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Entscheidungen

StPO

Eigenmacht, Angeklagter, Wiedererscheinen, Hauptverhandlung, OLG Stuttgart

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.02.2015 - 1 Ss 6/15

Leitsatz: Das Recht zur Ausübung des letzten Wortes hat ein Angeklagter nicht dadurch verwirkt, dass er zuvor eigenmächtig der Verhandlung ferngeblieben ist. Vielmehr nimmt ein Angeklagter nach seiner Rückkehr in die Hauptverhandlung seine Stellung mit all seinen Rechten wieder ein.


1 Ss 6/15
Oberlandesgericht Stuttgart
- 1. Strafsenat -
Beschluss
Der 1. Strafsenat hat am 2. Februar 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2014 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zuückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Strafrichter - Backnang verurteilte den Angeklagten am 25. März 2014 we-gen versuchten Diebstahls zu der Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 75,00 Euro. Gegen das Urteil legten sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Mit Urteil vom 10. Oktober 2014 verwarf das Landgericht Stuttgart beide Berufungen. Gegen das Urteil vom 10. Oktober 2014 legte der Angeklagte Revision ein, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, insbesondere eine Verletzung des § 258 Abs. 2 StPO.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2014 mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Ver-handlung und Entscheidung. auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-kammer des Landgerichts Stuttgart zurückzuverweisen.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat mit der formgerecht erhobenen Verfah- rensrüge (vorläufig) Erfolg

Das Landgericht beschloss am zweiten Verhandlungstag, die Hauptverhandlung nach § 231 Abs. 2 StPO wegen eigenmächtigen Ausbleibens des Angeklagten ohne diesen fortzuführen. Nach Schließung der Beweisaufnahme erhielten die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger das Wort. Danach wurde die Hauptverhandlung um 10:22 Uhr unterbrochen und um 10:51 Uhr bei Anwesenheit aller Beteiligten einschließlich des in-zwischen erschienenen Angeklagten fortge-setzt. Ohne dem Angeklagten das letzte Wort zu erteilen und ohne dass dieser das Wort ergrif-fen hatte, verkündete das Land-gericht das angefochtene Urteil.

Diese Verfahrensweise wird durch das Sitzungsprotokoll bewiesen, § 274 S. 1 StPO.

Die Fortsetzung der Verhandlung am 10. Oktober 2014 in Abwesenheit des Angeklagten ge-mäß § 231 Abs. 2 StPO enthob das Gericht nicht seiner Verpflichtung, dem vor Urteilsverkün-dung erschienenen Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO das letzte Wort zu erteilen (BGH NStZ 1986, 372). Das Recht zur Ausübung des letzten Wortes hat der Angeklagte auch nicht dadurch verwirkt, dass er zuvor eigenmächtig der Verhandlung ferngeblieben ist. Es entspricht ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass ein Angeklagter nach seiner Rückkehr in die Hauptverhandlung seine Stellung mit all seinen Rechten wieder einnimmt (BGH a.a.O. sowie NStZ 1990, 291; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 334; siehe auch Meyer-Go/3ner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 231, Rn. 23; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl., § 231, Rn. 12).

Dem Recht des Angeklagten auf das letzte Wort entspricht die Verpflichtung des Gerichts, nach § 258 Abs. 3 StPO dem Angeklagten von Amts wegen Gelegenheit zu geben, sich als letzter persönlich abschließend zur Sache zu äußern (BGH NJW 1963, 259). Das ist angesichts der Bedeutung dieses Rechts auch dann erforderlich, wenn das Gericht das Beweisergebnis schon abschließend beraten hat und zur Verkündung des Urteils bereit ist (BGH NStZ 1986 a.a.O.).

Zwar begründet die Nichterteilung des letzten Wortes die Revision nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), wobei die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs genügt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 337, Rn. 37 m.w.N.). Dieser kann nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. dazu BGH BeckRS 2014, 15076 m.w.N.). Die insoweit entwickelten Fallgruppen greifen vorliegend indes nicht durch. Insbesondere hat der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht eingeräumt, weshalb nicht auszuschließen ist, dass er die Möglichkeit des letzten Wortes genutzt hätte, um Erklä-rungen abzugeben, die Anlass für weitere Beweiserhebungen oder eine andere Entscheidung hätten sein können.


Einsender: RiAG T. Hillenbrand, Backnang

Anmerkung:


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