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Entscheidungen

Haftfragen

Psychotherapeutische Behandlung eines Gefangenen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v, 04.01.2013 - 2 Ws 532/12 Vollz

Leitsatz: Zu den Voraussetzungen einer externen psychotherapeutischen Behandlung eines Gefangenen und der Gewährung damit verbundener Vollzugslockerungen.


KAMMERGERICHT
Beschluss

In der Strafvollzugssache

des Strafgefangenen


wegen externer Therapie u.a.

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 4. Januar 2013 beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt X wird der Beschluss des Landgerichts Berlin – Strafvoll-streckungskammer – vom 25. Oktober 2012 mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.


G r ü n d e :

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt X den Rest einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge aus einem Urteil des Landgerichts Berlin vom 16. März 2005.

Der Gefangene stellte am 24. Januar 2012 einen Antrag auf Zulassung zu einer externen Psychotherapie unter „Einbringung" eines externen Psychotherapeuten in die Haftanstalt. Nach der Durchführung eines Indikationsgesprächs bei der Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie im Berliner Strafvollzug bei der Justizvollzugsanstalt X am 20. März 2012 wurde dieser Antrag des Gefangenen abgelehnt. Die Gründe hierfür teilte ihm die Vermittlungsstelle am 26. März 2012 mündlich mit.

Am 10. April 2012 beantragte der Gefangene bei der Justizvollzugsanstalt die Ge-währung von behandlungsorientierten Ausgängen zwecks Aufnahme einer extramuralen Therapie in der Institutsambulanz II im Y-Klinikum bei Herrn Dr. Z.

Dies lehnte die Justizvollzugsanstalt mit Bescheid vom 3. Mai 2012 unter Hinweis auf die ablehnende Entscheidung der Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie und mit dem zusätzlichen Argument, die vom Gefangenen bezeichnete Einrichtung gehöre nicht zum Pool der zu vermittelnden Therapeuten, ab. Die Gründe der ablehnenden Entscheidung der Vermittlungsstelle wurden in dem Bescheid nicht mitgeteilt.

Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 8. Mai 2012 begehrte der Ge-fangene die Justizvollzugsanstalt X zu verpflichten, ihm Ausgänge für die extramurale Therapie in der psychiatrischen Institutsambulanz im Y-Klinikum – hilfsweise in einer vergleichbaren psychiatrischen Einrichtung – zu gewähren.

2. Unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags des Gefangenen hat das Landgericht Berlin – Strafvollstreckungskammer – mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. Oktober 2012 den Bescheid der Justizvollzugsanstalt X vom 3. Mai 2012 aufgehoben und die Vollzugsbehörde insoweit zur erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet.

Zur Begründung hat die Strafvollstreckungskammer ausgeführt, der Bescheid vom 3. Mai 2012 könne sich nicht auf die damals geltende Vollzugsplanfortschreibung vom 1. November 2010 stützen, sondern leide wegen der zwischenzeitlich veränderten Sachlage an einem Ermessenausfall. Die Haftanstalt habe in ihrem Bescheid vom 3. Mai 2012 insbesondere übersehen, dass sämtliche intramuralen Therapiemöglichkeiten gescheitert seien. Im Widerspruch zu ihrer bisherigen Ablehnung habe sie den Gefangenen gleichwohl in ermessensfehlerhafter Weise auf die Möglichkeit einer erneuten Therapie in ihrer Sozialtherapeutischen Anstalt (SothA) verwiesen.

