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Entscheidungen

StPO

Nebenklage, Verschulden, Vertreter, Zurechnung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 27.08.2015 - 1 Ws 312/15

Leitsatz: 1.Der Nebenkläger muss sich ein etwaiges Verschulden seines Vertreters - anders als ein Angeklagter im Verhältnis zu seinem Verteidiger - anrechnen lassen.
2.Gemäß § 44 S. 2 StPO ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zwar als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach § 35 S. 1 StPO versäumt worden ist. Die gesetzliche Vermutung bei unterbliebener Rechtsmittelbelehrung hebt aber nur das Erfordernis des fehlenden Verschuldens des Rechtsmittelführers auf. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumnis setzt die Wiedereinsetzung aber auch bei einer solchen Fallgestaltung voraus.


Beschluss
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgericht Hamm am 27.08.2015 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin (§ 473 Abs. 1 StPO) als unzulässig verworfen.

Gründe
I.
Die Verurteilte pp. ist durch Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 29.04.2013 (50 Ds - 103 Js 94/12 - 113/12) wegen vorsätzlicher Körperverletzung in sechs Fällen (in einem Fall zu Lasten der Beschwerdeführerin), wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in vier Fällen, Bedrohung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in zwei Fällen, sämtliche Taten begangen im Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit, zu einer Gesamtheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt worden. Außerdem wurde ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Im Rahmen des Adhäsionsverfahrens wurde die Verurteilte außerdem zur Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 800 € an die Adhäsionsklägerin (Verletzte) und Nebenklägerin T sowie von Schadensersatz i.H.v. 904,20 € an den weiteren Verletzten und Adhäsionskläger T verurteilt. Der Verurteilten wurden außerdem die Kosten des Verfahrens, ihre notwendigen Auslagen sowie die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin und die Kosten des Adhäsionsverfahrens auferlegt.

Ihre gegen dieses Urteil eingelegte – unbeschränkte – Berufung hat die Verurteilte in der Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Dortmund am 13.12.2013 zurückgenommen. Die 45. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund hat daraufhin in Anwesenheit des Vertreters der Nebenklägerin und Adhäsionsklägerin T, Rechtsanwalt S, den Beschluss verkündet, dass die Kosten des Berufungsverfahrens der Angeklagten auferlegt werden, nachdem sie ihre Berufung zurückgenommen habe. Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin im Berufungsverfahren sowie hinsichtlich der Kosten des Adhäsionsverfahrens erfolgte nicht.

Nachdem auf den Antrag des Vertreters der Nebenklägerin vom 11.11.2014 auf Festsetzung der Kosten der Nebenklägerin und des Adhäsionsverfahrens für beide Instanzen die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Hamm mit Schreiben vom 09.01.2015 diesem mitgeteilt hatte, dass für die Berufungsinstanz keine Kostengrundentscheidung hinsichtlich der notwendigen Auslagen der Nebenklägerin und der Kosten des Adhäsionsverfahrens vorliege und aus diesem Grunde dem Antrag nicht entsprochen werden könne, legte der Vertreter der Nebenklägerin mit Schriftsatz vom 17.01.2015, der am 21.01.2015 beim Landgericht Dortmund eingegangen ist, sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung der das Berufungsverfahren abschließenden Entscheidung des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013 ein und beantragte, dass der Angeklagten die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin sowie die Kosten des Adhäsionsverfahrens für die Berufungsinstanz auferlegt werden. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde führte er aus, dass er erst durch das bei ihm am 16.01.2015 eingegangene Schreiben des Amtsgerichts Hamm vom 09.01.2015 erfahren habe, dass für die Berufungsinstanz keine Kostengrundentscheidung betreffend die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin und die Kosten des Adhäsionsverfahrens vorliege.

