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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Hinausschieben, Ruhestand, Regelaltersgrenze, Antrag, Stichtag

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 05.01.2016 - 12 L 6/16

Leitsatz: Die für das Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand der Richterinnen und Richter des Landes Nordrhein-Westfalen einzuhaltende Antragsfrist von sechs Monaten ist verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie der frühest mögliche Beginn des Fristlaufs am 1. Januar 2016.


In pp.
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 38.979,66 Eurofestgesetzt.

Gründe:
Der Antrag, dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, den Eintritt der Antragstellerin in den Ruhestand über den 31. Januar 2016 hinaus bis zum 30. September 2017 hinauszuschieben,
hat keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Rechts der Antragstellerin getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung dieses Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig. Hierbei sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) die tatsächlichen Voraussetzungen für das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) und die besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen.

Die Antragstellerin erstrebt mit ihrem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eine Vorwegnahme der Hauptsache zu Lasten des Antragsgegners, da mit dem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand über den 31. Januar 2016 hinaus der im Klageverfahren 12 K 10/16 verfolgte Anspruch bereits vorläufig erfüllt würde.

Ein auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielendes Antragsbegehren kann auch unter Beachtung des Gebots des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nur dann Erfolg haben, wenn eine vorläufige Regelung schlechterdings notwendig ist, weil eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rechtzeitig erwirkt werden kann, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 1999 – 2 VR 1/99 –, juris Rn. 24; OVG NRW, Beschluss vom 14. September 2015 – 6 B 960/15 –, juris Rn. 4 m. w. N.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Die Antragstellerin hat zwar einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, denn ein wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren dürfte wegen der Kürze der Zeit bis zum Eintritt der Antragstellerin in den gesetzlichen Ruhestand mit Ablauf des Monats Januar 2016 nicht zu erreichen sein. Im Übrigen kann ihrem Begehren auf Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand sowohl im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als auch im Hauptsacheverfahren nur stattgegeben werden, solange der Ruhestand noch nicht eingetreten ist.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2011 – 2 B 94/11 –, juris; OVG NRW, Beschluss vom 14. Juni 2011– 1 A 871/09 –, juris.

Im vorliegenden Fall fehlt es aber an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs, denn die Antragstellerin wird im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach unterliegen. Sie hat nicht glaubhaft gemacht, dass sie einen Anspruch auf Hinausschieben ihres Eintritts in den Ruhestand über den 31. Januar 2016 hinaus hat.

Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 4, 101 des Richter- und Staatsanwältegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (LRiStaG), das als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Richterinnen und Richter sowie der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte im Land Nordrhein-Westfalen – soweit vorliegend einschlägig – am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist (§ 105 Abs. 1 Satz 1 LRiStaG).

Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 LRiStaG ist die Regelaltersgrenze (vollendetes siebenundsechzigstes Lebensjahr, § 4 Abs. 1 LRiStaG) für Richterinnen und Richter, die nach dem 31. Dezember 1946 und vor dem 1. Januar 1964 geboren sind, gestaffelt (zwischen 23 und 2 Monate) abgesenkt. Nach dieser Regelung erreicht die am pppp. 1950 geborene Antragstellerin vor Vollendung des siebenundsechzigsten Lebensjahres mit Ablauf des Monats Januar 2016 die Altersgrenze.

Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 LRiStaG wird der Eintritt in den Ruhestand der Richterinnen und Richter, die vor Vollendung des siebenundsechzigsten Lebensjahres (Regelaltersgrenze) in den Ruhestand eintreten, längstens bis zum Ende des Monats hinausgeschoben, in dem sie die Regelaltersgrenze erreichen, wenn sie dies beantragen. Der Antrag ist spätestens sechs Monate vor Eintritt in den Ruhestand zu stellen, § 4 Abs. 3 Satz 2 LRiStaG. Gemäß § 101 LRiStaG können Anträge gemäß § 4 Abs. 3 LRiStaG erst ab Inkrafttreten der Vorschrift am 1. Januar 2016 gestellt werden.