Mit der Rechtsbeschwerde rügt der Leiter der Justizvollzugsanstalt X die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Landgericht habe zu Unrecht einen Ermes-sensausfall in Bezug auf den Bescheid vom 3. Mai 2012 angenommen. Nachdem die Vermittlungsstelle dem aufgrund der damals geltenden Vollzugsplanfortschreibung nicht für selbständige Vollzugslockerungen zugelassenen Gefangenen eine externe Therapie versagt habe, habe es keine Grundlage für die Gewährung von Ausgängen gegeben. Den Einwand der Justizvollzugsanstalt, aufgrund der fehlenden Entbindung von der Schweigepflicht seitens des Gefangenen sei der Haftanstalt eine inhaltliche Überprüfung der Entscheidung der Vermittlungsstelle unmöglich gewesen, habe die Strafvollstreckungskammer nicht berücksichtigt. Erst eine Schweigepflichtsentbin-dung hätte jedoch eine Überprüfung der ablehnenden Entscheidung der Vermitt-lungsstelle für externe Therapie und nachfolgend eine Entscheidung der Justizvoll-zugsanstalt hinsichtlich der Gewährung von Vollzugslockerungen ermöglichen können.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde (§ 118 Abs. 1 Satz 1 StVollzG) hat vorläufigen Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde wirft die – auch weitere Strafgefangene betreffende und regelmäßig bedeutsame – Frage auf, unter welchen Voraussetzungen die Aufnahme einer externen Therapie zu gewähren oder zu versagen ist. Die dazu getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind in dem angefochtenen Beschluss so unvollständig, dass sie keine ausreichende Grundlage für die dem Senat obliegende Prüfung bieten, ob die Strafvollstreckungskammer die hier in Betracht kommenden Rechtsnormen richtig angewandt hat (§ 116 Abs. 2 StVollzG). Es ist deshalb geboten, die Nachprüfung der landgerichtlichen Entscheidung zumindest zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 116 Abs. 1 StVollzG zu ermöglichen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Juni 2000 – 2 Ws 179/99 – juris; Calliess/Müller-Dietz, StVollzG 11. Aufl., § 116 StVollzG Rdn. 3 jeweils m.w.N.). In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die von den Strafvollstreckungskammern erlassenen Beschlüsse grundsätzlich den Anforderungen genügen müssen, die § 267 StPO an die Begründung strafrechtlicher Urteile stellt. Dementsprechend hat die Strafvollstreckungskammer die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Erwägungen so umfassend darzulegen, dass das Rechtsbeschwerdegericht die Entscheidung überprüfen kann (vgl. OLG Celle NStZ-RR 2005, 356; OLG Frankfurt am Main ZfStrVo 2001, 53; Senat NStZ-RR 2004, 255). Dem wird der angefochtene Be-schluss nicht gerecht.

1. Rechtsgrundlage für die Zulassung einer externen psychotherapeutischen Be-handlung und die Gewährung damit verbundener Ausgänge oder Ausführungen ist § 58 StVollzG und nicht § 11 StVollzG. Das Begehren des Gefangenen ist rechtlich auf die Durchführung einer externen Behandlung und nur mittelbar auf die Gewährung von zweckgebundenen Ausgängen oder Ausführungen zur Teilnahme an der Behandlung gerichtet.

Es ist obergerichtlich entschieden, dass dem Gefangenen nach § 58 StVollzG ein subjektiv-öffentliches Recht auf gesundheitliche Betreuung im Rahmen sachgerechter Erwägungen zusteht (vgl. Senat, Beschluss vom 23. Mai 2005 - 5 Ws 168/05 Vollz – mit weiteren Nachw.; std. Rspr. ). Die Zuziehung eines externen Therapeuten kommt dabei nur bei der Erforderlichkeit und dem Fehlen ausreichender Behandlungsmöglichkeiten in der Justizvollzugsanstalt in Betracht (vgl. BVerfG NStZ 1996, 614; Senat, Beschlüsse vom 10. Juli 2012 – 2 Ws 97/12 Vollz -, 14. Juli 2011 – 2 Ws 249/11 Vollz -, 24. Juni 2011 - 2 Ws 137/11 Vollz – und 21. Februar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz –; OLG Nürnberg NStZ 1999, 479; OLG Karlsruhe NStZ 1998, 638).
Ausreichende Behandlungsmöglichkeiten fehlen, wenn in der Anstalt entweder zur Therapie der Störung keinerlei Angebote vorhanden sind oder wenn sich die Krankheit als so schwerwiegend erweist, dass sie mit den Mitteln der Anstalt nicht beherrschbar oder therapierbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Februar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz -). Übersteigen die fachspezifischen therapeutischen Erforder-nisse die Möglichkeiten der Anstalt, so gebieten das Resozialisierungsziel des Strafvollzuges (vgl. BVerfG NStZ 1996, 614) als auch der Schutz der Allgemeinheit (vgl. OLG Karlsruhe NStZ 1998, 638, 639), die Teilnahme an geeigneten externen Behandlungskonzepten sicherzustellen. „Geeignet“ und „erfolgversprechend“ ist eine Maßnahme indes nicht schon dann, wenn sie der Gefangene und ein sich anbietender Therapeut oder eine therapeutische Einrichtung so bezeichnen. Die Eignung der externen Therapie muss vielmehr von vornherein fachspezifisch bestätigt und unangefochten sein. Ferner ist es unabdingbar, dass sich die begehrte Therapie als ein harmonisches Ganzes in das Resozialisierungskonzept der Vollzugsbehörde einpasst; denn auch dann, wenn die Justizvollzugsanstalt die erforderliche Therapie nicht selber leisten kann, obliegt doch weiterhin ihr der gesetzliche Resozialisierungsauftrag. Die Vollzugsbehörde kommt ihrer Aufgabe, für den Fall vorzusorgen, dass eine externe Therapie nötig wird, dadurch nach, dass ihr eigener psychologischer Dienst eine Liste geeigneter externer Anbieter führt, die sich zur Kooperation mit der Justizvollzugsanstalt bereiterklärt haben (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Fe-bruar 2007 – 2/5 Ws 541/06 Vollz -).

