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Entscheidungen

OWi

Drogenfahrt, Fahrlässigkeitsvorwurf, Anforderungen,

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Herne-Wanne, Urt. v. 09.08.2013 - 11 OWi-54 Js 393/12-121/12

Leitsatz: Zur Fahrlässigkeit bei der Drogenfahrt.


Amtsgericht Herne-Wanne
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Amtsgericht Herne-Wanne
aufgrund der Hauptverhandlungen vom 02.08.2013 und 09.08.2013,
an der teilgenommen haben:

Richter als Richter

am 09.08.2013

für Recht erkannt:

Der Betroffene wird auf Kosten der Staatskasse, die auch seine notwendigen Auslagen und die Kosten der Rechtsbeschwerde trägt, freigesprochen.

Gründe:
Der Betroffene ist derzeit arbeitslos, bezieht Hartz IV, ist ledig und hat keine Kinder.

Straßenverkehrsrechtlich ist der Betroffene noch nicht aufgefallen.

Durch Bußgeldbescheid des Oberbürgermeisters der Stadt Herne vom 27.02.2012 wurde dem Betroffenen zur Last gelegt, am 02.09.2011 gegen 22.35 Uhr unter Verstoß gegen § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG mit einem Kraftfahrzeug gefahren zu sein. Dem Betroffenen wurde darin vorgeworfen, zur Tatzeit ein Kraftfahrzeug Fabrikat BMW mit dem Kennzeichen: unter der Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis geführt zu haben. Dem Betroffenen wurde mit dessen Einwilligung am 02.09.2011 gegen 23.22 Uhr eine Blutprobe entnommen. Das durchgeführte Forensisch-Toxikologische Gutachten des Universitätsklinikum Essen vom 28.09.2011 ergab einen positiven Befund auf Cannabinoide.

Folgende Werte wurden dabei festgestellt:

THC: 1,7 ng/ml
THC-Metabolit (THC-11-OH): ca. 0,3 ng/ml
THC-Metabolit (THC-COOH, THC-Carbonsäure): 43 ng/ml

Der Betroffene war aus tatsächlichen Gründen freizusprechen, weil sich ein fahrlässiges Handeln des Betroffenen nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen ließ.

Fahrlässiges Handeln im Sinne des § 10 OWiG liegt vor, wenn der Betroffene die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, außer Acht lässt und deshalb entweder die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt bzw. nicht voraussieht -unbewusste Fahrlässigkeit- oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar erkennt, aber mit ihr nicht einverstanden ist und ernsthaft darauf vertraut, diese werde nicht eintreten -bewusste Fahrlässigkeit- (Vgl. Göhler, 16. Auflage, § 10 Rn. 6). Bezogen auf den Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG bedeutet dies, dass dem Betroffenen nachzuweisen ist, dass er die Möglichkeit fortdauernder Wirkung seines Cannabiskonsums entweder erkannt hat oder zumindest hätte erkennen können und müssen (OLG Hamm, NJW 2005, 3298). Der Vorwurf schuldhafter Tatbegehung, sei es vorsätzlich oder fahrlässig, bezieht sich nicht allein auf den Konsumvorgang, sondern auch auf die Wirkungen des Rauschmittels zum Tatzeitpunkt (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Der Vorwurf fahrlässigen Handels im Sinne des § 10 OWiG setzt aber weder voraus, dass der Betroffene tatsächlich bemerkt hat, dass er das Fahrzeug unter dem Einfluss von Drogen fuhr -wobei bei bemerken vorsätzliches Handeln gegeben wäre-, noch dass er die Wirkung des Rauschmittels zur Tatzeit hätte spüren können, die THC Konzentration für ihn also subjektiv wahrnehmbar war (OLG Brandenburg, BA 45, 135-138). Es genügt, wenn der Betroffene die Möglichkeit der fortdauernden, wenn auch womöglich subjektiv nicht spürbaren Rauschwirkung hätte erkennen können und müssen (OLG Hamm, Beschluss vom 05.11.2011, III-3 RVS 19/11). An dieser Erkennbarkeit im Tatzeitpunkt kann es ausnahmsweise fehlen, wenn zwischen Einnahme des Rauschmittels und Begehung der Tat längere Zeit vergangen ist (OLG Hamm, NJW 2005, 3298). Ein Betroffener, der kein gewohnheitsmäßiger Konsument ist, muss nach Ablauf von drei Tagen nach der von ihm eingeräumten Drogeneinnahme in der Regel nicht mehr damit rechnen, dass sein Drogenkonsum seine Fahrsicherheit noch beeinträchtigen könnte, so dass es an einem fahrlässigen Handeln des Betroffenen fehlt (OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2012, Aktenzeichen: III-2 RBS 83/12).

