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Entscheidungen

OWi

Wirksame Lichtbildbezugnahme; Darstellungsanforderungen Sachverständigenbeweis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16

Leitsatz: 1. An die Wirksamkeit der Verweisung nach § 267 I 3 StPO (i.V.m. § 71 I OWiG) dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Für ihre Wirksamkeit ist weder die Einhaltung einer besonderen Form oder die Wiedergabe des Geset-zeswortlauts noch die Verwendung einer sonst verdeutlichenden Floskel oder die Zitierung des Gesetzes erforderlich. Notwendig und ausreichend ist, dass der Wille zur Bezugnahme unter Berücksichtigung der Urteilsgründe in ihrer Ge-samtheit eindeutig und bestimmt zum Ausdruck gebracht ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 5).

2. Schließt sich das Tatgericht ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführun-gen eines Sachverständigen zur Ordnungsgemäßheit der Durchführung einer ‚standardisierten‘ Messung an, müssen im Urteil die wesentlichen Anknüpfungs-tatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen – wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur ‚gedrängter‘ Form – derart wieder-gegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist (st.Rspr.; u.a. Anschluss an BGHSt 39, 291/297; BGH, Beschl. v. 02.04.2015 – 3 StR 103/15 [bei juris]; 06.05.2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244; 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]).


In pp.
Das AG hat den Betr. wegen einer am 13.10.2014 als Führer eines Pkw auf einer BAB fahrlässig begangenen, mit dem Lasermessgerät PoliScanSpeed festgestellten Über-schreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 56 km/h zu einer Geldbuße von 240 Euro verurteilt und gegen ihn ein mit einem beschränkten Vollstreckungsaufschub nach § 25 IIa 1 StVG verbundenes Fahrverbot für die Dauer eines Monats angeordnet. Mit seiner hiergegen gerichteten Rechtsbe-schwerde rügt der Betr. die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechts-mittel erwies sich als begründet.

Aus den Gründen:
I. Die nach § 79 I 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechts-beschwerde erweist sich auf die Sachrüge jedenfalls vorläufig als begründet, weil sich die Urteilsfeststellungen gem. §§ 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO als lückenhaft erwei-sen. Auf die weiteren sachlich-rechtlichen Beanstandungen und die Verfahrensrüge kommt es nicht mehr an.
1. Allerdings zwingt das Rechtsmittel nicht bereits deshalb zur Aufhebung des ange-fochtenen Urteils, weil – wie die GenStA in ihrer Antragsschrift ausführt – die Urteils-feststellungen nicht in eindeutiger und damit in rechtlich hinreichend überprüfbarer Wei-se erkennen lassen, worauf das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. stützt.
