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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Besitz, Kinderpornografie, Vorschaubilder

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.05.2015 - III-2 RVs 36/15

Leitsatz: Werden auf Datenträgern, die sich im Besitz des Angeklagten befanden, kinderpornografische Vorschaubilder (sog. Thumbnails) festgestellt, die durch das Betriebssystem des Computers automatisch generiert worden sind, kann nicht ohne Weiteres der Schluss gezogen werden, dass dem Angeklagten der Besitz der Vorschaubilder bewusst war. Lässt sich der erforderliche Besitzwille hinsichtlich der sog. Thumbnails nicht feststellen, ist auf das Sich-Verschaffen oder den vormaligen Besitz der originären - inzwischen gelöschten - Bilddateien abzustellen, wobei es unter Beachtung der fünfjährigen Verjährungsfrist einer näheren zeitlichen Eingrenzung bedarf.


In pp.
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Moers hat den Angeklagten wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt und dessen PC der Marke „bluechip IP-Star“ sowie vier externe Festplatten (Trekstore Datastation) eingezogen. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

II.
Die Revision des Angeklagten hat (vorläufig) Erfolg.

1. Nach den getroffenen Feststellungen wurden am 1. Dezember 2011 bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten dessen PC der Marke „bluechip IP-Star“ und vier externe Festplatten (Trekstore Datastation) sichergestellt.

Auf diesen Datenträgern befanden sich als Vorschaubilder (sog. Thumbnails) insgesamt 954 kinderpornographische Bilddateien, wobei dieselbe Reihe von 234 Vorschaubildern jeweils auf dem PC und drei externen Festplatten gespeichert war. Zu diesen 936 Vorschaubildern kamen in gesonderten Dateiordnern acht und zehn Vorschaubilder hinzu. Ferner waren auf einer externen Festplatte zwei Videodateien gespeichert, zu denen das Landgericht festgestellt hat, dass sie „die Durchführung von Oralverkehr zwischen zwei Jungen zeigen.“

Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, dass sich der Angeklagte den Besitz an sämtlichen vorgenannten Bilddateien zuvor verschafft und ihn danach bewusst und gewollt beibehalten habe.

2. Durch die Beweiswürdigung wird indes nicht belegt, dass dem Angeklagten tatsächlich bewusst war, dass die Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf seinem PC und den externen Festplatten gespeichert waren.

Durch Internetrecherche ist leicht feststellbar und damit allgemeinkundig (vgl. KG Kommunikation & Recht 2009, 807, 808), dass die Vorschaubilder von dem hier verwendeten Betriebssystem Windows XP in der Standardeinstellung automatisch erzeugt werden, wenn gespeicherte Bilddateien erstmals in der Miniaturansicht aufgerufen werden. In den betreffenden Ordnern wird dazu jeweils die Datei thumbs.db generiert. Hierbei handelt es sich um versteckte Systemdateien, die in der Standardeinstellung nicht im Windows-Explorer angezeigt werden. Werden die originären Bilddateien (jpeg-Format) gelöscht, bleibt die Datei thumbs.db, in der die Vorschaubilder gespeichert sind, in dem jeweiligen Ordner gleichwohl erhalten.

Die Kenntnis dieser computertechnischen Abläufe setzt ein weit überdurchschnittliches Computerwissen voraus. Das angefochtene Urteil enthält keine Darlegungen, die eine entsprechende Kenntnis des Angeklagten und damit den erforderlichen Besitzwillen belegen. Bei der Verurteilung wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften kann deshalb nicht darauf abgestellt werden, dass die automatisch erzeugten Vorschaubilder (sog. Thumbnails) auf den sichergestellten Datenträgern gespeichert waren.

3. Allerdings legt das Vorhandensein der Vorschaubilder, die eine Miniaturansicht der kinderpornografischen Darstellungen enthalten, die Schlussfolgerung nahe, dass sich der Angeklagte zuvor die zugehörigen Bilddateien (jpeg-Format) durch Herunterladen und Abspeichern in den betreffenden Ordnern verschafft hatte. Denn dort können die Dateien mit der Bezeichnung thumbs.db nur durch einen Zugriff auf die originären (später gelöschten) Bilddateien generiert worden sein (vgl. OLG Köln NStZ 2011, 476).

