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Entscheidungen

Haftfragen

Beschleunigungsgrundsatz, Untersuchungshaft, Terminierungsdichte, Nichtabhilfeentscheidung, Anforderungen, Begründung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 30.03.2015 - 4 Qs 25/15

Leitsatz: 1. Während einer laufenden Hauptverhandlung unterliegt im Haftbeschwerdeverfahren die Nachprüfung der dringenden Tatverdachts i.S. von § 112 StPO nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht. Das entbindet jedoch das Tatgericht nicht, die in der Hauptverhandlung gewonnen Beweisergebnisse jedenfalls in einem Umfang darzulegen, der es dem Beschwerdegericht ermöglicht, die Begründetheit der Haftbeschwerde zu prüfen und damit seine Prüfungskompetenz auszuüben.
2. Das in Haftsachen geltende Beschleunigungsgebot ist nach bereits rund 10 Monate andauernder Untersuchungshaft jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte nicht annähernd eingehalten wird und es sich bei bislang stattgefunden Hauptverhandlungsterminen überwiegend um sogenannte Schiebetermine gehandelt hat, mit denen nur ein äußerst geringer Verfahrensfortschritt erzielt werden konnte.


4 Qs 25/15
BESCHLUSS
In dem Strafverfahren
gegen pp.
wegen gewerbs- u. bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion u.a.
hier: Haftbeschwerde
ergeht am 30.03.2015
durch das Landgericht Dresden - Strafkammer als Beschwerdekammer - nachfolgende Entscheidung:

1. Auf die Beschwerde der Angeklagten werden
a) der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 02.07.2014
(Az.: 270 Gs 2050/14) gegen den Angeklagten ppp.
sowie
b) der Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 01.07.2014
(Az.: 270 Gs 2051/14) gegen den Angeklagten ppp.
aufgehoben.
2. Die Angeklagten sind in dieser Sache sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen.
3. Die Kosten der Rechtsmittel einschließlich der den Angeklagten hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe
I.
Die Angeklagten waren am 08.05.2014 vorläufig festgenommen worden und befinden sich in dieser Sache seit dem 09.05.2014 zunächst aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dresden vom selben Tag ununterbrochen in Untersuchungshaft. Die zunächst ergangenen Haftbefehle wurden durch die Haftbefehle vom 02.07.2014 bzw. 01.07.2014 ersetzt. Hinsichtlich des darin den Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalts wird insoweit auf diese Haftbefehle Bezug genommen. Unter dem Datum vom 11.09.2014 erhob die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Dresden Anklage u.a. wegen gewerbs- und bandenmäßigen Fälschens von Zahlungskarten mit Garantiefunktion in jeweils 10 Fällen zum Landgericht Dresden. Auf den Inhalt dieser Anklageschrift wird ebenso Bezug genommen wie auf den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 22,10.2014, mit dem der Antrag des Angeklagten ppp. auf Aufhebung des Haftbefehls aufgehoben und zugleich