a) Gründet die Überzeugung des Tatrichters von der Identität des Betr. zum Tatzeit-punkt auf einer Lichtbildidentifizierung der Person des Betr., muss auf ein „bei den Ak-ten“ (vgl. dazu LR/Stuckenberg StPO 26. Aufl. § 267 Rn. 20) befindliches und nicht selbst oder als Kopie in das Urteil unmittelbar aufgenommenes (hierzu schon BayObLG, Beschl. v. 04.04.1996 – 2 ObOWi 223/96 = BayObLGSt 1996, 34 = NStZ-RR 1996, 211 = MDR 1996, 843 = NZV 1996, 330 = StraFo 1996, 171 = VRS 91, 367 [1996] = VerkMitt 1996, Nr. 126 = JR 1997, 38; ferner OLG Jena, Beschl. v. 24.03.2006 – 1 Ss 57/06 = VRS 110 [2006], 424 = ZfS 2006, 475 und OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2006 – 5 Ss [OWi] 199/06 = VerkMitt 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43; vgl. auch Göhler/Seitz OWiG 47. Aufl. § 71 ‚ Rn. 47b; KK-OWiG/Senge 4. Aufl. § 71 Rn. 118; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. § 267 Rn. 10; KK/Kuckein StPO 7. Aufl. § 267 Rn. 6 a.E.; LR/Stuckenberg § 267 Rn. 14; Satzger/Schluckebier/Widmaier-Güntge StPO 2. Aufl. § 267 Rn. 10; Burhoff [Hrsg.]/Gübner, Handbuch für das straßen-verkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 4. Aufl., Rn. 2712) Messfoto bzw. ‚Frontfoto’ oder ‚Radarfoto‘, soll es zum Bestandteil der Urteilsurkunde werden, deutlich und zweifelsfrei nach § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug genommen werden, um so über die Dokumentation und Beschreibung der Art und Weise der Beweiserhebung hinaus un-missverständlich auch den Willen zur Verweisung bei Abfassung der Urteilsgründe zum Ausdruck zu bringen. Fehlt eine entsprechende Bezugnahme, bedarf es deshalb einer ausführlichen – hier nicht erfolgten – Beschreibung des Lichtbildes nach Inhalt und Qualität in den Urteilsgründen (st.Rspr., vgl. neben BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89 und BayObLG a.a.O. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 – 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 [2008]; 21.04.2008 – 2 Ss OWi 499/08 = NZV 2008, 469; 06.04.2010 – 3 Ss OWi 378/10 = DAR 2010, 390 = StV 2011, 717 = ZfS 2010, 469 = SVR 2011, 344; 22.02.2012 – 2 Ss OWi 143/12 = DAR 2012, 215 = NZV 2012, 250 und v. 02.04.2015 – 2 Ss OWi 251/15 [bei juris]; vgl. zuletzt auch OLG Hamm, Beschl. v. 11.04.2016 – 4 RBs 74/16 und 08.03.2016 – 4 RBs 37/16 [jeweils bei juris]; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 – 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; KG, Beschl. v. 15.12.2015 – 121 Ss 216/15 = OLGSt StPO § 267 Nr. 29 = NJ 2016, 393 und 17.10.2014 – 3 Ws [B] 550/14 = VRS 127 [2015], 295; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.06.2015 – 1 Ss 188/13 = StraFo 2015, 286; OLG Brandenburg, Beschl. v. 02.02.2016 – 53 Ss-OWi 664/15 = DAR 2016, 282; OLG Hamm, Beschl. v. 08.03.2016 – 4 RBs 37/16 = DAR 2016, 399 sowie OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.08.2016 – 2 Ss OWi 562/16 [bei juris]; vgl. auch Göhler/Seitz § 71‚ Rn. 47a f.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 116 f.; Meyer-Goßner/Schmitt § 267 Rn. 8 ff.; KK/Kuckein § 267 Rn. 6; Satz-ger/Schluckebier/Widmaier-Güntge § 267 Rn. 8 ff.; LR/Stuckenberg § 267 Rn. 14 ff.; Burhoff/Gübner Rn. 2704 ff., insbes. Rn. 2712 ff., jeweils m.w.N.; zur Unzulässigkeit der Verweisung auf ein elektronisches Speichermedium [Bezugnahme auf bei den Ak-ten befindlicher CD-ROM gespeicherte ‚bewegte‘ Videoaufzeichnung bzw. Bilddatei als solche] BGH, Urt. v. 02.11.2011 – 2 StR 332/11 = BGHSt 57, 53 = NJW 2012, 244 f. = NStZ 2012, 228 f. = NZV 2012, 143 = StV 2012, 272 = BGHR StPO § 267 I 3 Verwei-sung 4; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 116 a.E.; Burhoff/Gübner Rn. 2735 f.).
