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Entscheidungen

StPO

Aufklärungsrüge, Begründungsanforderungen, Vorsatz, Verstoß gegen WaffG

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 18.03.2016 - 1 Ss 356/15

Leitsatz: 1. Die Feststellung der vorsätzlichen Begehungsweise einer Straftat nach dem WaffG (hier: unerlaubter Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe und eines Schlagrings) ergibt sich regelmäßig nicht schon allein aus der Zitierung der entsprechenden, stark vertechnisierten gesetzlichen Sanktionsnormen.
2. Zu den Voraussetzungen an die wirksame Erhebung einer Verfahrensrüge nach § 344 Abs. 2 S. 2 StPO.


1 Ss 356/15
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Im Namen des Volkes
URTEIL
In der Strafsache
g e g e n ~

w e g e n Verstoß gegen das WaffG
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.05.2015 in der Sitzung vom 18.3.2016 an der teilgenommen haben für Recht erkannt:

I. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.05.2015 aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht Frankfurt a.M. hat den Angeklagten am 07.10.2014 wegen unerlaubten Besitzes einer halbautomatischen Kurzwaffe und eines Schlagrings zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt.

Auf die daraufhin eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Frankfurt a.M. den Angeklagten wegen unerlaubten Besitzes eines Schlagrings zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt und die Berufung im Übrigen verworfen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten, form- und fristgerecht eingelegten Revision (§§ 333, 341 Abs. 1, 344, 345 StPO) rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen sowie materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Aufhebung und Zurückverweisung an eine andere Kammer das Landgerichts Frankfurt a.M. beantragt.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Landgericht geht zu Recht davon aus, dass die Beschränkung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft unwirksam ist.

a) Es hat mit seiner Entscheidung die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils nicht verkannt. Der Senat hat die Rechtskraft unterinstanzlicher Entscheidungen auf die zulässige Sachrüge hin von Amts wegen zu prüfen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 352 Rn. 4). Soweit eine Berufungsbeschränkung auf die Rechtsfolge unwirksam ist, gilt das gesamte Urteil als angegriffen.

Eine Berufungsbeschränkung ist dann unzulässig, wenn die Tatsachenfeststellungen der Ausgangsinstanz keine hinreichende Grundlage für die Rechtsfolgeentscheidung des Berufungsgerichts bieten. Dabei ist eine Beschränkung nicht schon deshalb unwirksam, weil die Ausgangsinstanz eine Rechtsnorm fehlerhaft angewandt hat. Vielmehr bedarf es für die Unwirksamkeit Mängel von solchem Ausmaß, dass dem Berufungsgericht eine angemessene Rechtsfolgenentscheidung unmöglich wird. Unwirksam ist die Beschränkung insbesondere dann, wenn die Feststellungen der Ausgangsinstanz unklar, lückenhaft, widersprüchlich und so dürftig sind, dass darauf keine Rechtsfolgenentscheidung getroffen werden kann (OLG Hamm NJW 2012, 1239).

b) Entsprechende Erwägungen des Amtsgerichts sind hier nicht nur lückenhaft, sondern fehlen vollständig. Im Urteil des Amtsgerichtes (UA S. 3) heißt es:
„Am 06.11.2013 wurde anlässlich einer Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten [..] eine halbautomatischer Schusswaffe [~], sowie ein Schlagring aufgefunden und sichergestellt. Der Angeklagte verfügt nicht über eine Waffenbesitzkarte.

Die Feststellungen beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten.“

Weitere Feststellungen zum äußeren oder inneren Tatbestand enthält das Urteil nicht. Es entspricht deshalb schon nicht dem in § 267 Abs. 1 S. 1 StPO vorgegeben Rahmen.

Dagegen führt die Generalstaatsanwaltschaft an, dass sich die Feststellung einer vorsätzlichen Begehung schon aus der Zitierung der entsprechenden Sanktionsnormen aus dem WaffG ergäbe, die mangels abweichender Bestimmung nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sind.

Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Generalstaatsanwaltschaft verkennt, dass es mit dem grundrechtlich gesicherten Schutz aus Art. 103 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, ein Urteil auf die Aufzählung einzelner Vorschriften zu reduzieren: „Wer bei Gericht formell ankommt, soll auch substantiell ankommen, also wirklich gehört werden“ (vgl. BVerfGE 107, 395, 409; Maunz/Dürig-Schmidt ~Aßmann, GG, 74. EL 2015, Art. 103 Abs. 1 Rn. 7). Neben dem grundrechtlichen Gewährleistungsgehalt zeigen auch die einfachrechtliche Formulierungen der §§ 260 Abs. 3, 4; 267 Abs. 1 S. 1 StPO, dass die Aufzählung der Strafnormen nicht die Begründung des Urteils ersetzen kann. Andernfalls hätte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 267 Abs. 1 S. 1 StPO nicht im Imperativ verfasst. Der Vorschrift würde dann auch kein eigener Gehalt zukommen.

Allerdings führt die Generalstaatsanwaltschaft auch aus, dass es bei bestimmten, einfach gelagerten Sachverhalten keinen besonderen Ausführungen bedürfe. Auch dies verdient keine Zustimmung. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft hier das Kammergericht zitiert (KG NStZ-RR 2002, 220), überinterpretiert sie die Entscheidung. Das Kammergericht lehnt es gerade ab, bei nicht völlig eindeutigen Fällen die Vorsätzlichkeit des Handelns der ausdrücklichen Feststellung im Urteil zu entziehen. Überdies kommen solche Erwägungen im Waffenrecht schon aufgrund der stark vertechnisierten Vorschriften nicht in Betracht.

