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Entscheidungen

Haftfragen

Haftbefehl, Außervollzugsetzung, Aufrechterhaltung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 15.11.2011 - 2 Ws 709/11

Fundstellen:

Leitsatz: Zur Aufrechterhaltung eines außer Vollzug gesetzten Haftbefehls.


In pp.
Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:
"I. Das Amtsgericht A. hat mit Haftbefehl vom 05.11.2010 gegen den Angeklagten die Untersuchungshaft angeordnet. Dem Angeklagten ist insoweit vorgeworfen worden, zusammen mit weiteren gesondert verfolgten Beschuldigten gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstahl oder Hehlerei verbunden habe hochwertige Pkw, die mittels sogenannten "Homejacking" entwendet worden sind, sich verschafft zu haben, um sie gewinnbringend abzusetzen. Im Einzelnen ist dem Beschuldigten die bandenmäßige Beteiligung an insgesamt 8 Fällen zur Last gelegt worden.
Die Untersuchungshaft wird seit dem 09.11.2010 vollzogen, nachdem der Angeklagte sich am selben Tage - nach längerer Flucht - gestellt hatte. Seine gegen den Haftbefehl gerichtete Haftbeschwerde vom 09.11.2010 hatte die Beschwerdekammer des Landgerichts A. durch Beschluss vom 23.11.2010 zurückgewiesen. Seine daraufhin eingelegte weitere Beschwerde vom 30.11.2010 hatte der zweite Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln mit Beschluss vom 21.12.2010 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Staatsanwaltschaft A. hat unter dem 25.01.2011 Anklage gegen den Beschwerdeführer und die Mitangeklagten A. C. und J. N.C. erhoben. Dem Beschwerdeführer wird insoweit zur Last gelegt, in nicht rechtsverjährter Zeit bis zum 15.07.2010 in H. und anderenorts durch 11 selbständige Handlungen gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstahls oder Hehlerei verbunden hatte, eine Sache, die ein anderer gestohlen oder sonst durch eine gegen fremdes Vermögen gerichtete rechtswidrige Tat erlangt hatte, sich oder einem Dritten verschafft zu haben, um sich oder einen Dritten zu bereichern. Zusätzlich zu den bereits den Gegenstand des Haftbefehls vom 05.11.2010 bildenden Taten sind dem Beschwerdeführer drei weitere Fälle der gewerbsmäßigen Bandenhehlerei vorgeworfen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift Bezug genommen.
Die 5. große Strafkammer des Landgerichts A. hat die Anklage mit Beschluss vom 28.02.2011 zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren gegen die Angeklagten eröffnet sowie - soweit es den Beschwerdeführer betrifft - die gegen ihn beschlossene Untersuchungshaft und Maßnahmen gemäß § 119 StPO aus den fortdauernden Gründen ihrer Anordnung aufrecht erhalten.
Nach Durchführung der Hauptverhandlung in der Zeit vom 30.03.2011 bis zum 06.04.2011 hat die Kammer die Hauptverhandlung mit Beschluss vom 15.04.2011 aufgrund eines begründeten Ablehnungsgesuchs gegen einen Schöffenrichter ausgesetzt.
Mit weiteren Beschlüssen vom selben Tage hat sie den Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer im Sinne der Anklageschrift neu gefasst und zugleich unter folgenden Anweisungen außer Vollzug gesetzt :
a) Der Angeklagte hat unverzüglich nach seiner Entlassung unter der Anschrift ...
Wohnung zu nehmen
b) Er hat sich zwischen 24.00 Uhr und 05.30 Uhr an dieser Wohnanschrift aufzuhalten,
c) Er darf die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen,
d) Er hat seinen Personalausweis bis zum 26.04.2011 zu hinterlegen,
e) Er hat sich ab sofort an jedem Montag zwischen 10.00 Uhr und 10.30 Uhr auf Geschäftsstelle persönlich zu melden,
f) Er hat eine Sicherheit in Höhe von 7.500,-€ zu leisten oder beizubringen,
g) Er hat allen Ladungen des Gerichts, der Staatsanwaltschaft und der Polizei in diesem Verfahren unverzüglich Folge zu leisten,
h) Er hat ein Kontaktverbot zu folgenden Personen einzuhalten: ...
