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Entscheidungen

StPO

Verhältnismäßigkeit, Durchsuchungsanordnung.

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bielefeld, Beschl. v. 25.11.2015 - 3 Qs 556/ Js 1306/14-316/15

Leitsatz: Zur Verhältnismäßigkeit einer Durchsuchungsanordnung.


Landgericht Bielefeld
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren gegen
Verteidiger:
hat die 3. große Strafkammer des Landgerichts auf die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 13.05.2015 - Az: 9 Gs 2555/15 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am Landgericht am 25.11.2015 beschlossen:

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 13.05.2015 - Az: 9 Gs 2555/15 - rechtswidrig ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Unter dem 25.11.2014 klagte die Staatsanwaltschaft Bielefeld den Beschwerdeführer in dem Verfahren 566 Js 1519/13 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in sieben Fällen, davon in vier schweren Fällen, an. In der Begleitverfügung erfolgte die vorläufige Einstellung gem. § 154 StPO wegen weiterer Vorfälle des sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 1 und 4 StGB (z.N. pp.). Darüber hinaus trennte die Staatsanwaltschaft ebenfalls am 25.11.2014 teilweise ab, da zu vermuten sei, dass der Beschwerdeführer auf weitere Kinder gem. § 176 Abs. 4 StGB eingewirkt oder mit ihnen sexuell verkehrt habe. Jedenfalls bestehe der Verdacht, dass er im Besitz von Kinderpornografie sei (Nacktbilder des pp.).

Unter dem 01.12.2014 beantragte die Staatsanwaltschaft Bielefeld beim Amtsgericht Bielefeld den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses. Die Akte wurde zunächst mit Hinweis auf die Unzuständigkeit, da bereits Anklage erhoben worden sei, von der Ermittlungsrichterin zurückgegeben. Die Staatsanwaltschaft hielt mit Verfügung vom 18.12.2014 an ihrem Antrag fest.

Mit Urteil der Kammer vom 26.01.2015 wurde der Angeklagte in der Zwischenzeit in dem Verfahren 566 Js 1519/13 wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in vier Fällen sowie des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in drei Fällen rechtskräftig (03.02.2015) die Auflagen erteilt, 100 Stunden unentgeltlich in einer sozialen Einrichtung zu arbeiten sowie die begonnene Psychotherapie bis zur Absolvierung von insgesamt 50 Stunden fortzusetzen.

Am 09.04.2015 erließ das Amtsgericht den beantragten Beschluss, welcher jedoch auf eine inzwischen veraltete Anschrift des Beschwerdeführers ausgestellt wurde. Unter dem 13.05.2015 erließ das Amtsgericht Bielefeld den nunmehr angegriffenen Durchsuchungsbeschluss.

Bei der Durchsuchung am 02.06.2015 wurden ein iPod, ein Tablet ein MacBook Air, ein USB-Stick und ein Smartphone sichergestellt.

Zunächst legte der Verteidiger des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 07.06.2015 Widerspruch gegen die Beschlagnahme ein und beantragte gerichtliche Entscheidung gern. § 98 II S. 3 StPO. Nach erfolgter Akteneinsicht nahm er den Widerspruch gegen die erfolgte Wohnungsdurchsuchung sowie den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurück und legte stattdessen Beschwerde ein mit dem Antrag festzustellen, dass der Durchsuchungsbeschluss des AG Bielefeld vom 13.05.2015 rechtswidrig ist.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss ist zulässig und begründet.

Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts vom 13.05.2015 ist rechtswidrig.

Tatverdacht besteht lediglich wegen einer Tat im Sinne des § 184 b StGB (Besitz kinder-pornografsicher Schriften). Insoweit wurde bei Anordnung der Durchsuchung in dem angegriffenen Beschluss jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht ausreichend beachtet.

In dem angegriffenen Beschluss wird zunächst ausgeführt, dem Beschwerdeführer werde zur Last gelegt, u.a. auf ein Kind durch Schriften eingewirkt zu haben, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen. Dem Beschwerdeführer wird also ein Vorwurf nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB gemacht. Dann wird Bezug genommen auf die Anklageschrift vom 25.11.2004. Dort wurden dem Beschwerdeführer zwei Taten im Sinne des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB bzw. eine Tat im Sinne der Nr. 3 und eine weitere im Sinne der Nr. 4 vorgeworfen, jedoch auch fünf Taten im Sinne des § 176 Abs. 1 bzw. §§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB. Das Amtsgericht führt weiter aus, die Ermittlungen begründeten zudem den Verdacht, dass der Beschwerdeführer darüber hinaus auch gleichgelagerte Taten zum Nachteil weiterer Kinder begangen hat. Dieser Tatverdacht — so ergibt sich ausweislich BI. 0 der Ermittlungsakte — wird jedoch einzig aus dem — zulässigen — Einlassungsverhalten des Beschwerdeführers abgeleitet: Ausweislich BI. 96 d.A. hat der Beschwerdeführer in seiner Beschuldigtenvernehmung am 25.10.2013 auf die Frage, ob „ppp. der einzige" gewesen sei, mit „Ja" geantwortet. Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass es seitens des Beschwerdeführers auch zu Taten zum Nachteil des Geschädigten ppp. gekommen ist.

