteilung entstehenden oder drohenden mittelbaren Nachteilen ergeben.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
III 2 RVs 27/11
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Betruges
hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 13. April 2011 auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts — Strafrichter — Duisburg vom 9. November 2010 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen zu einer Ge-samtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Gegen diese Verurteilung hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge - jedenfalls vorläufig - Erfolg.

Der Angeklagte macht zu Recht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO i.V.m. § 140 Abs. 2 StPO geltend, weil er in der Hauptverhandlung nicht durch einen Verteidiger vertreten war. Ob eine Tat im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO als schwer zu betrachten ist, beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolge. Droht dem Angeklagten mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe, so wird darin bereits ein Anlass zur Bestellung eines Pflichtverteidigers gesehen (vgl. BayObLG .StV 1995, 573; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 373; OLG Köln StV 1993, 402; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010, § 140 Rdnr. 23 mwN). Neben der Höhe der zu erwartenden Strafe kann sich die Schwere der Tat auch aus dem Angeklagten infolge der Verurteilung entstehenden oder drohenden mittelbaren Nachteilen ergeben (vgl. KG, Beschluss vom 17. April 1998 (4) 1 Ss 82/98 (27/98)). Daher kann auch bei einer Verurteilung zu weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe die Beiordnung eines Verteidigers notwendig sein, wenn als Folge dieser Verurteilung der Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung in anderer Sache droht, insbesondere wenn die Summe der im neuen Strafverfahren zu erwartenden Freiheitsstrafe und der von einem möglichen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung betroffenen Strafe ein Jahr erreicht oder darüber liegt (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 140 Rdnr. 25 mwN).

Dies ist hier der Fall. Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil zwar nur zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden. Es kommt aber hinzu, dass er aufgrund dieses Urteils mit dem Widerruf der Aussetzung der Freiheitsstrafe von neun Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 9. August 2007 rechnen muss.(§ 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB).

Die Durchführung der Hauptverhandlung ohne Mitwirkung eines Verteidigers stellt einen absoluten Revisionsgrund dar. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrundeliegenden Feststellungen und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts (§§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass bei Bestimmung der tat- und schuldangemessenen Einzelstrafen strafmildernd zu berücksichtigen sein wird, dass aufgrund der neuerlichen Verurteilung der Widerruf der wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe aus dem o.g. Urteil des Landgerichts Duisburg droht. Die fehlende Erörterung der Wirkung, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten zu erwarten ist (§ 46 Abs. 1 S. 2 StGB), würde einen Begründungsmangel darstellen.


Einsender: RA M. Rahmlow, Düsseldorf

Anmerkung:


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