Der Betroffene hat sich im Termin vom 02.08.2013 nicht zur Sache eingelassen.

Aus der polizeilichen Anzeige vom 02.09.2011 (Blatt 3 ff. der Verwaltungsakte), welche durch Bekanntgabe ihres wesentlichen Inhaltes und Kenntnisnahme hiervon am 09.08.2013 zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht wurde, geht hervor, dass der Betroffene damals gegenüber den Polizisten angegeben habe, letztmalig vor drei Tagen Cannabis konsumiert zu haben. Aus der OWiG-Anzeige geht ferner hervor, dass der Betroffene gegen 19.00 Uhr letztmalig Insulin gespritzt habe (Blatt 7 d. Verwaltungsakte).

Die im Termin vom 02.08.2013 angehörten Zeugen P. und Laser vermochten sich nicht mehr an den konkreten Vorfall zu erinnern. Die Zeugin P. konnte anhand der OWiG-Anzeige lediglich rekonstruieren, dass sie seinerzeit einen Pupillentest vorgenommen habe. An den konkreten Test bei dem Betroffenen hatte die Zeugin P. allerdings auch keine Erinnerung mehr.

Das Gericht hat durch den Sachverständigen Dr. T. ein mündliches Sachverständigengutachten eingeholt zu der Frage, ob angesichts der bei dem Betroffenen festgestellten, noch über den Grenzwert von 1ng/ml liegenden THC-Konzentration von 1,7ng/ml, dessen letzter Cannabiskonsum bereits drei Tage vor dem hier in Rede stehenden Vorfall erfolgt sein kann, sowie ob es bei ihm aufgrund regelmäßiger Verabreichung von Insulin zu einem verzögernden Abbau des von ihm konsumierten Cannabis gekommen sein kann.

Der Sachverständige Dr. T. -Gerichtsmediziner und Facharzt für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum Essen- führte in seinem mündlich erstatteten Gutachten im Termin am 09.08.2013 im Wesentlichen folgendes aus:

Im Allgemeinen führe Cannabis-Konsum zu einer eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit. Problematisch bei Cannabis -ähnlich wie auch bei Medikamenten- sei die Bestimmung des Wertes und des Abbauverlaufes, da sich diese nicht so sicher berechnen lassen würden wie beispielsweise bei Alkohol. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei THC normalerweise innerhalb von sechs Stunden abgebaut. Andere Studien würden jedoch zeigen, dass auch längere Abbauzeiten von 12, 24, bis zu 46 Stunden oder länger möglich seien. Das hänge auch davon ab, wie gewöhnt der Konsument sei. Der durch die Grenzwertkommission gesetzte Grenzwert von 1,0 ng/ml für THC basiere letztlich auf empirischen Studien, bei denen man den Angaben der Probanden zu ihrem Konsumverhalten Glauben schenkt. Der angesetzte Grenzwert für die THC Carbonsäure (THC-Metabolit) liege in der Literatur zwischen 150 und 75 ng/ml. Ein dauernder oder gewohnheitsmäßiger Konsum von Cannabisprodukten könne nach Ansicht des Sachverständigen ggf. ab einer THC-Carbonsäure-Konzentration von 150 ng/ml angenommen werden. Sowohl der THC-Grenzwert, wie auch der THC Carbonsäure-Grenzwert ließen sich nach den Ausführungen des Sachverständigen jedoch nicht als absolut sicher bezeichnen. Nach dem Sachverständigen sei schon nicht ohne weiteres definierbar, was gewohnheitsmäßiger Konsum bedeute. Auch der THC-Carbonsäure-Grenzwert sei keine absolut sichere Richtschnur. Ein Wert unterhalt dieses Grenzwertes bedeute nicht automatisch, dass der Betroffene kein regelmäßiger Konsument sei und umgekehrt. Der Sachverständige führte weiter aus, dass die Einnahme von Insulin wahrscheinlich keine Relevanz auf den Abbau des THC habe. Studien hierzu seien dem Sachverständigen nach entsprechender Recherche jedenfalls nicht bekannt. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass Insulin grundsätzlich ein Hormon sei, das vom Körper im Normalfall produziert und für die Verwertung von Zucker erforderlich sei. Das Vorliegen von Insulin im Körper sei daher der Normalfall. Problematisch sei es eher, wenn kein Insulin im Körper vorhanden wäre. Die Zugabe von Insulin zum Körper hat jedoch nach den Ausführungen des Sachverständigen jedenfalls keinen Einfluss auf den THC Abbau.

