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Entscheidungen

StPO

Gorch Fock-Verfahren, fahrlässige Tötung, Klageerzwingungsverfahren,

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Schleswig, Beschl. v. 12.06.2012 - 1 Ws 203/12 113/12

Leitsatz: Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt; die Antragsbegründung muss in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens und den Inhalt der angegriffenen Bescheide wiedergeben und sich mit der Einstellungsbegründung auseinandersetzen.


In pp.

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht der gesetzlichen Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügt. Danach muss ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Die Oberlandesgerichte - so auch der Senat in ständiger Rechtsprechung - folgern aus dieser Vorschrift überwiegend, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des Sachverhalts enthalten müsse, der bei Unterstellung des hinreichenden Tatverdachts die Erhebung der öffentlichen Klage in materieller und formeller Hinsicht rechtfertigt, und dass die Antragsbegründung auch in groben Zügen den Gang des Ermittlungsverfahrens und den Inhalt der angegriffenen Bescheide wiedergeben und sich mit der Einstellungsbegründung auseinandersetzen muss. Dadurch soll das Oberlandesgericht in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Zu den formellen Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Antrages gehört, dass der Antragsteller die Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO eingehalten hat. Aus der Antragsschrift muss sich daher - ohne Rückgriff auf die Akten - entnehmen lassen, dass die Beschwerdefrist gewahrt wurde. Wenn die Antragsbegründung diesen Anforderungen nicht genügt, ist der Antrag schon deshalb unzulässig. Diese Auslegung des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO ist vom Bundesverfassungsgericht mehrfach als verfassungsrechtlich unbedenklich bezeichnet worden (NJW 1988, 1773; NJW 1993, 382 [BVerfG 16.04.1992 - 2 BvR 877/89]; NJW 2004, 1585 [BVerfG 08.10.2003 - 2 BvR 1465/01]; NStZ-RR 2005,176).
Dem Senat ist eine inhaltliche Überprüfung der Nichteinleitung eines Ermittlungsverfahrens ohne die Rückgriff auf die Akten unmöglich. Denn die Antragsteller haben den Sachverhalt unvollständig dargelegt, indem sie den Beschuldigten entlastende Umstände verschwiegen und teilweise Zeugenaussagen durch bewusste Auslassungen von entlastenden Umständen verfälscht wiedergegeben haben.
Für die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Kommandanten kommt es entscheidend darauf an, ob der Kommandant wegen der Witterung und des Seegangs verpflichtet gewesen wäre, das Anlegen einer Rettungsweste oder des Toppsgurtes anzuordnen. Insbesondere die Frage, ob zum Unglückszeitpunkt "schwere See" im Sinne der MDv 160/1 Nr. 4158. herrschte, ist für die Beurteilung des Sachverhalts von besonderer Bedeutung. Zunächst ist festzuhalten, dass der Begriff "schwere See" - anders als die Antragsteller behaupten - durchaus ein Terminus der "Beaufort-Skala nach phänomenologischen Kriterien" ist. So wird Windstärke 11 als "orkanartiger Sturm" beschrieben und die dabei herrschenden Wellenverhältnisse als "schwere See" bezeichnet. Diese wiederum ist gekennzeichnet durch "brüllende See, Wasser wird waagerecht weggeweht, starke Sichtverminderung" (Quelle http://de.wikipedia.org/wiki/Beaufortskala). Dass zur Unglückszeit derartige Verhältnisse herrschten, behaupten auch die Antragsteller nicht.
Soweit die Antragsteller aber der Auffassung sind, der Kommandant hätte auch bei weniger schwerer See das Anlegen von Rettungswesten oder des Toppsgurts befehlen müssen, hätte es hier der Darlegung bedurft, wie der Seegang und die Schiffsbewegungen zum Unglückszeitpunkt tatsächlich waren bzw. von den Zeugen beschrieben wurden. Dies haben die Antragsteller indes versäumt, indem sie die hierzu vorhandenen Zeugenaussagen teilweise gar nicht oder teilweise verkürzt wiedergegeben haben, was eine stichprobenartige Überprüfung der Angaben der Antragsteller ergeben hat. So werden manche Zeugenaussagen auf Blatt 19 bis 29 der Antragsschrift in alphabetischer Reihenfolge wiedergegeben. Dabei wird die Aussage des Hauptgefreiten Georg D."wir hatten gar keinen Seegang" (Bd. I Bl. 274) vollständig übergangen. Auf Bl. 21, 22 der Antragsschrift wird zwar die Aussage des Matrosen OA Tatiana E. referiert, die entscheidende Passage zu den Wind- und Wellenverhältnissen aber unterschlagen. So hat die Zeugin ausgesagt:"Obwohl es recht windig war, ich glaube, der Wind wehte mit 30 Knoten, merkten wir auf dem Schiff davon sehr wenig. Der Wind kam nämlich direkt von hinten, so dass das Schiff sehr ruhig durch die Wellen zog" (Bl. I Bl. 291). Die Aussage des Kapitänleutnants Sebastian F. wurde vollständig übergangen. Der Zeuge hat ausgesagt: "Während des Vorfalls und auch davor lag das Schiff ruhig und fließend in der See. Wir hatten eine minimale Krängung nach Backbord, das Schiff stampfte oder rollte aber nicht." (Bd. I Bl. 297). Bei der Wiedergabe der Aussage der Zeugin Matrose OA Ulrike G. (Bl. 22, 23 der Antragsschrift) fehlt der den Kommandanten entlastende Satz: "Ich möchte noch mitteilen, dass an diesem Abend aber relativ gutes Wetter herrschte. Es war weder richtiger Wind zu spüren noch hat das Schiff irgendwelche Bewegungen ausgeführt." (Bd. I Bl. 311).
Bereits diese Beispiele zeigen, dass der Senat die Antragsschrift nicht zur Grundlage der Überprüfung der Entscheidung der Staatsanwaltschaft machen kann. Denn der Vortrag erscheint als manipulativ mit dem erkennbaren Ziel, die Witterungsverhältnisse als dramatischer erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich waren. Daher ist dem Senat eine Überprüfung der Entscheidung ohne Rückgriff auf die Akten nicht möglich, was zur Unzulässigkeit des Antrags insgesamt führt.
Die Verwerfung des Antrags als unzulässig führt nicht zu einer Belastung der Antragsteller mit Gerichtsgebühren.

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Anmerkung:


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