die Anklageschrift zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Dresden - Schöffengericht - eröffnet wurde. Durch Beschluss des Oberlandesgerichts Dresden vom 25.11.2014 wurde bei der gesetzlichen Haftprüfung im Sinne der §§ 121, 122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft bei beiden Angeklagten angeordnet. Das bei Haftsachen zu beachtende Beschleunigungsgebot wurde u.a. auch deshalb als gewahrt angesehen, da der Vorsitzende des Schöffengerichts in Absprache mit den Verteidigern bereits Hauptverhandlungstermin auf den 21.01.2015 festgesetzt hatte. An diesem Hauptverhandlungstag, bei dem die Strafsache zwischen 13:33 Uhr und 14:55 Uhr verhandelt wurde, wurden keine Zeugen geladen. Auch der weitere Fortsetzungstermin am 10.02.2015 war erkennbar als sogenannter Schiebetermin geplant und war ausweislich des Protokolls nur von 15-minütiger Verhandlungsdauer. Gleiches gilt für den dritten Fortsetzungstermin am 03.03.2015, bei dem ebenfalls keine Zeugen gehört sondern im Wesentlichen nur Bestandteile der Akte in Augenschein genommen wurden. Auch dieser Termin erstreckte sich über lediglich 15 Minuten. Erst am weiteren Fortsetzungstermin am 13.03.2015 wurde erstmals eine Polizeibeamtin als Zeugin gehört, wobei sich die Verhandlung über einen Zeitraum von 2 Stunden und 25 Minuten - einschließlich einer Sitzungsunterbrechung von 35 Minuten – erstreckte. In diesem Hauptverhandlungstermin stellten die beiden Verteidiger der Angeklagten, die Rechtsanwälte pppp. und pppp. jeweils Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls. Durch Beschluss des Amtsgerichts Dresden, der noch in der Hauptverhandlung verkündet wurde, wurden die Anträge jeweils abgelehnt. Zur Begründung wurde hierbei folgendes ausgeführt: „Nach der bis her durchgeführten Beweisaufnahme besteht weiterhin dringender Tatverdacht. Auf Beschluss des Landgerichts Dresden vom 22.10.2014 wird Bezug genommen. Das Verfahren wurde, soweit es die Terminplanung mit den Verteidigern ermöglichte, zügig bearbeitet. Krankheitsbedingte Ausfälle der Zeugen sind nicht vom Gericht zu verantworten. In Anbetracht der Straferwartung im Falle einer Verurteilung ist die Aufrechterhaltung des Haftbefehls und Fortdauer der Untersuchungshaft zu beiden Angeklagten derzeit verhältnismäßig." Gegen diesen Haftfortdauerbeschluss legte der Angeklagte ppp. durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.03.2015 (Blatt 922 bis 925 der Akte) sowie der Angeklagte ppp. durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 16,03.2015 (Blatt 918 bis 921 der Akte) jeweils Haftbeschwerde ein. Auf die entsprechenden Beschwerdeschriftsätze wird insoweit inhaltlich Bezug genommen. In der Hauptverhandlung am 17.03.2015 gab der Vorsitzende bekannt, dass nach Beratung den Haftbeschwerden vom 16.03.2015 jeweils nicht abgeholfen werde und die Beschwerden zur weiteren Entscheidung dem Landgericht Dresden vorgelegt werden.

