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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Störung, Religionsausübung, freie Meinungsäußerung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Köln, Urt. v. 03.12.2014 - 647 Ds 240/14

Leitsatz: Zur Störung der Religionsausübung durch den Sprung eine unbekleideten Frau auf den Altar einer katholischen Kirche.


In pp.
Die Angeklagte wird wegen Störung der Religionsausübung kostenpflichtig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 € verurteilt.

Gründe
Die Angeklagte UK N ist 21 Jahre alt und lebt zeitweise in einem Studentenwohnheim in Hamburg, teilweise aber auch noch im Haushalt der Eltern. Amtlich gemeldet ist sie nach eigenen Angaben noch im Haushalt der Eltern.

Die Angeklagte hat noch drei jüngere Geschwister und ist mit diesen gemeinsam im Haushalt der Eltern in Hamburg-Bergedorf aufgewachsen. Der Vater betreibt eine Firma im Bereich Wärmeenergietechnik, die Mutter ist als angestellte Physiotherapeutin berufstätig.

Die Angeklagte wurde altersgemäß eingeschult und besuchte zunächst eine Grundschule in Hamburg. Sie wechselte danach auf ein Gymnasium in Hamburg-Lohbrügge, wo sie im Sommer 2011 mit 18 Jahren das Abitur erwarb.

Zwischenzeitlich nahm sie 2009 an einem sechsmonatigen Auslandsaufenthalt bzw. einem Auslandsschuljahr in England teil. Im Anschluss an den Erwerb des Abiturs arbeitete sie für ca. 8 Monate in einem Projekt zur Betreuung von Straßenkindern in Bolivien. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland begann sie im Wintersemester 2012/2013 das Studium der Philosophie an der Universität in Hamburg. Dieses Studium brach sie nach zwei Semestern ab und begann im Wintersemester 2013/2014 mit dem Studium der Zahnmedizin. Zurzeit befindet sie sich dort im zweiten Fachsemester.

Die Angeklagte erhält Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) in Höhe von ca. 597 € monatlich. Daneben arbeitet sie in einem Café und verdient dort monatlich noch einmal ca. 200 €.

Strafrechtlich ist die Angeklagte bisher noch nicht in Erscheinung getreten.

Die Hauptverhandlung führte zu folgenden weiteren Feststellungen zur Sache:

Im Anschluss an Ihren Aufenthalt in Bolivien entwickelte die Angeklagte die Neigung, sich für die Interessen von Frauen einzusetzen und für Frauenrechte zu "kämpfen" und zu demonstrieren. Sie schloss sich dazu Anfang 2013 den "Femen" an. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für diese Organisation nahm sie an verschiedenen Protestaktionen Teil. Zunächst beteiligte sie sich an einer Demonstration gegen die NPD. Im April 2014 beteiligte sie sich an einer Protestaktion gegen den sowjetischen Präsidenten Putin, während der Eröffnung der Hannover-Messe durch ihn und die deutsche Bundeskanzlerin Frau Merkel. Gemeinsam mit anderen versuchte sie, in die Nähe der beiden Politiker zu gelangen. Dabei hatte sie auf ihren nackten Oberkörper den Schriftzug "Fuck Dictator" geschrieben. Im Dezember 2014, das heißt etwa zwei Wochen vor der Aktion im Kölner Dom beteiligte sie sich an einer Protestaktion der Femen während einer Fernsehsendung von Markus Lanz. Dort protestierte sie gegen die Arbeitsbedingungen auf der Baustelle für die geplante Fußball Weltmeisterschaft in Katar.