Ausweislich des Vermerks der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 25.11.2014, BI. 0 der Ermittlungsakte, ist aufgrund dieses Einlassungsverhaltens des Beschwerdeführers zu vermuten, dass dieser Weiteres verschweige. Er habe Kontakt zu einer Vielzahl von weiteren Kindern und es stehe zu vermuten, dass er über Chats oder andere soziale Netzwerke Kontakt zu Kindern geknüpft habe und wiederum gem. § 176 Abs. 4 StGB auf sie eingewirkt oder mit ihnen sexuell verkehrt habe. Neben dem aufgezeigten Einlassungsverhalten ergeben sich aus der Ermittlungsakte keine weiteren Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer Sexualstraftaten zum Nachteil weiterer Kinder begangen hat. Das zulässige bestreitende Einlassungsverhalten begründet für sich genommen keinen Tatverdacht, der ausreichend ist, um eine Wohnungsdurchsuchung bei dem Beschwerdeführer zu begründen.

Letztlich besteht daher nur ausreichender Verdacht dahingehend, dass der Beschwerdeführer im Besitz von Nacktbildern des Geschädigten ppp ist, welche dieser ihm übersandt haben will. Insofern ist aber eine Durchsuchung nicht verhältnismäßig.

Mit der Anklageschrift vom 25.11.2014 ist u.a. zur Anklage gelangt, dass der Beschwerdeführer dem Geschädigten in der Zeit von Juni bis September 2013 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt ein Bild von seinem steifen Penis übersandt habe. Dieses Bild ist weder bei dem Geschädigten noch bei dem Beschwerdeführer vor Anklageerhebung sichergestellt worden. Gestützt wurde dieser Anklagepunkt leidglich auf die Angaben des Geschädigten pp., welcher in seiner polizeilichen Vernehmung, BI. 52 der Ermittlungsakte, folgendes bekundet hat: „Der ppp. hat mich auch mal aufgefordert, mit meinem Handy Bilder von mir zu machen, auf denen ich unbekleidet zu sehen bin. Er hat solange gedrängelt, bis ich nachgegeben habe. Ich habe dann zwei bis drei Bilder von mir gemacht und ihm sie über What'sApp zugeschickt. Wann das war, kann ich überhaupt nicht sagen, ich habe keine zeitliche Vorstellung davon. Er mir auch mehrere Bilder über What'sApp geschickt, auf denen sein steifer Penis zu sehen war."

Für die Kammer ist nicht ersichtlich, weshalb vorliegend unterschiedlich verfahren wurde. Während das Geschehen betreffend des Fotos vom steifen Penis des Beschwerdeführers zur Anklage gelangt ist, wurde das Geschehen betreffend die Fotos vom unbekleideten Geschädigten in dem Ursprungsverfahren der Staatsanwaltschaft 566 Js 1519/13 nicht weiter behandelt, es wurde einerseits nicht angeklagt, aber andererseits wurde es auch nicht in der Begleitverfügung gem. § 154 StPO vorläufig eingestellt. So war die Staatsanwaltschaft jedoch wegen weiterer Vorfälle des sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 1 und 4 StGB zum Nachteil des Geschädigten pp. verfahren. Vielmehr wurden die vom Geschädigten pp. bekundeten Nacktbilder dann als letztlich einzig durchgreifender Tatverdacht zur Grundlage des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses gemacht.

Unter Berücksichtigung dieses Hintergrundes war der Durchsuchungsbeschluss nicht verhältnismäßig; der Besitz kinderpornografischer Schriften hätte zum einen wie das Geschehen betreffend des Fotos vom steifen Penis des Beschwerdeführers auch ohne Vorlage der Fotos des Geschädigten ppp. angeklagt werden können. Zum anderen ist ein angemessenes Verhältnis zur Schwere der konkreten Straftat — Besitz kinderpornografischer Schriften — vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer in der Anklage vom 25.11.2014 insbesondere vier Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes -
dem Geschädigten - vorgeworfen wurden, nicht gegeben.


Einsender: RA B. Brüntrup, Minden

Anmerkung:


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