Aus dem (nicht fertiggestellten) Hauptverhandlungsprotokoll ergibt sich, dass die Staatsanwaltschaft Dresden in der Hauptverhandlung am 17.03.2015 zu den Beschwerdeschriftsätzen der Verteidiger Stellung genommen hat.

Der Vorsitzende des Schöffengerichts begründete seine Nichtabhilfeentscheidung mit Verfügung vom 23.3.2014. Hierin führte er u.a. aus, dass aufgrund eingesehener Videos, die die Angeklagten bei der Montage von Kameras zeigten, ein dringender Tatverdacht weiterhin gegeben sei. Die Verfahrensverzögerung sei u.a. der Erkrankung von Zeugen und dem nunmehr anstehenden Urlaub der Schöffen geschuldet.

Die Staatsanwaltschaft nahm mit Verfügung vom 24.3.2015 ergänzend zu den Haftbeschwer- den Stellung. Auf die Nichtabhilfeentscheidung des Vorsitzenden des Schöffengerichts sowie die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

II.
Die Haftbeschwerden sind zulässig und sind auch in der Sache begründet.

Es ist allgemein anerkannt, dass die Beurteilung des dringenden Tatverdachts, der in dem Beschwerdeschriftsatz des Verteidigers des Angeklagten ppp. explizit verneint wird, während einer laufenden Hauptverhandlung nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht unterliegt. Da das Beschwerdegericht keine eigenen unmittelbaren Erkenntnisse über den Verlauf der bisherigen Beweisaufnahme hat, ist allein das Tatgericht, vor dem die Beweisaufnahme derzeit stattfindet, in der Lage, deren Ergebnisse festzustellen und zu würdigen sowie auf dieser Grundlage zu bewerten, ob ein dringender Tatverdacht nachdem gegenwärtig erreichten Verfahrensstand noch fortbesteht oder nicht. Das entbindet jedoch das Tatgericht nicht, die in der Hauptverhandlung gewonnen Beweisergebnisse jedenfalls in einem Umfang darzulegen, der es dem Beschwerdegericht ermöglicht, die Begründetheit der Haftbeschwerde zu prüfen und damit seine Prüfungskompetenz auszuüben. Diese erfordert, dass das erkennende Gericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung zumindest die Grundzüge seiner Überzeugungsbildung darzulegen hat. Dies umfasst zumindest eine knappe Zusammenfassung der Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung. Diese Begründung dient neben der Information des Beschwerdeführers vor allem der Gewährleistung einer Überprüfung durch das Beschwerdegericht. Vorliegend enthält weder die Nichtabhilfeentscheidung noch der Beschluss vom 13.03.2015 eine - wenn auch noch so rudimentäre - Auseinandersetzung mit dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme. Allein die Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts Dresden vom 22.10.2014 vermag das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme nicht zu ersetzen. Der vorgenannte Beschluss erging allein auf Grundlage des damaligen Akteninhaltes und kann schon aufgrund des zwischenzeitlichen Zeitablaufes - nach mehreren Tagen Hauptverhandlung - die erforderlichen Darlegungen des Tatgerichts nicht ersetzen. Dies gilt umso mehr, da die Nichtabhilfeentscheidung des Amtsgerichts jegliche Auseinandersetzung mit den in den beiden Beschwerdeschriftsätzen vorgetragenen Umständen vermissen lässt. Werden - wie hier geschehen - konkrete Ausführungen zur Frage des dringenden Tatverdachts gemacht, so ist es allein schon aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 103 Abs. 1 GG erforderlich, darauf einzugehen. Allein schon aus diesem Grunde ist im Ergebnis den Haftbeschwerden stattzugeben.

Darüber hinaus liegt zugleich auch eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vor. Zwar hat das Amtsgericht mit dem ersten Hauptverhandlungstermin am 21.01.2015 dem Beschleunigungsgebot noch genügt. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts reicht eine Verhandlungsdichte von durchschnittlich einem oder knapp über einem Verhandlungstag pro Woche jedenfalls dann nicht mehr aus, wenn die Untersuchungshaft schon lange andauert bzw. an einzelnen Verhandlungstagen nur kurz verhandelt wird. Das Beschleunigungsgebot ist jedenfalls dann nicht mehr gewahrt, wenn die in Haftsachen gebotene Terminierungsdichte nicht annähernd eingehalten wird und es sich bei den bislang stattgefunden Hauptverhandlungsterminen seit dem 21.01.2015 - wie dargestellt - überwiegend um sogenannte Schiebetermine gehandelt hat, mit denen nur ein äußerst geringer Verfahrensfortschritt erzielt werden konnte. Es kommt hinzu, dass die weiteren geplanten Hauptverhandlungstermine (07.04., 28.04. und 12.05.2015) mit dem Beschleunigungsgebot in Haftsachen nicht mehr in Übereinstimmung gebracht werden können. Dies gilt umso mehr, da sich die Angeklagten derzeit bereits mehr als 10 Monate ununterbrochen in Untersuchungshaft befinden.

Die in der Nichtabhilfeentscheidung vom 23.3.2015 aufgeführten Gründe, weshalb das Verfahren nicht mit der gebotenen Beschleunigung verhandelt werden konnte, insbesondere der nunmehrige Urlaub der Schöffen, vermögen die Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten ppp. im Schriftsatz unter III. nicht zu entkräften und die verzögerte Verhandlung mit dem Beschleunigungsgrundsatz in Einklang zu bringen.

Die Haftbeschwerden waren daher begründet und die beiden Haftbefehle demzufolge aufzuheben.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.
Elser Andreae Tegtmeyer
Richter am Landgericht Richter am Landgericht Richterin am Landgericht
Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift: Dr sde , 30.03.2015
TJ`•1/4AT
A E;:\J
Richt r, Justizsekretärin
als U kundsbeamtin der chäftstelle

Einsender: RA U. Israel, Dresden

Anmerkung:


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