Am 25.12.2014 begab die Angeklagte sich etwa 1 1/2 Stunden vor Beginn der Weihnachtsmesse an diesem Tag in den Kölner Dom und setzte sich dort in die erste Reihe. Sie war im Wesentlichen mit einem schwarzen Mantel, einem schwarzen Slip und Stiefeln bekleidet. In der ersten Sitzreihe wartete sie den Beginn der Weihnachtsmesse ab. Nach dem Einzug des Kölner Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner und der kirchlichen Würdenträger, die an einem solchen Hauptgottesdienst oder Pontifikalamt teilnehmen, entledigte sich die Angeklagte ihres schwarzen Mantels und der Stiefel und stürmte aus der ersten Reihe über die Begrenzung in den Altarraum und sprang auf den geweihten Altartisch, wobei sie zu diesem Zeitpunkt nur noch mit einem schwarzen Slip bekleidet war. Auf dem Altar stehend, wendete sie sich den Gottesdienstbesuchern zu und begann damit, dass von der Aktivistengruppierung" "Femen" herausgegebene antichristliche Glaubensbekenntnis zu skandieren, wobei sie sich den Schriftzug "I AM GOD" in großen, auch in einiger Entfernung noch deutlich sichtbaren, Buchstaben auf die entblößte Brust geschrieben hatte. Nach wenigen Sekunden konnte die Angeklagte durch die anwesenden Domschweizer vom Altartisch gezogen werden, wobei sie weiter lauthals Parolen skandierte und damit die Fortsetzung des Gottesdienstes weiter nachhaltig verhinderte. Dabei lief sie weiterhin mit nacktem Oberkörper vom Altarbereich in Richtung der Gottesdienstbesucher und skandierte erneut Teile des antichristlichen Glaubensbekenntnisses der Aktivistengruppierung "Femen". Unmittelbar vor den Bänken der Gottesdienstbesucher konnte sie dann von den Domschweizern ergriffen und an Händen und Füßen in die vom Innenraum des Domes baulich separierte Hubertuskapelle getragen bzw. gezogen werden. Der Gottesdienst konnte sodann nach dieser etwa 2 Minuten dauernden Störung fortgesetzt werden.

Die Angeklagte handelte nach ihren eigenen Bekundungen in der Hauptverhandlung bei dieser Aktion in der Absicht, gegen die frauenfeindliche Haltung der katholischen Kirche und eines ihrer höchsten Würdenträger, des Erzbischofs Joachim Kardinal Meisner aus Köln, zu protestieren und aufmerksam zu machen. Es sei nicht ihr Ziel gewesen, den Gottesdienst zu stören oder andere in ihrer Religionsausübung zu beeinträchtigen.

Diese Feststellungen beruhen auf dem glaubhaften Geständnis der Angeklagten in der Hauptverhandlung sowie den weiteren, ausweislich des Protokolls, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemachten Beweismitteln.

Die Angeklagte hat sich durch ihr Verhalten der Störung der Religionsausübung im Sinne des § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig gemacht. Die Angeklagte hat durch ihr Verhalten am 25.12.2013 im Kölner Dom den Weihnachtsgottesdienst der katholischen Kirche in Köln in seinem zeitlichen Ablauf für einige Minuten aber auch die religiösen Gefühle der Besucher dieses Gottesdienstes in massiver Weise gestört und damit den Gottesdienst einer im Inland bestehenden Kirche in grober Weise gestört. Dies zeigen auch die zahlreichen Strafanzeigen der Gottesdienstbesucher, die darin ihrer Empörung über das Verhalten der Angeklagten im Weihnachtsgottesdienst Ausdruck gegeben haben. Es bedarf auch keiner weiteren Erörterung, dass die Angeklagte den Weihnachtsgottesdienst durch ihr Verhalten in grober Weise im Sinne des § 167 Abs. 1 Nr. 1 StGB gestört hat. Wer nahezu unbekleidet mit nackter Brust und dem darauf befindlichen Schriftzug " I AM GOD" auf den Altar des Kölner Doms springt, um anschließend ein antichristliches Glaubensbekenntnis zu skandieren, der stört den gerade stattfindenden Gottesdienst in einer nicht mehr zu überbietenden Art und Weise.