Da die Antragstellerin mit Ablauf des Monats Januar 2016 wegen Erreichens der – gestaffelten – Altersgrenze gemäß § 4 Abs. 2 LRiStaG in den Ruhestand tritt, kann ein nach dem 1. Januar 2016 gestellter Antrag auf Hinausschieben der Altersgrenze diesem Fristerfordernis nicht genügen. Der von der Antragstellerin bereits unter dem 29. Mai 2015 gestellte Antrag auf Hinausschieben des Ruhestandseintritts bis zur Vollendung des siebenundsechzigsten Lebensjahres ist nicht fristwahrend, da gemäß § 101 LRiStaG entsprechende Anträge nicht vor dem 1. Januar 2016 wirksam gestellt werden können. Geht man zugunsten der Antragstellerin gleichwohl von der Wirkung ihres Ende Mai 2015 gestellten Antrages am 1. Januar 2016 aus, vermag das aus den nachstehenden Gründen ihrem Begehren nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in §§ 4 Abs. 3 und 101 LRiStaG geregelte Frist sowohl im Hinblick auf deren zeitliche Komponente (sechs Monate) als auch im Hinblick auf den frühstmöglichen Zeitpunkt der wirksamen Antragstellung (1. Januar 2016).

Die in § 4 Abs. 3 Satz 2 LRiStaG normierte Sechsmonatsfrist trägt – auch ausweislich der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 16/9520, S. 107 und 135) – dem Umstand Rechnung, dass dem Dienstherrn ausreichend Zeit verbleiben muss, um auf den ansonsten voraussetzungslosen Anspruch der Richterinnen und Richter auf Verlängerung der Dienstzeit mit der daraus erforderlichen personalwirtschaftliche Planung zu reagieren. Die Frist ist im Hinblick auf die Notwendigkeit, ansonsten erforderliche Neueinstellungen und ggf. mögliche Beförderungen zeitlich zu verschieben, nicht zu lang bemessen. In diese Wertung ist einzustellen, dass die bei Einstellungen und Beförderungen vorgeschalteten Auswahlverfahren durchaus zeitintensiv sein können und es sich bei der Einstellung von Richtern um eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 LRiStaG) mit einem zusätzlichen Zeitfenster handelt.

Dass eine wirksame Antragstellung erst ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des LRiStaG möglich ist, § 101 LRiStaG, rechtfertigt sich gleichfalls unter den oben genannten personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten und der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Justiz.

Ein Verstoß dieser Bestimmung gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist insoweit nicht gegeben. Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz ist erst verletzt, wenn eine Gruppe der Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Vorliegend hat der Gesetzgeber mit dem § 101 LRiStaG in Bezug auf den frühstmöglichen Antragszeitpunkt eine Stichtags-Übergangsregelung getroffen, gegen die auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz rechtlich nichts zu erinnern ist. Die Wahl des Stichtages – hier Inkrafttreten des Gesetzes – ist nach den obigen Ausführungen sachlich gerechtfertigt, da sie dem Dienstherrn eine angemessene Zeit einräumt, auf die geänderte Rechtslage zu reagieren. Härten, die daraus resultieren, dass die tatsächliche Situation derjenigen Personen, die durch Erfüllung der Stichtagsvoraussetzungen gerade noch in den Genuss der Neuregelungen gelangen, sich von der Lage derjenigen unterscheidet, bei denen diese Voraussetzungen fehlen, machen eine solche Regelung nicht verfassungswidrig. Sie sind vielmehr solchen Regelungen immanent und daher grundsätzlich hinzunehmen.
Vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit von Stichtags-regelungen nur BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015– 2 BvR 1170/14 –, juris Rn. 41 m. w. N.

Soweit die Antragstellerin den gegenwärtigen Notstand bei der Rekrutierung von Richterinnen und Richtern anführt, vermag dies nicht zu verfangen. Ob der Bedarf an geeigneten Richterinnen und Richtern gegenwärtig gedeckt werden kann, ist eine Frage des Augenblicks, die die Justizverwaltung in angemessener Weise beantworten muss. Eine problematische Rekrutierung des Richternachwuchses entfaltet aber keinen Verfassungsrang, der die grundsätzlichen Entscheidungen des Gesetzgebers zum Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand in Zweifel ziehen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt auf der Grundlage der §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG. Danach ist hier auszugehen von der Hälfte der im Kalenderjahr 2016 zu zahlenden Bezüge (hier: Besoldungsgruppe R 2 ÜBesG NRW der Stufe 12) mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen und ohne Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsbezügen abhängen. Daraus ergibt sich der im Tenor festgesetzte Streitwert ([12 x 6.496,61 Euro] : 2).

Eine Herabsetzung des Streitwertes kommt aufgrund des Umstandes, dass das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, nicht in Betracht.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 28. März 2014 – 6 B 215/14 –, a. a. O. Rn. 27.

Einsender: entnommen NRWE

Anmerkung:


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