b) Hier hat das AG seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betr. „aufgrund der in Augenschein genommenen Lichtbilder auf Bl. 16 und 17 d.A. in Abgleich mit dem in der Hauptverhandlung erschienen Betr.“ gewonnen, dem nicht entgegenstehe, „dass ein Teil der unteren Gesichtspartie verdeckt“ sei. Im Übrigen stehe die „Fahreridentität“ des Betr. „aufgrund […] des […] gut erkennbaren Gesichtsabschnitts […] außer Zwei-fel; Gesichtsform sowie Ohr- und Nasenform stimmen überein“; ferner sei „der Schnauzbart des Betr. erkennbar“. Damit hat das AG in zureichender und wirksamer Weise, nämlich durch ausdrückliche und genaue Nennung der Fundstellen in den Akten in Verbindung mit der unmittelbar anschließenden Beschreibung der als charakteristisch erachteten Merkmale der Physiognomie des Betr. deutlich und zweifelsfrei erklärt, über die Beschreibung des Vorgangs der Beweiserhebung als solchen hinaus auf die am genannten Ort befindlichen Messfotos gemäß § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Be-zug zu nehmen und diese so zum Bestandteil der Gründe seines Urteils zu machen. Aufgrund der prozessordnungsgemäßen Bezugnahme kann der Senat deshalb die fraglichen Abbildungen aus eigener Anschauung würdigen und selbst beurteilen, ob sie als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind. Da die Lichtbilder zur Identifizierung des Betr. auch nach der Wertung des Senats als uneingeschränkt geeignet anzusehen sind, bedurfte es weiterer Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeug-führers, insbesondere einer Auflistung der charakteristischen Merkmale oder Darlegun-gen zum Maß der Merkmalsübereinstimmungen, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betr. stützt, nicht mehr.
aa) Ob das Tatgericht seinen Willen, zur Erleichterung der Abfassung der Urteilsgründe auf bei den Akten befindliche Abbildungen gemäß § 267 I 3 StPO i.V.m. § 71 I OWiG Bezug zu nehmen, um sie zum Bestandteil seiner Urteilsgründe zu machen, hinrei-chend deutlich zum Ausdruck gebracht hat, kann im Einzelfall nur unter Berücksichti-gung der Urteilsgründe in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Die Einhaltung einer be-sonderen Form, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts, die Verwendung einer ver-deutlichenden Floskel (“wegen der Einzelheiten“) oder gar die ausdrückliche Zitierung der Bestimmung des § 267 I 3 StPO schreibt weder das Gesetz vor (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 08.12.2006 – 5 Ss [OWi] 199/06 = VerkMitt 2007, Nr. 20 = VRS 112 [2007], 43), noch lässt sich diese Notwendigkeit aus übergeordneten Erwägungen, etwa aus dem Gesetzeszweck, herleiten. Entscheidend sind letztlich immer die für das Prinzip, dass die Urteilsgründe aus sich selbst heraus verständlich sein müssen, auch sonst zu wahrenden Gebote der Eindeutigkeit und der Bestimmtheit (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 5).
bb) Nach diesem Maßstab dürfen die keinem Selbstzweck dienenden Anforderungen an die Abfassung der tatrichterlichen Urteilsgründe, die nicht dazu dienen, den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise (womöglich lückenlos) zu dokumentieren, sondern lediglich das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der getroffenen Entscheidung ermöglichen sollen (st.Rspr.; vgl. neben BGH, Beschl. v. 04.09.1997 - 1 StR 487/97 = NStZ 1998, 51 u.a. BGH, Beschl. v. 11.04.2012 – 3 StR 108/12 = StV 2012, 706 = NStZ-RR 2012, 212; vgl. auch OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = StraFo 2016, 116 m.w.N.