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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährung, Geständnis, Verknüpfung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2013 - 5 RVs 59/13

Leitsatz: Zur Frage der Ablehnung von Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat abstreitet.


OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
5 RVs 59/13 OLG Hamm

Strafsache

g e g e n

w e g e n vorsätzlicher Körperverletzung.


Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 22. Februar 2013 hat der 5. Strafsenat des Oberlandes-gerichts Hamm am 30. Juli 2013 durch



auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO

einstimmig b e s c h l o s s e n :

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entschei-dung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere kleine Strafkam-mer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

G r ü n d e :

I.

Das Amtsgericht Essen verurteilte den Angeklagten am 21. Dezember 2012 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 22. Februar 2013 mit der Maßgabe verworfen, dass der Ange-klagte zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt wird.

Gegen das Berufungsurteil der Strafkammer wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfol-genausspruch hinsichtlich der Frage der Aussetzung der Strafe zur Bewährung mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben, in diesem Umfang die Sache zur er-neuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Essen zurückzuverweisen und im Übrigen die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist zulässig. Sie hat auch hinsichtlich des Rechtsfol-genausspruchs teilweise den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist die Revision als offensichtlich unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat zur Revision des Angeklagten in ihrer Stellung-nahme vom 24. Juni 2013 Folgendes ausgeführt:

„Die rechtzeitig eingelegte und form- und fristgerecht begründete Revision ist zulässig und teilweise begründet.

Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, hat sie keinen Erfolg.
Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge hin vorzunehmende Nachprü-fung des angefochtenen Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht deckt Rechts-fehler zum Nachteil des Angeklagten hinsichtlich des Schuldspruchs nicht auf. Die in sich widerspruchsfreien und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungs-sätze verstoßenden Urteilsfeststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB.

Auch die im Revisionsverfahren nur in engen Grenzen nachprüfbaren Erwä-gungen des Landgerichts zum Rechtsfolgenausspruch sind hinsichtlich der Verhängung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Strafzumessung ist allein Sache des Tatrichters und unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisions-gericht dahingehend, ob die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind oder ob für und gegen den Angeklagten sprechende Umstände oder rechtlich anerkannte Strafzwecke nicht in die Strafzumessungserwägungen einbezogen worden sind. Die darüber hinaus vorzunehmende Nachprüfung, ob die verhängte Strafe innerhalb des Rahmens liegt, in welchem sie noch als gerecht anerkannt werden kann, führt nach ständiger Rechtsprechung nur dann zu einer Aufhebung des Urteils, wenn dem Tatrichter ein offensichtlich grober Fehlgriff vorzuwerfen ist und sich die Strafe bei Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Strafrahmens schlechthin als unvertretbar erweist (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage 2012, § 337 RN 34). Die Erwägun-gen des Landgerichts im Rechtsfolgenausspruch decken derartige Rechts-fehler nicht auf. Die durch das Landgericht verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten ist unter Berücksichtigung der zahlreichen, wenn auch über-wiegend nicht einschlägigen Vorstrafen und des durch das Landgericht fest-gestellten Verhaltens des Angeklagten nach der Tat noch vertretbar. Dem
steht auch nicht entgegen, dass der Zeuge E., der Leiter des
Y-Heimes, in dem der Angeklagte und der Geschädigte zur Tatzeit gewohnt haben, dem Angeklagten eine positive Entwicklung bescheinigt und angegeben hat, dieser habe sich aus eigenem Antrieb eine eigene Wohnung gesucht, setze die Substitution und die ambulante Drogentherapie fort und zeige den ernsthaften Willen, ein drogen- und straffreies Leben zu führen. Denn der Angeklagte hat nach den Feststellungen des Landgerichts noch nach seinem Auszug aus dem Y-Wohnheim und unmittelbar vor der Berufungshauptverhandlung, also in der Zeit der positiven Veränderungen, versucht, den Geschädigten durch Drohungen zur Rücknahme der Straf-
anzeige bzw. zu einer Aussage zu seinen Gunsten zu bewegen.

Indessen hat die Revision zumindest vorläufig Erfolg, soweit die Frage der Aussetzung der Strafe zur Bewährung in Rede steht.

Die Erwägungen des Landgerichts zur Ablehnung der Aussetzung der Strafe zur Bewährung weisen schwerwiegende Rechtsfehler auf, so dass der Rechtsfolgenausspruch insoweit keinen Bestand haben kann.
Zwar ist auch die Entscheidung über eine Bewährung allein Sache des Tat-richters und unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, so dass die Prognoseentscheidung des Tatrichters, bei der ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, vom Revisionsgericht grund-sätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (BGH, NStZ-RR 2005, 38) und nur darauf hin zu prüfen ist, ob sie rechtsfehlerhaft ist, d. h., ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt oder seinen Beurteilungsspielraum fehler-haft angewandt hat (Fischer, StGB, 60. Auflage, § 56 RN 25 m. w. N.;
OLG Hamm, Beschluss vom 20.11.2007 - 1 Ss 241/07 -; Beschluss vom 16.09.2009 - 2 Ss 247/09 -; beide zitiert nach Burhoff-Online). Das Land-gericht hat aber bei der Entscheidung über die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, unzulässigerweise berücksichtigt, dass der Angeklagte auch nach den ihn belastenden und die Angaben des Geschädigten bestätigenden Aussagen der Zeugen K. und L nicht bereit war, ein Geständnis abzulegen, obwohl ihm für diesen Fall die Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt worden war. Zwar hat das Landgericht seine Entscheidung nicht alleine darauf und auf den daraus gezogenen Schluss, der Angeklagte sei nicht in der Lage, sein Fehlverhalten einzuräumen, gestützt, sondern weitere Umstände in seine Abwägung einbezogen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Entscheidung über die Frage der Bewährung anders ausgefallen wäre, wenn das Abstreiten der Tat durch den Angeklagten nicht berücksichtigt worden wäre, zumal einige Umstände wie die seit Anfang 2012 durch den Angeklagten besuchte ambulante Drogentherapie für eine positive Sozialprognose sprechen.“

Diesen ausführlichen, in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der General-staatsanwaltschaft schließt sich der Senat an.
Der Senat weist darauf hin, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ggf. zur Bewährung ausgesetzt wird, das Prozess- bzw. Vertei-digungsverhalten eines Angeklagten nur im Ausnahmefall geeignet ist, die sonst nicht ausgeschlossene günstige Sozialprognose zu verneinen. Dieses gilt auch für die tatrichterliche Erwägung, aus dem hartnäckigen Bestreiten eines Angeklagten folge, dass es ihm an Unrechtseinsicht fehle, was die Prognose negativ beeinflussen müsse. Dies stellt deshalb einen Rechtsfehler dar, weil das Verteidigungsrecht eines Angeklagten ausgehöhlt wird, wenn er befürchten muss, das Bestreiten der Tat werde sich in einem eventuellen Strafausspruch negativ auswirken (vgl. Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rdnr. 480).

Aufgrund des vorliegend festgestellten Rechtsfehlers war das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nach § 349 Abs. 4 StPO aufzuheben. Die Sache war an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 354 Abs. 2 StPO zurückzuverweisen.



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