Nach Beibringung der Sicherheitsleistung ist der Beschwerdeführer noch am selben Tage aus der Untersuchungshaft entlassen worden.
Nach Einholung entsprechender Stellungnahmen der Verteidiger der Angeklagten hat der Vorsitzende in einem Aktenvermerk vom 29.04.2011 festgehalten, dass eine Terminierung - um den Angeklagten die Vertretung durch ihre jeweiligen Wahlverteidiger zu ermöglichen - erst ab dem 13.10.2011 in Betracht komme, und Hauptverhandlungstermin auf den 13.10.2011 sowie acht Folgetermine bis zum 28.10.2011 bestimmt.
Mit Schriftsatz vom 06.10.2011 hat der bisherige Verteidiger des Beschwerdeführers das Mandat niedergelegt ; am 07.2010 hat sich Rechtsanwalt H. für den Beschwerdeführer bestellt. Mit Rücksicht auf entsprechende Verhinderungen von Rechtsanwalt H. hat der Vorsitzende am 12.10.2011 drei auf den 17.10.2011, 21.10.2011 und 24.10.2011 bestimmte Verhandlungstermine aufgehoben und mit Schreiben vom 21.10.2011 die Verteidiger um Mitteilung gebeten, an welchen Tagen in der 44. und 45. Kalenderwoche Fortsetzungstermine bestimmt werden könnten
Nach Beginn der Hauptverhandlung am 13.10.2011 hat der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.10.2011 Beschwerde gegen den Haftbefehl der Kammer vom 15.04.2011 eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vortragen lassen, der Fortbestand des Haftbefehls und die mit dem Verschonungsbeschluss verbundenen Belastungen seien in Anbetracht der Dauer des Verfahrens unverhältnismäßig. Zudem liege der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß
§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO nicht (mehr) vor, was sich bereits daraus ergebe, dass der Beschwerdeführer die ihm erteilten Auflagen erfüllt und sämtlichen Ladungen Folge geleistet habe. Abgesehen hiervon könne "im Fall einer vermeintlichen Flucht des Angeklagten" in dessen Abwesenheit gemäß § 231 Abs. 2 StPO weiterverhandelt werden.
Mit Beschluss vom 25.10.2011 hat die Kammer das dem Beschwerdeführer auferlegte Verbot, zu seinem Vater aufzunehmen, aufgehoben.
Das Landgericht hat der Haftbeschwerde am 26.10.2011 nicht abgeholfen.
In einem Vermerk vom selben Tage hat der Vorsitzende der 5. großen Strafkammer ausgeführt, dass drei weitere Termine nach Abstimmung mit den Verteidigern mit Rücksicht auf deren Terminlage auf den 15.11.2011, 06.12.2011 und 09.12.2011 anberaumt worden seien, obwohl es die Terminlage der Kammer durchaus ermöglicht hätte, die Fortsetzungstermine in der 44. und 45 Kalenderwoche zu bestimmen und das Verfahren gegebenenfalls abzuschließen.
II. Die Beschwerde ist gemäß § 304 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Der Angeschuldigte ist der gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Hehlerei in 11 Fällen nach Maßgabe des Haftbefehls des Landgerichts A. vom 15.04.2011 dringend verdächtig. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird insoweit auf den Inhalt des Haftbefehls und der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft A. vom 25.01.2011 sowie die dort aufgeführten Beweismittel Bezug genommen. Da der Angeklagte sich mit seiner Beschwerde nicht gegen den Tatverdacht wendet, sind weitere Ausführungen hierzu nicht veranlasst.