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 107), nicht grundlos überspannt werden. Hierauf liefe es jedoch gerade im auf verwaltungsrechtliche Pflichtenmahnung angelegten verkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren als Massenverfahren hinaus, eine den Anforderungen des § 267 I 3 StPO genügende Bezugnahme auf bei den Akten befindliche Abbildungen unter Aus-blendung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe unterschiedslos und pauschal mit der Begründung in Frage zu stellen, dass für deren Wirksamkeit die bloße Angabe der Fundstellen in den Akten regelmäßig nicht als ausreichend anzusehen sei. Erörtert der Tatrichter – wie hier – etwa bei Nennung der Fundstellen ausdrücklich, wenn auch knapp einzelne als signifikant erachtete und mit bestimmten Merkmalen der Physiog-nomie des in Augenschein genommenen Betr. übereinstimmende Besonderheiten, kann vielmehr an seinem auch nach außen erkennbaren eindeutigen Willen, die Abbildungen durch Bezugnahme zum Gegenstand der Urteilsgründe zu machen, kein Zweifel beste-hen. Schon nach allgemeiner Anschauung enthält die unter solchen Umständen ver-fasste Angabe der Fundstelle in den Akten die unmissverständliche Aufforderung an den Leser, nicht nur die Beschreibung des Gegenstands zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich bei Gelegenheit darüber hinaus durch dessen unmittelbare Betrachtung einen eigenen Eindruck zu verschaffen (BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 425/16 = StraFo 2016, 155 = NStZ-RR 2016, 178 = BGHR StPO § 267 I Satz 3 Verweisung 5). Der Verständniszusammenhang der Urteilsgründe wird hierdurch nicht tangiert, zumal die nur deskriptive Darlegung einiger signifikanter und vom Tatrichter wiedererkannter Gesichtspartien andernfalls als sinnlos anzusehen wäre (BGH a.a.O.). Dass das AG diese Merkmale nicht näher als geschehen beschrieben oder den Grad der Überein-stimmung mit den auf dem Messfoto erkennbaren Merkmalen nicht eingehender darge-legt hat, ist unschädlich. Denn die Überprüfung, ob der Betr. mit dem abgebildeten Fahrzeugführer tatsächlich identisch ist, steht dem Rechtsbeschwerdegericht ohnehin nicht zu und wäre ihm überdies gar nicht möglich. Die Nachprüfung durch das Rechts-beschwerdegericht ist vielmehr auf die durch die wirksame Bezugnahme und den hier-durch statthaften ‚Blick in die Akten‘ ermöglichte Überprüfung der generellen Ergiebig-keit der in Bezug genommenen Lichtbilder beschränkt (BGH, Beschl. v. 19.12.1995 - 4 StR 170/95 = BGHSt 41, 376/382 = DAR 1996, 98 = NJW 1996, 1420 = NZV 1996, 413 = MDR 1996, 512 = BGHR StPO § 267 I 3 Verweisung 2 = StV 1996, 413 = VerkMitt 1996, 89).
2. Gleichwohl unterliegt das angefochtene Urteil wegen eines anderen sachlich-rechtlich erheblichen Darstellungsmangels der Aufhebung. Wie die GenStA […] insoweit zutref-fend ausführt, genügen nämlich die Feststellungen des AG zur Ordnungsgemäßheit der (standardisierten) Geschwindigkeitsmessung nicht den nach den §§ 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO gebotenen Anforderungen.
a) Wenn auch in Bußgeldsachen als Massenverfahren an die Abfassung der Urteils-gründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen sind, kann für sie als alleini-ger Grundlage für die sachlich-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Urteils prinzi-piell nichts anderes gelten wie für Urteile im Strafsachen. Die Urteilsgründe müssen deshalb nach § 71 OWiG i.V.m. § 267 I, III StPO auch in Bußgeldsachen wenigstens so beschaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprü-fung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen. Dies gilt auch für die Beweiswür-digung, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in den Stand gesetzt wird, diese auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicher-te Erfahrungssätze zu überprüfen (st.Rspr., vgl. zuletzt u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 01.12.2015 – 3 Ss OWi 834/15 = ZfS 2016, 116 und OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.09.2016 – 2 [7] SsBs 507/16 [bei juris], jeweils m.w.N.; Göhler/Seitz § 71 Rn. 43 ff.).