Der Strafbefehlsantrag, durch den vorliegend die öffentliche Klage erhoben worden ist (§ 407 Abs. 1 Satz 4 StPO), umfasst auch den Vorwurf, dass sich der Angeklagte „sämtliche Bilddateien“ - dies bezieht die ursprünglichen Bilddateien (jpeg-Format) ein - zuvor über das Internet verschafft hatte.

Unter diesem Gesichtspunkt kann das angefochtene Urteil jedoch nicht aufrechterhalten bleiben, weil das Landgericht nicht festgestellt hat, zu welchem Zeitpunkt die sog. Thumbnails erzeugt worden sind. Der Eintritt von Verfolgungsverjährung kann daher nicht ausgeschlossen werden.

Im Falle einer Strafbarkeit nach § 184b Abs. 4 StGB beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Vorliegend ist die Verfolgungsverjährung erstmals durch die richterliche Durchsuchungsanordnung vom 7. Juli 2011 unterbrochen worden (§ 78c Abs. 1 Nr. 4 StGB). Verfolgbar sind mithin nur seit dem 7. Juli 2006 beendete Taten.

Der neue Tatrichter wird hierzu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Insoweit wird es zu der Frage, zu welchem Zeitpunkt welche Dateien mit Vorschaubildern (thumbs.db) generiert worden sind, einer ergänzenden Auswertung der Datenträger durch die polizeilichen Fachleute bedürfen. Eine zeitliche Eingrenzung ist ferner anhand des jeweiligen Erstellungsdatums der Ordner möglich, in denen die Vorschaubilder gespeichert worden sind, so dass die weitere Untersuchung der Datenträger auch hierauf erstreckt werden sollte.

Auch wird sich anhand der jeweiligen Seriennummer feststellen lassen, ob der sichergestellte PC der Marke „bluechip IP-Star“ und/oder die dort eingebaute Festplatte und/oder die vier externen Festplatten (Trekstore Datastation) erst in nicht verjährter Zeit hergestellt oder vertrieben worden sind.

Da das Abspeichern in verschiedenen Ordnern oder ein Verschieben dorthin Aussagekraft für den Besitzwillen hat und gegen ein unbewusstes Herunterladen spricht, wäre es auch unter diesem Gesichtspunkt von Bedeutung, die betreffenden Ordner konkret zu bezeichnen. Denn ohne Eingriff des Nutzers werden heruntergeladene Dateien über den standardmäßigen Downloadpfad gespeichert (z.B. Download-Ordner im Nutzerverzeichnis bei Internet-Explorer 9).

4. Soweit das Landgericht festgestellt hat, dass auf einer externen Festplatte, die sich im Besitz des Angeklagten befand, zwei Videodateien gespeichert waren, welche „die Durchführung von Oralverkehr zwischen zwei Jungen zeigen“, fehlt es bereits an einer Altersbestimmung. Daher unterliegt der Schuldspruch wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften auch insoweit der Aufhebung.

Der neue Tatrichter wird eine nachvollziehbare Altersbestimmung vorzunehmen haben. Sollte kein Alter unter 14 Jahren, zumindest aber ein Alter zwischen 14 und 18 Jahren feststellbar sein, wird der Tatbestand des Besitzes jugendpornografischer Schriften (§ 184c Abs. 4 StGB) zu prüfen sein.

5. Die Aufhebung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der Einziehungsanordnung nach sich.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass die externen Festplatten als Beziehungsgegenstände gemäß § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB der Einziehung unterliegen. Gleiches gilt für die als Speichermedium verwendete Festplatte des Computers (vgl. BGH NStZ 2012, 319).

Dagegen ist eine Einziehung des für den Lade- und Speichervorgang verwendeten Computers nur gemäß § 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB als Tatwerkzeug möglich. Hierbei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (§ 74b Abs. 2 StGB) zu beachten (vgl. BGH a.a.O.).

6. Im Falle der erneuten Verurteilung zu einer Geldstrafe, die das monatliche Netto-Einkommen des Angeklagten deutlich übersteigt, wird die Gewährung von Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) zu prüfen sein.

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Anmerkung:


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