Der Haftgrund der Fluchtgefahr gemäß §112 Abs. 2 Nr. 2 StPO besteht nach wie vor. Von der wegen der ihm zu Last gelegten Taten zu erwartenden Gesamtfreiheitsstrafe geht - auch unter Berücksichtigung der bereits verbüßten Untersuchungshaft - ein erheblicher Fluchtanreiz aus. Zwar kann allein eine hohe Straferwartung (vgl. Beschlüsse des Senats vom 12.05.1995 - 2 Ws 174/95 - = StV 1995, 419; vom 21.08.1997 - 2 Ws 459-460/97 - = StV 1997, 642; vom 15.08.2000 - 2 Ws 419/00 - = StraFo 2001, 143; vom 27.01.2003 - 2 Ws 22/03, = StV 2003, 510; vgl. auch Meyer-Goßner, 52. Aufl., StPO, § 112 Rn. 24, 25) grundsätzlich die Fluchtgefahr nicht begründen. Sie ist aber Ausgangspunkt für die Erwägung, ob der in ihr liegende Anreiz zur Flucht auch unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände so erheblich ist, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der Beschuldigte werde ihr wahrscheinlich nachgeben und flüchtig werden. Dabei verlieren die weiteren Umstände an Gewicht, je höher die Straferwartung ist. An in diesem Sinne ausreichenden fluchthemmenden Umständen fehlt es vorliegend. Auf die diesbezüglichen Ausführungen im Haftbefehl vom 15.04.2011 bzw. den insoweit in Bezug genommenen Beschluss des Amtsgerichts A. vom 05.11.2010 sowie im Senatsbeschluss vom 21.12.2011 wird Bezug genommen.
Zudem ist - subsidiär - der Haftgrund der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a StPO gegeben (zu vgl. SenE vom 21.012.2011 aaO.).
Anhaltspunkte dahin, dass es nicht erforderlich wäre, der bestehenden Fluchtgefahr durch die im Verschonungsbeschluss vom 15.04.2011 in Verbindung mit dem Beschluss der Kammer 18.04.2011 angeordneten Auflagen zu begegnen, sind nicht ersichtlich.
Entgegen der Auffassung der darauf im Wesentlichen abzielenden Beschwerde ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und des Verschonungsbeschlusses vom 15.04.2011 auch weiterhin nicht unverhältnismäßig, was sich bereits aus den erheblichen Tatvorwürfen gegen den Angeklagten und aus der insoweit zu erwartenden Gesamtfreiheitsstrafe ergibt. Die Verhältnismäßigkeit ist auch nicht durch eine Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes in Frage gestellt. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt auch bei Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 StPO. Die Beschränkungen, die durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO entstehen, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen des Falles erforderlich ist (Meyer-Goßner, 53. Auflage, § 120 Rdnr. 5, § 116 Rdnr. 1, jeweils m.w.N.). Die Aufrechterhaltung der bestehenden Auflagen ist jedoch zur Sicherung der Durchführung des Verfahrens weiterhin unverzichtbar. Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot sind im vorliegenden Fall nicht in einem Ausmaß vorgekommen, dass die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und die mit seiner Aussetzung verbundenen Beschränkungen nicht länger vertretbar wären.
Der Vorsitzende hat sich unverzüglich - nämlich zeitgleich mit der infolge des Ablehnungsantrags gegen eine Schöffenrichterin gebotenen Aussetzung des Verfahrens - zwecks Neuterminierung mit den Verteidigern der Angeklagten ins Benehmen gesetzt. Dass die Hauptverhandlung sodann auf den 13.10.2011 und acht Folgetermine bestimmt worden ist, ist dem Umstand geschuldet, dass die Termine mit den Verteidigern der Angeklagten abzustimmen waren, und beruht nicht etwa auf der Terminlage der Kammer, die auch eine Terminierung in der Zeit zwischen dem 31.08.2011 und dem 23.09.2011 ermöglicht hätte. Entsprechendes gilt für die Bemühungen des Vorsitzenden, Ersatztermine mit den Verteidigern der Angeklagten - insbesondere mit dessen neuen Wahlverteidiger - abzustimmen, nachdem mit Rücksicht auf dessen Verhinderung die drei bereits bestimmten Termine hatten aufgehoben werden müssen. Auch hier hätte die Terminlage der Kammer eine frühere Fortsetzung der Hauptverhandlung bereits in der 44. und 45. Kalenderwoche ermöglicht. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot ist unter diesen Umständen nicht zu erkennen."
Dem schließt sich der Senat an.