Die Angeklagte hat diese grobe Störung des Weihnachtsgottesdienstes am 25.12.2013 auch absichtlich herbeigeführt. Absichtlich im Sinne des § 167 Abs. 1 Nr. 1 handelt nicht nur derjenige, der mit seinem Verhalten das primäre oder einzige Ziel verfolgt, den Gottesdienst in grober Weise zu stören, sondern auch derjenige, der mit seinem Verhalten primär ein anderes Ziel verfolgt, nämlich seine Meinung zur Haltung der katholischen Kirche zu Frauenrechten kund zu tun, allerdings zur Verwirklichung dieses primären Zieles, sozusagen als "Durchgangsziel", eine möglichst große Aufmerksamkeit durch eine möglichst große und grobe Störung eines bedeutenden Gottesdienstes zu erzielen beabsichtigt.

Die Angeklagte kann sich zur Rechtfertigung ihrer Protestaktion nicht mit Erfolg auf die Freiheit der Meinungsäußerung i.S.d. Art. 5 GG berufen. Bei § 167 StGB handelt es sich um ein allgemeines Gesetz i.S.d. Art. 5 II GG, das die Freiheit der Meinungsäußerung mit Rücksicht auf die berechtigten Interessen anderer einschränkt. Es soll hier auch nicht verkannt werden, dass § 167 StGB als ein das Grundrecht des Art. 5 GG einschränkendes Gesetz seinerseits im Lichte des Art. 5 GG möglichst grundrechtswahrend auszulegen ist. Andererseits ist gerade § 167 StGB ein Ausdruck der Ausübung der Religionsfreiheit, die ebenfalls in Art 4 GG grundrechtlich geschützt ist.

Eine Abwägung der Interessen derjenigen, die auf Art. 4 GG gestützt, ihre Religion ausüben wollen einerseits und andererseits der Interessen derjenigen, die gestützt auf Art. 5 GG für die Verwirklichung von Frauenrechten demonstrieren wollen, führt hier sicher nicht dazu, dass der Sprung der nackten Angeklagten auf den Altar des Kölner Doms während der Weihnachtsmesse unter den o.a. Begleitumständen zur Wahrung der Freiheit der Meinungsäußerung unbedingt erforderlich und von Art. 5 GG grundrechtlich geschützt ist.

Zur Tatzeit war die Angeklagte 20 Jahre und 6 Monate alt und damit Heranwachsende im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Durchgreifende Anhaltspunkte für die Anwendung von Jugendstrafrecht auf die Angeklagte gab es nicht.

Insbesondere gab es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichzustellen wäre. Das wäre dann anzunehmen, wenn es sich bei der Angeklagten zum Tatzeitpunkt um eine noch ungefestigte, in der Entwicklung stehende, noch prägbare Heranwachsende handelt, bei der Entwicklungskräfte noch in größerem Umfang wirksam sind. Häufig finden sich solche noch prägbaren und ungefestigten Heranwachsenden, bei solchen Personen, die sich nicht altersgemäß entwickelt haben und die in der üblicherweise zu erwartenden Persönlichkeitsentwicklung zurückgeblieben sind.

Die Angeklagte ist in einem behüteten Elternhaus und einer intakten Familie mit weiteren Geschwistern aufgewachsen, hat die Schulausbildung ohne große Schwierigkeiten durchlaufen, kein Schuljahr wiederholt und trotz eines mindestens halbjährigen Auslandsaufenthalts das Abitur schon im Alter von 18 Jahren erworben. Auch sonst hat die Angeklagte nach eigenen Angaben in der Hauptverhandlung keine " weiteren Leichen im Keller" liegen. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte für Entwicklungsverzögerungen der Angeklagten in ihrer schulischen Ausbildung oder sonstigen persönlichen Entwicklung. Angesichts ihres sicheren und eloquenten Auftretens in der Hauptverhandlung, des persönlichen Eindrucks aus der Hauptverhandlung und der von ihr geschilderten persönlichen Entwicklung, aber auch der Ansichten und Absichten der Angeklagten im Zusammenhang mit dem Einsatz für frauenpolitische Interessen hatte das Gericht zu keinem Zeitpunkt Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Angeklagten um eine unreife oder ungefestigte Person handelt, bei der noch größere Entwicklungskräfte wirken. Die Angeklagte wirkt im Gegensatz dazu sehr selbstsicher, couragiert und selbst-bestimmt.