II.
Die sofortige Beschwerde erweist sich als unzulässig.

1.Soweit sich das Rechtsmittel gegen die unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin in dem Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013 richtet, ist es gemäß § 464 Abs. 3 S. 1 StPO statthaft. Nicht statthaft ist die Anfechtung gemäß der § 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO dann, wenn sie schon nach der Art der Hauptentscheidung nicht zulässig ist oder wenn die betroffene Person unabhängig von der Frage der Beschwer nicht zur Einlegung des Rechtsmittels befugt ist. Diese Erwägungen treffen für den Fall einer Berufungsrücknahme jedoch nicht zu, denn falls das Landgericht über die Berufung der Angeklagten entschieden hätte, wäre gegen diese Entscheidung grundsätzlich das Rechtsmittel der Revision und daneben auch die Kostenbeschwerde für die Nebenklägerin statthaft gewesen. Etwas anderes kann auch nicht dann gelten, wenn das Rechtsmittel in der Berufungsinstanz zurückgenommen worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12.07.2001 - 2 Ws 141/01 -). Wie die Generalstaatsanwaltschaft Hamm in ihrer Zuschrift vom 09.07.2015 zutreffend ausgeführt hat, steht der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde auch nicht das beschränkte Anfechtungsrecht des Nebenklägers gemäß § 400 Abs. 1 StPO entgegen. Auf diese Ausführungen, denen sich der Senat anschließt, wird zur Vermeidung von Wiederholungen zur näheren Begründung verwiesen (vgl. auch Senatsbeschluss vom 04.03.2003 - 1 Ws 63/03 - ; OLG Hamm, a.a.O.).
2. Das Rechtsmittel ist jedoch nicht fristgerecht eingelegt worden und deshalb unzulässig. Der Beschluss vom 13.12.2013, der keine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin sowie über die Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Berufungsinstanz enthielt, ist in der Hauptverhandlung am selben Tage durch die Berufungskammer in Anwesenheit des mit einer schriftlichen Vertretungsvollmacht ausgestatteten Nebenklägervertreters gemäß § 35 Abs. 1 StPO bekannt gemacht worden, mit der Folge, dass die einwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß § 311 Abs. 2 StPO bereits am 20.12.2013 abgelaufen war. Die sofortige Beschwerde vom 17.01.2015 ist somit verspätet eingelegt worden.

3.Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Hamm sieht der Senat keinen Anlass, der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Amts wegen zu gewähren. Die Nebenklägerin muss sich ein etwaiges Verschulden ihres Vertreters - anders als ein Angeklagter im Verhältnis zu seinem Verteidiger - anrechnen lassen (vgl. BGH NJW 1982, 1544; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 1997,157). Wenn der Vertreter der Nebenklägerin und Adhäsionsklägerin nach Verkündung des Beschlusses des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013, der entgegen der §§ 464 Abs. 2, 472 S. 1 StPO keinen Ausspruch über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin enthielt, dies hingenommen und kein Rechtsmittel eingelegt hat bzw. mangels hinreichender Information seinerseits über die Folgen dieser unterbliebenen Entscheidung für die Nebenklägerin die fristgerechte Einlegung der sofortigen Beschwerde unterlassen hat, gereicht ihm dies zum Verschulden (vgl. OLG Karlsruhe, a.a.O.). Dem Nebenklagevertreter war nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls vom 13.12.2013 allerdings keine Rechtmittelbelehrung erteilt worden und aus den Akten lässt sich auch nicht entnehmen, dass in der Folgezeit eine solche übersandt worden ist. Gemäß § 44 S. 2 StPO ist die Versäumung einer Rechtsmittelfrist zwar als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach § 35 S. 1 StPO versäumt worden ist. Die gesetzliche Vermutung bei unterbliebener Rechtsmittelbelehrung hebt aber nur das Erfordernis des fehlenden Verschuldens des Rechtsmittelführers auf. Den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumnis setzt die Wiedereinsetzung aber auch bei einer solchen Fallgestaltung voraus (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 44 Rdnr. 22; OLG Karlsruhe a.a.O.). Aus der Beschwerdeeinlegungsschrift vom 17.01.2015 lässt sich aber weder aufgrund einer entsprechenden ausdrücklichen Behauptung noch konkludent entnehmen, dass gerade die unterbliebene Rechtsmittelbelehrung die Ursache dafür war, dass gegen die unterbliebene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin nicht rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt worden ist. Vielmehr legen die Anbringung des Kostenfestsetzungsantrags, der den Erlass einer entsprechenden Kostengrundentscheidung voraussetzt, sowie die Ausführungen des Vertreters der Nebenklägerin in der Beschwerdeeinlegungsschrift, er habe erstmals durch die Mitteilung der Rechtspflegerin vom 09.01.2015 Kenntnis davon erhalten, dass der Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 13.12.2013 eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklage sowie über die Kosten des Adhäsionsverfahrens in der Berufungsinstanz nicht enthalte, was aufgrund seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung allerdings nicht zutrifft, die Annahme nahe, dass der Nebenklägervertreter den Beschluss vom 13.12.2013 in Bezug auf eine darin enthaltene Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Nebenklägerin nicht weiter überprüft hat.

4.Soweit sich die sofortige Beschwerde dagegen richtet, dass der Beschluss der Berufungskammer vom 13.12.2013 keine Entscheidung über die Kosten des Adhäsionsverfahrens enthält, ist das Rechtsmittel gemäß § 406a Abs. 1 Satz 2 StPO i. V. m. § 464 Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz StPO bereits nicht statthaft, weil die Beschwerdeführerin als Adhäsionsklägerin auch eine in der Hauptsache ergangene Entscheidung der Strafkammer in der Berufungsinstanz gemäß § 406a Abs. 1 Satz 2 StPO nicht hätte anfechten können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 472a Rdnr. 4).

Die sofortige Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen.
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Einsender: entnommen NRWE

Anmerkung:


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