Der Sachverständige führte ferner aus, dass der hier festgestellte Wert von 1,7ng/ml grundsätzlich auch nach drei Tagen nach letztmaligem Cannabiskonsum möglich wäre. Auch für einen Gelegenheitskonsumenten sei dies nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht auszuschließen. Cannabis könne im Fettgewebe gespeichert werden und dann nach und nach von dort weiterhin abgegeben werden. Aufgrund der Befunde der Blutuntersuchung und aufgrund der eher unsicheren Grenzwerte könne der Sachverständige nicht sagen, ob der Betroffene Gelegenheits- oder Dauerkonsument ist. Der Sachverständige führte jedenfalls aus, dass es aufgrund der Befundkonstellation keinen Beweis für einen Dauerkonsum des Betroffenen gebe. Nach dem Sachverständigen liege eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass der Konsum des Betroffenen hier weniger als drei Tage zurückgelegt habe. Hierbei sprach der Sachverständige allerdings davon, dass es sich lediglich um eine Tendenz seinerseits handele. Jedoch könne ein bis zu drei Tage zurückliegender Konsum auch nicht ausgeschlossen werden. Der Sachverständige habe zwar die Tendenz, dass vorliegend der Cannabiskonsum weniger als drei Tage zurückgelegen habe, wann der Konsum dann jedoch stattdessen erfolgt sein könnte, könne seitens des Sachverständigen aber nicht gesagt werden. Ferner führte der Sachverständige aus, dass es durchaus sein könnte, dass der Betroffene keine körperlichen Auswirkungen zum Tatzeitpunkt gespürt habe. Subjektiv könne sich der Betroffene bei den festgestellten Werten völlig fit gefühlt haben. Ausfallerscheinungen seien dem Sachverständigen nicht bekannt. Der ärztliche Bericht (Blatt 8 der Verwaltungsakte) sei praktisch nichts sagend. Der Sachverständige führte aus, er habe solche Berichte selbst längere Zeit gemacht und wissen aus Erfahrung, dass man als Arzt immer etwas finden könne, wenn man weiß, dass es um Drogen gehe.

Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen konnte das Gericht den Fahrlässigkeitsvorwurf nicht hinreichend und sicher feststellen. Zwar erfüllen die Tatumstände und die festgestellten Blutwerte den objektiven Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG durch den Betroffenen. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo konnte jedoch der Fahrlässigkeitsvorwurf des Betroffenen nicht festgestellt werden. Wie schon das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 21.12.2012 (III-2 RBS 83/12) dargelegt hat, hätte der Betroffene nach Ablauf von drei Tagen nicht mehr damit rechnen müssen, dass sein Drogenkonsum seine Fahrsicherheit noch beeinträchtigen konnte, so dass sich ein fahrlässiges Handeln nicht feststellen lasse. Vorliegend konnte nicht zweifelsfrei widerlegt werden, dass der Konsum des Betroffenen bereits drei Tage zurücklag. Jedenfalls konnte nicht positiv festgestellt werden, dass der Cannabiskonsum so zeitig vor dem Fahrtantritt erfolgte, dass der Betroffene die Auswirkungen auf seine Fahrtüchtigkeit hätte erkennen müssen. D Sachverständige konnte einen letztmaligen Konsum 3 Tage vor Fahrtantritt nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen. Auch wenn nach den Ausführungen des Sachverständigen die Wahrscheinlichkeit höher war, dass der Konsum zeitlich vorher erfolgte, konnte der Sachverständige keine Aussage dazu machen, wann denn sonst der Cannabiskonsum erfolgt sein könnte. Ausfallerscheinungen, die den Betroffenen ein sicheres Anzeichen für eine Fahruntüchtigkeit geliefert hätten, ließen sich ebenfalls nicht feststellen. Der Sachverständige betonte auch, dass die -zwar überwiegende- Wahrscheinlichkeit eines zeitlich näher vor Fahrtantritt gelagerten Konsums auch nur auf einer Tendenz seinerseits beruhe. Ohne sichere Tatsachengrundlage im Hinblick auf einen zeitlich späteren Konsumzeitpunkt und lediglich mit einer Tendenz des Sachverständigen zu einem späteren Konsumzeitpunkt, vermochte das Gericht nicht mit hinreichender, einen Schuldspruch tragender, Gewissheit den Fahrlässigkeitsvorwurf nach den Ausführungen des Oberlandesgerichts im Beschluss vom 21.12.2012 festzustellen. Zu Gunsten des Betroffenen war daher hier davon auszugehen, dass der Cannabiskonsum tatsächlich drei Tage vor Fahrtantritt erfolgte, so dass dem Betroffenen vorliegend hier kein Fahrlässigkeitsvorwurf mehr gemacht werden konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.

Zurlutter



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