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Entscheidungen

StPO

Zustellung, Wohnort, Inhaftierung

Gericht / Entscheidungsdatum: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 14.06.2011 - 14 B 515/11

Fundstellen:

Leitsatz: Eine mehrmonatige Inhaftierung bewirkt grundsätzlich, dass die vor der Inhaftierung bewohnte Wohnung nicht mehr als solche angesehen und dort nicht mehr ordnungsgemäß zugestellt werden kann. In diesen Fällen ist regelmäßig nicht damit zu rechnen, dass der Zustellungsadressat zeitnah Kenntnis von den an ihn adressierten Sendungen nehmen und seine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung innerhalb der ihm gesetzten Fristen zweckmäßig einrichten kann. Etwas anderes gilt dann, wenn davon auszugehen ist, dass der Inhaftierte eine fortdauernde persönliche Beziehung zu seiner Wohnung aufrecht erhalten hatte, weil seine Frau und sein Kind dort wohnten und auf diese Weise gewährleistet war, dass er Kenntnis von an ihn gerichteten Sendungen erhalten konnte.


In pp.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf einen Betrag bis 3.000,-- Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist nicht wegen der im Beschwerdeverfahren dargelegten, vom Senat allein zu prüfenden Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -), zu ändern.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vergnügungssteuerbescheid vom 10. Dezember 2009 zutreffend abgelehnt, weil die Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung gemäߧ 6 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVG NRW - vorliegen. Soweit der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung geltend macht, der Vergnügungssteuerbescheid vom 10. Dezember 2009 sei ihm nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, dürfte er mit diesem Vorbringen keinen Erfolg haben. Ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin befindlichen Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt. Der Steuerbescheid konnte auch wirksam unter der Anschrift der Wohnung des Antragstellers, L.---straße 000 in L1., zugestellt werden, obwohl der Antragsteller zum Zeitpunkt der Zustellung in Untersuchungshaft war. Die Eigenschaft dieser Wohnung als Wohnung des Klägers ist nämlich nicht deshalb verloren gegangen, weil er sich ausweislich der in den Verwaltungsvorgängen vermerkten Angaben des Bruders des Antragstellers seit 22. September 2009 in der Justizvollzugsanstalt L1. befand. Allerdings dauerte die Inhaftierung und damit die Abwesenheit des Klägers von seiner Wohnung zum Zeitpunkt der Zustellung bereits annähernd drei Monate. Eine mehrmonatige Inhaftierung bewirkt grundsätzlich, dass die vor der Inhaftierung bewohnte Wohnung nicht mehr als solche angesehen und dort nicht mehr nach den §§ 178, 180 der Zivilprozessordnung - ZPO - zugestellt werden kann.
Vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1977 - III ZR 1/76 -, NJW 1978, 1858 f.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2010 - I - 17 U 20/09 -, [...].

In diesen Fällen ist nämlich im Allgemeinen nicht mehr damit zu rechnen, dass der Zustellungsadressat zeitnah Kenntnis von den an ihn adressierten Sendungen nehmen und seine Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung innerhalb der ihm gesetzten Fristen zweckmäßig einrichten kann. Trotz seiner längeren Inhaftierung ging hier die Eigenschaft der Wohnung in der L.---straße 000 als Wohnung des Klägers nicht verloren. Es ist nämlich davon auszugehen, dass er eine fortdauernde persönliche Beziehung zu seiner Wohnung aufrecht erhalten hatte, weil seine Frau und sein Kind dort wohnten und auf diese Weise gewährleistet war, dass er Kenntnis von an ihn gerichteten Sendungen erhalten konnte. Eine Bindung in diesem Sinne wird auch dadurch bestätigt, dass die Wohnung in einem dem Kläger gehörenden Haus lag und er nach Ende der Inhaftierung im Mai 2010 wieder in die Wohnung zurückgekehrt ist. Substanziierte Angaben dazu, dass der Kontakt zu seiner Ehefrau während seiner Inhaftierung abgerissen sei, hat der Antragsteller nicht gemacht. Ausweislich der Klageschrift vom 13. Januar 2011 hat er vielmehr nur geltend gemacht, dass er den betreffenden Bescheid nicht erhalten habe. Hierzu ist angegeben, er - der Bescheid - sei "weder unter seiner Wohnanschrift an die zur Postannahme bevollmächtigte Ehefrau, noch in der Justizvollzugsanstalt zugestellt worden". Damit räumt der Antragsteller ein, dass eine Übermittlung der Post über seine in der Wohnung wohnende Ehefrau von ihm geregelt war. Soweit der Antragsteller in seinem nach Ablauf der Frist zur Begründung der Beschwerde eingegangenen Schriftsatz vom 18. Mai 2011 angibt, seine Ehefrau sei "keineswegs postempfangsbevollmächtigt" gewesen, fehlen hierzu nähere Erläuterungen, die den Widerspruch zu den Angaben in der Klageschrift erklären könnten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der neue Vortrag im Hinblick auf das Vorbringen der Antragsgegnerin verfahrensangepasst erfolgt ist.
Soweit der Antragsteller weiter geltend macht, es habe eine Kontaktsperre bestanden und geschäftliche Dinge hätten nicht erörtert und geschweige denn hätten Unterlagen übergeben werden dürfen, vermag dies nicht zu einem Erfolg der Beschwerde zu führen. Der Vortrag ist unschlüssig für die Frage, ob der Kläger nach wie vor seine Wohnung in der L.---straße 000 hatte. Das könnte nur verneint werden, wenn nicht mehr damit zu rechnen gewesen wäre, dass er zeitnah von den an ihn adressierten Sendungen hat Kenntnis nehmen können. Das war aber der Fall: Nach Nr. 28 der seiner Zeit maßgeblichen Untersuchungshaftvollzugsordnung vom 12. Februar 1953 mit den Änderungen bis zur Verfügung vom 5. Dezember 2001 (JMBl. NRW 2002 S. 2) UVOllzO ) durften Gefangene Schreiben unbeschränkt absenden und empfangen, sofern der Richter nichts anderes bestimmte. Nach Nr. 33 UVollzO wurden eingehende Schreiben dem Richter oder Staatsanwalt vorgelegt, der über die Aushändigung entschied. Es ist noch nicht einmal vorgetragen und schon deshalb, aber auch in der Sache nicht glaubhaft, dass der Steuerbescheid dem Kläger auf diesem Wege trotz richterlicher Restriktionen nicht hätte ausgehändigt werden können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes - GKG -.


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