Deshalb war die Beschränkung der Berufung unwirksam.

2. Die Verfahrensrüge der Staatsanwaltschaft ist sowohl unzulässig als auch unbegründet.

Die Beanstandung gründet sich darauf, dass das Gericht die besagte Schusswaffe hätte in Augenschein nehmen müssen und ein Gutachten zur Frage hätte erstellen lassen müssen, ob die Identifizierung der Waffe als Schusswaffe durch den Angeklagten möglich gewesen wäre. Das Landgericht hätte damit seine Pflicht aus § 244 Abs. 2 StPO verletzt.

a) Zur wirksamen Erhebung der Verfahrensrüge bedarf es der eindeutigen Bezeichnung des Antrages, sei es als Beweisantrag oder als Beweisermittlungsantrag. Diese Frage lässt die Revisionsführerin ausdrücklich offen. Zur den Förmlichkeiten des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechenden Anbringung einer Verfahrensrüge gehört aber auch, dass sich der Revisionsführer festlegt, welche Art von Antrag in der Tatsacheninstanz gestellt wurde und wie durch die Ablehnung Verfahrensrecht verletzt worden ist. Eine allgemeine Verfahrensrüge sieht das Gesetz gerade nicht vor.

b) Zudem ist die Verfahrensrüge auch deshalb unzulässig, weil die Staatsanwaltschaft nicht ausreichend darlegt, warum sich die Inaugenscheinnahme der Waffe und die Einholung eines Sachverständigenbeweises hätte aufdrängen müssen. Dies ist aber bei einer Aufklärungsrüge notwendig.

Es ist insbesondere nicht ausreichend, darauf zu verweisen, dass sich spätestens durch die Anträge im Plädoyer eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Denn wenn dies zutreffen würden, würde schon jeder Beweis(ermittlungs)antrag dazu führen, dass sich eine weitere Beweisaufnahme aufdrängte mit der Folge, dass das Tatgericht nach § 244 Abs. 2 StPO zu einer weiteren Sachaufklärung verpflichtet wäre. Die differenzierten Regelungen des § 244 Abs. 376 StPO über die Ablehnung von Beweisanträgen wären dann überflüssig.

c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass die Revisionsführerin das Beruhen des Urteils auf dem gerügten Verfahrensfehler jedenfalls dann nicht hinreichend deutlich gemacht hat, wenn man entsprechende, ins Einzelne gehende Ausführungen verlangen würde (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 344 Rn. 27). Die Staatsanwaltschaft führt lediglich aus, dass das Landgericht „möglicherweise“ zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Für die zulässige Erhebung der Verfahrensrüge muss allerdings mit Bestimmtheit dargelegt werden, zu welchem Ergebnis das Gericht bei der beantragten Untersuchung gekommen wäre und warum die Beweisführung des Tatrichters unzureichend war. Daran fehlt es.

d) Überdies wäre die Verfahrensrüge selbst bei ordnungsgemäßer Erhebung unbegründet, denn hinsichtlich der Inaugenscheinnahme besteht kein Surrogationsverbot. Das Landgericht konnte daher auch Bilder der Waffe nutzen (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 244 Rn. 78). Einen Sachverständigenbeweis mit der Frage zu erheben, ob der Angeklagte konkrete Kenntnisse über bestimmte Tatsachen hatte, ist auch völlig ungeeignet. Der Sachverständige dient nicht dazu, dem Gericht die rechtliche Bewertung der inneren Tatseite abzunehmen (Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O., § 244 Rn. 74a).

3. Die Sachrüge dringt hingegen durch.

Die Feststellungen zur inneren Tatseite sind lückenhaft, weil sich der Tatrichter nicht in rechtsfehlerfreier Weise mit dem Fahrlässigkeitstatbestand des § 52 Abs. 4 WaffG auseinandergesetzt hat.

Die fahrlässige Begehung hätte näherer Ausführungen bedurft, da diese hier naheliegt.

Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist, und wer deshalb die Tatbestandsverwirklichung nicht erkennt oder zwar die Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung erkennt, mit ihr aber nicht einverstanden ist und auf ihren Nichteintritt vertraut. Dem Täter muss der doppelte Vorwurf gemacht werden können, er habe pflichtwidrig gehandelt und er habe den Erfolg voraussehen können (Erbs/Kohlhaas/Pauckstadt-Maihold, WaffG, 205. Lfg. Oktober 2015, § 52 Rn. 90).

Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich, dass der Angeklagte waffenrechtlich nicht unerfahren ist (Teleskopschlagstock, Schlagring). Wegen des Teleskopschlagstocks hat sich der Angeklagte offenbar über die waffenrechtliche Lage informiert. Er scheint sich aber auch bei den sonstigen Gegenständen mit der rechtlichen Lage auseinandergesetzt zu haben (UA S. 5), was er bei der Waffe jedoch aus nicht nachvollziehbaren Gründen unterlassen hat. Von dem Angeklagten, der im Übrigen keine Angaben zu dem Verkäufer machen wollte, hätte insoweit zumindest eine Nachfrage in einem Waffenfachgeschäft oder – sofern dies unterlassen wurde 7 eine Darlegung verlangt werden können, aufgrund welcher Umstände und zuverlässigen Quellen dieser davon ausging, dass es sich um eine Gaspistole handelte.

IV.
Wegen des aufgezeigten Mangels wird das angefochtene Urteil auf die Revision der Staatsanwaltschaft hin durch Urteil aufgehoben (§ 353 Abs. 1 StPO). Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts Frankfurt a.M. zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben wird (§ 354 Abs. 2 S. 1 StPO)


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