Die Argumentation der Verteidigung, der Haftbefehl müsse aufgehoben werden, weil die Strafkammer ihn bereits "aus Gründen der Verhältnismäßigkeit" außer Vollzug gesetzt habe, verkennt, dass sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl nur SenE vom 1.3.2002 - HEs 14/02 - 22 -, vom 14.5.2002 - HEs 57/02 - 65 -, vom 15.10.2002 - HEs 184/02- 211 -, vom 17.4.2003 - 2 Ws 177/03 -, vom 8.6.2006 - 2 Ws 253/06) die Frage der Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung des Haftbefehls nur stellt, wenn eine Verschonung nicht in Betracht kommt. Erst wenn die Belastung des Angeklagten infolge der Verschonung nicht mehr verhältnismäßig wäre, käme die Aufhebung des Haftbefehls in Betracht. Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben. Der Senat verweist insoweit auf seine Entscheidung vom 1.6.2011 gegen den Mitangeklagten A. C. (Az. 2 Ws 301/11), in der dazu das Erforderliche gesagt worden ist. Diese Ausführungen gelten gleichermaßen für den Beschwerdeführer M.C.. Obwohl eigentlich davon auszugehen ist, dass der Verteidigung der Akteninhalt bekannt ist, seien die maßgeblichen Gründe der Entscheidung - auszugsweise - noch einmal wiedergegeben:
Zunächst hat die Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt:
"Entgegen der Auffassung der darauf im Wesentlichen abzielenden Beschwerde ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und des Verschonungsbeschlusses vom 17.12.2010 bzw. der entsprechenden Haftfortdauerentscheidung vom 28.02.2011 auch weiterhin nicht unverhältnismäßig, was sich bereits aus den erheblichen Tatvorwürfen gegen den Angeklagten und aus der insoweit zu erwartenden Gesamtfreiheitsstrafe ergibt. Die Verhältnismäßigkeit ist auch nicht durch eine Verletzung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgrundsatzes in Frage gestellt. Der Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen gilt auch bei Aussetzung des Vollzugs des Haftbefehls nach § 116 StPO. Die Beschränkungen, die durch Auflagen und Weisungen nach § 116 StPO entstehen, dürfen nicht länger andauern, als es nach den Umständen des Falles erforderlich ist (Meyer-Goßner, 53. Auflage, § 120 Rdnr. 5, § 116 Rdnr. 1, jeweils m.w.N.). Die Aufrechterhaltung der bestehenden Auflagen ist jedoch zur Sicherung der Durchführung des Verfahrens weiterhin unverzichtbar.
Verstöße gegen das Beschleunigungsgebot sind im vorliegenden Fall nicht in einem Ausmaß vorgekommen, dass die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und die mit seiner Aussetzung verbundenen Beschränkungen - hier namentlich die Kaution und die bestehenden Kontaktverbote - nicht länger vertretbar wäre.
Der Vorsitzende hat sich unverzüglich - nämlich zeitgleich mit der infolge des begründeten Ablehnungsantrags gegen eine Schöffenrichterin gebotenen Aussetzung des Verfahrens - mit Blick auf die erforderliche Neuterminierung mit den Verteidigern der Angeklagten ins Benehmen gesetzt. Dass die Hauptverhandlung sodann auf den 13.10.2011 und acht Folgetermine bestimmt worden ist, ist dem Umstand geschuldet, dass die Termine mit den Verteidigern der Angeklagten abzustimmen waren, und beruht nicht etwa auf der Terminlage der Kammer, die auch eine Terminierung in der Zeit zwischen dem 31.08.2011 und dem 23.09.2011 ermöglicht hätte."