Auch eine jugendtümliche Tat im Sinne des § 105 Abs. 1 Nr. 2 JGG war in der Aktion der Angeklagten am 25.12.2013 im Kölner Dom nicht zu sehen. Dies wäre dann anzunehmen, wenn sich aus dem Tatgeschehen Anhaltspunkte dafür ergeben würden, dass die eigentliche Tat auf jugendlichem Leichtsinn, auf Unüberlegtheit, sozialer Unreife oder einer bei Jugendlichen häufiger auftretenden Gruppendynamik beruhen würde. Keines dieser Merkmale trifft das Verhalten der Angeklagten. Die Angeklagte hat sich hier wohlüberlegt und zielgerichtet dazu entschlossen, in einer für viele befremdenden Art und Weise, aber für sie wohldurchdachten Weise zu diese Art von "topless-Protest" für Frauenrechte durchzuführen.

Bei der Strafzumessung nach Erwachsenenstrafrecht war zunächst von einem Strafrahmen von Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafe auszugehen. Die Störung der Religionsausübung i.S.d. § 167 I Nr. 1 StGB ist also im Vergleich zu anderen Delikten vom Gesetzgeber eher mit einem moderaten Strafrahmen versehen worden.

Zugunsten der Angeklagten war zunächst ihr glaubhaftes und umfassendes Geständnis zu berücksichtigen, obwohl sie damit keine ausgesprochen schwierige und längere Beweisaufnahme erübrig hat. Von der Tat der Angeklagten gibt es schließlich mehrere Videoaufnahmen, die zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht hätten werden können. Die Angeklagte hat durch ihre Geständnis und im Anschluss daran auf Nachfragen des Gerichts ein Minimum an Verständnis für die Verletzung der religiösen Gefühle der anwesenden Gottesdienstbesucher durch ihre Aktion aufgebracht, allerdings hinzugefügt, dass sie eine solche Aktion in einer Kirche schon deshalb nicht erneut durchführen würde, weil die Wiederholung einer solchen Aktion langweilig wäre und eine Protestaktion gegen den Kölner Erzbischof Meisner nicht mehr erforderlich wäre, weil dieser sich nicht mehr im Amt befindet.

Zu Gunsten der Angeklagten wurde darüber hinaus berücksichtigt, dass die Angeklagte ihre Aktion im Kölner Dom nicht etwa aus finanziellen Interessen, sondern durchgeführt hat, um ihre politische Meinung zur Achtung der Frauenrechte durch die katholische Kirche zu äußern.

Zu Gunsten der Angeklagten wurde weiterhin berücksichtigt, dass sie bisher strafrechtlich überhaupt nicht in Erscheinung getreten ist.

Andererseits konnte nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Angeklagte sich für ihre Aktion gerade den Weihnachtsgottesdienst und damit einen Gottesdienst an einem der höchsten religiösen Feiertage für Christen ausgesucht hat. Zusätzlich dürfte auch der Angeklagten bewusst gewesen sein, dass gerade dieser Gottesdienst auch im Hinblick auf den 80. Geburtstag des Erzbischofs an diesem Tag und im Hinblick auf das kurz bevorstehende Ausscheiden des Erzbischofs aus seinem Amt besonders stark besucht sein würde.

Unter Berücksichtigung aller für und gegen die Angeklagte sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Geldstrafe i.H.v. 60 Tagessätzen gegen die Angeklagte für tat-und schuldangemessen. Angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten erschien eine Bemessung des einzelnen Tagessatzes mit 20 € angemessen, zumal die BAFöG-Leistungen der Angeklagten nur teilweise berücksichtigt werden können. Sie werden etwa zur Hälfte als Darlehen gewährt und müssen zurückgezahlt werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.

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