Die Aufnahme einer externen Psychotherapie setzt in formaler Hinsicht neben einem entsprechenden Antrag des Gefangenen seine Einverständniserklärung zur Einblicknahme des beauftragten Therapeuten in Unterlagen der Gefangenenpersonalakte voraus. Zusätzlich muss eine Indikation für eine externe Therapie durch die Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie im Berliner Strafvollzug gegeben sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 2012 – 2 Ws 121/12 Vollz – und vom 3. November 2011 – 2 Ws 415/11 Vollz – mit weiteren Nachw.; std. Rspr.).

Lehnt die Vermittlungsstelle die Indikation für eine externe Psychotherapie des Ge-fangenen unter Beachtung der vorgenannten obergerichtlichen Vorgaben zu § 58 StVollzG ab, hat der Gefangene auch keinen Anspruch auf die Gewährung von damit verbundenen Ausgängen oder Ausführungen.

Die Entscheidung der Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie kann die Justizvollzugsanstalt allerdings nur dann rechtlich im Hinblick auf § 58 StVollzG überprüfen, wenn ihr die Gründe der Entscheidung bekannt sind. Nur dann ist sie in der Lage, sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen und nachfolgend eine Entscheidung auch hinsichtlich etwaiger zweckgebundener Gewährung von Vollzugslockerungen zu treffen. Erlangt die Justizvollzugsanstalt aus Umständen, die der Gefangene zu vertreten hat, keine Kenntnis von den Gründen für eine ablehnende Entscheidung der Vermittlungsstelle, geht die darauf beruhende fehlende Überprüfbarkeit der Entscheidung zu Lasten des Gefangenen. In diesem Fall kann die Justizvollzugsanstalt einen Antrag auf Zulassung zu einer externen Psychotherapie und auf zweckgebundene Vollzugslockerungen in der Regel nur unter Hinweis auf die Entscheidung der Vermittlungsstelle ablehnen.

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Strafvollstreckungskammer in Bezug auf den ablehnenden Bescheid der Justizvollzugsanstalt vom 3. Mai 2012 nicht alle maßgeblichen Umstände dargetan, so dass der Senat nicht abschließend beurteilen kann, ob die Strafvollstreckungskammer die vorgenannten Anforderungen an die Prüfung eines Antrags auf Zulassung für eine extramurale Psychotherapie ausreichend berücksichtigt hat.

Der angefochtene Beschluss enthält insbesondere keine Feststellungen dazu, ob der Justizvollzugsanstalt am 3. Mai 2012 die Gründe für die ablehnende Entscheidung der Vermittlungsstelle für externe Psychotherapie bekannt waren.

Sollten der Justizvollzugsanstalt zum maßgeblichen Zeitpunkt die Ablehnungsgründe der Entscheidung der Vermittlungsstelle nicht bekannt gewesen sein, ist von besonderer Bedeutung, wer diese Unkenntnis zu vertreten hat. Auf Grundlage des im Beschluss wiedergegebenen Vorbringens der Justizvollzugsanstalt erscheint es zwar naheliegend, dass der Gefangene durch die Nichtabgabe einer Schweigepflichtsentbindung gegenüber der Vermittlungsstelle die maßgebliche Ursache dafür gesetzt hat, dass die Justizvollzugsanstalt keine Kenntnis von den Gründen erlangt hat und erlangen konnte, die zur Ablehnung des Begehrens des Gefangenen durch die Vermittlungsstelle geführt haben. Eindeutige Feststellungen fehlen dazu indes.

Diesbezüglich weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin: Ein Gefangener, der die Ablehnung einer aus seiner Sicht nach § 58 StVollzG gebotenen Behandlungs-maßnahme mit einem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG angreift, muss gegebenenfalls durch die Abgabe einer entsprechenden Schweige-pflichtsentbindung sowohl der Haftanstalt als auch der Strafvollstreckungskammer ermöglichen, die ablehnende Entscheidung umfassend zu überprüfen. Verweigert er die Abgabe einer entsprechenden Schweigepflichtsentbindung, was ihm selbstverständlich unbenommen bleibt, geht die darauf beruhende fehlende Überprüfbarkeit der ablehnenden Entscheidung zu seinen Lasten. Sein Antrag ist als unbegründet zurückzuweisen, wenn wegen der fehlenden Schweigepflichtsentbindung nicht festgestellt werden kann, ob der Gefangene durch eine ablehnende Entscheidung in seinen Rechten verletzt ist.

3. Da die unzureichenden Feststellungen des angefochtenen Beschlusses dem Senat eine endgültige Entscheidung nicht ermöglichen, muss dieser aufgehoben und die Sache zur neuen Prüfung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an dieselbe Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen werden (§ 119 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).

Einsender: RiKG Klaus-Peter Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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