Dem hat der Senat sich angeschlossen und ergänzend ausgeführt:
"Die Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung nicht vollzogener Haftbefehle entsprechen der Senatsrechtsprechung (vgl. nur SenE vom 16.9.2005 - 2 Ws 333/05). Strafsachen, in denen dem Beschuldigten Haftverschonung gewährt ist, fallen zwar nicht unter das Haftprüfungsverfahren nach §§ 121 f. StPO und für sie gilt damit nicht das dort normierte besondere Beschleunigungsgebot. Sie haben insbesondere bei der Terminierung der Hauptverhandlung grundsätzlich gegenüber Strafsachen, in denen Untersuchungshaft vollzogen wird, zurückzustehen. Aus rechtsstaatlichen Gründen besteht aber auch hier die Pflicht zu einer möglichst zügigen Bearbeitung. Die mit den Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO verbundenen Beschränkungen sind auch in Ansehung der Belange einer funktionierenden Strafrechtspflege nur für einen angemessenen Zeitraum hinzunehmen (vgl. BVerfGE 53, 152 = NJW 1980, 1448). Der Senat hält gemessen an diesen Kriterien die Aufrechterhaltung des Haftbefehls mit den Beschränkungen im Haftverschonungsbeschluss nach dem bisherigen und dem voraussichtlichen weiteren Verfahrensgang nicht für unverhältnismäßig.
Hervorzuheben ist, dass die Strafkammer die Sache zunächst in besonderem Maße gefördert hat, denn die Anklage vom 25.1.2011 ist bereits am 28.2.2011 zugelassen und mit der Hauptverhandlung am 30.3.2011 begonnen worden. Die Notwendigkeit zur Aussetzung der Hauptverhandlung wegen der Befangenheit einer Schöffin, die Dritten gegenüber geäußert hat, die Schuld der Angeklagten sei als erwiesen anzusehen, ist zwar nicht den Angeklagten, aber letztlich auch nicht der Justiz anzulasten. Zwar gehört der Schöffe im weitesten Sinn zu den Gerichtspersonen, denn er übt nach § 30 Abs.1 GVG das Richteramt grundsätzlich im gleichen Umfang, mit gleichem Stimmrecht und in gleicher Verantwortung wie die Berufsrichter aus. Von dem Berufsrichter kann jedoch aufgrund seiner Ausbildung erwartet werden, dass er die gebotene Sachlichkeit und Zurückhaltung übt. Die Schöffen werden demgegenüber von den Gemeinden vorgeschlagen, wobei gemäß § 36 Abs. 2 GVG alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden sollen. Die Möglichkeit, ungeeignete Personen von der Berufung in das Schöffenamt auszuschließen, besteht nur in den Grenzen der §§ 32 - 34 GVG. Damit ist die Gefahr eröffnet, dass Personen in das Schöffenamt berufen werden, die nicht die nötige Distanz und Sachlichkeit aufbringen, die ein Strafverfahren bei Berufs- wie bei den ehrenamtlichen Richtern in gleichem Maße erfordert.
Vor nicht vorhersehbarem schuldhaften Fehlverhalten eines Schöffen kann sich der für die Verhandlungsplanung und -durchführung zuständige Vorsitzende nicht schützen. Damit kann er hierauf beruhende Verfahrensverzögerungen auch nicht vermeiden (vgl. SenE vom 3.5.2000 - HEs 62 - 64/00 - 77 - 79/2 Ws 224/00).
Nachdem sich die Notwendigkeit zur Aussetzung der Hauptverhandlung ergab, hat der Vorsitzende zeitnah neue Verhandlungstermine mit den Verteidigern abgestimmt. Die Neuterminierung ab 17.10.2011 - mit großer Verhandlungsdichte, denn es sind 10 Verhandlungstage bis 28.10.2011 angesetzt - nimmt auf die Belange der Verteidigung Rücksicht. Die Strafkammer hatte Termine bereits ab 31.8.2011 angeboten.
Die von der Verteidigung in der Beschwerdeschrift angeführten Entscheidungen des Senats betreffen Fallgestaltungen, in denen das Verfahren nicht ausreichend gefördert worden war. Das ist vorliegend - wie dargelegt - gerade nicht der Fall."
Der Einwand der Verteidigung, einer Aufrechterhaltung des Haftbefehls bedürfe es nicht, da nach § 231 Abs. 2 StPO ohne den Angeklagten verhandelt werden könne, ist bereits im Ansatz verfehlt, weil die Untersuchungshaft nicht nur der Durchführung des Verfahrens, sondern auch der Sicherung der Vollstreckung dient (BVerfGE 32, 87).


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