b) Ausweislich der Urteilsgründe des AG „beruhen“ seine „Feststellungen“ zu der dem Betr. angelasteten Geschwindigkeitsüberschreitung neben dem in der mündlichen Ver-handlung gem. § 78 I OWiG eingeführten Messprotokoll nebst einem ergänzenden Schreiben der zuständigen Verkehrspolizeiinspektion, dem Eichschein, den Schulungs-nachweisen und den in Augenschein genommenen Lichtbildern mit den auf diesen enthaltenen und verlesenen Eintragungen sowie dem verlesenen Messprotokoll auf „dem schriftlichen Gutachten“ des Sachverständigen vom 30.12.2015 „nebst seiner mündlichen Stellungnahme und Gutachtenerstattung im Termin vom 18.05.2016“. Aus der weiteren Urteilsbegründung ergibt sich, dass der Betr. „die Korrektheit der Messung in Zweifel gezogen“ und „außerdem […] in Zweifel gezogen“ wurde, „dass es sich um ein standardisiertes Verfahren“ handele.
c) Bei dieser Sachlage durfte sich das AG mit Blick auf das Sachverständigengutachten jedoch nicht damit begnügen, die Ausräumung der geäußerten Zweifel nur damit zu begründen, dass der „Sachverständige […] im schriftlichen Gutachten sowie nachvoll-ziehbar im Rahmen seines mündlich in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens zu dem Ergebnis“ gelangt sei, „dass Messfehler auszuschließen“ seien und im Übrigen „die Voraussetzungen für ein standardisiertes Messverfahren […] aus sachverständiger Sicht“ vorlägen.
aa) Nachdem die Geschwindigkeitsmessung mit dem grundsätzlich die Voraussetzun-gen eines amtlich anerkannten sog. standardisierten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des Bundesgerichtshofs (grundlegend: BGH, Beschl. v. 19.08.1993 - 4 StR 627/92 = BGHSt 39, 291 und 30.10.1997 – 4 StR 24/97 = BGHSt 43, 277) erfüllenden Lasermessverfah-ren PoliScanSpeed durchgeführt wurde (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/13 = DAR 2014, 38 = OLGSt StPO § 261 Nr. 21 m.w.N.), wäre die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur erforderlich gewesen, wenn konkrete Anhalts-punkte für eine nicht ordnungsgemäße Messung bestanden hätten (OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]; vgl. zuletzt auch OLG Bamberg, Beschl. v. 04.04.2016 – 3 Ss OWi 1444/15 = DAR 2016, 337 = StRR 2016, Nr. 8 und 05.09.2016 – 3 Ss OWi 1050/16 = StraFo 2016, 461). Schon allein aus diesem Grund wäre das AG gehalten gewesen, näher darzulegen, weshalb es sich überhaupt zur Einholung bzw. Verwertung eines Gutachtens zur Beantwortung welcher Beweisfragen veranlasst gesehen hat.
bb) Erst recht durfte es sich jedoch nicht damit begnügen, lediglich das Ergebnis der sachverständigen Begutachtung mitzuteilen, weil dem Rechtsbeschwerdegericht allein mit diesen Angaben ohne zusätzliche Ausführungen wenigstens zu den wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens eine Beurteilung seiner Schlüssigkeit und damit die rechtliche Nachprüfung des Urteils als Ergebnis einer gegenüber der sachverständi-gen Wertung selbständigen Urteilsfindung schon im Ansatz verwehrt ist. Schließt sich das Tatgericht bei seiner Beweiswürdigung ohne weitere eigene Erwägungen den Aus-führungen des Sachverständigen an, müssen im Urteil deshalb die wesentlichen An-knüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen – wenigstens in zusammenfassender, im Einzelfall auch nur ‚gedrängter‘ Form – jeden-falls derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung zu ermöglichen, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsa-chengrundlage beruht und die gezogenen Schlussfolgerungen (Befundtatsachen) nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkennt-nissen der Wissenschaft möglich sind. Der jeweils gebotene Umfang der Darlegungs-pflicht hängt im Einzelfall von der Beweislage und der Bedeutung der Beweisfrage, die dieser für die Entscheidung zukommt, ab (st.Rspr.; vgl. neben BGHSt 39, 291/297 zuletzt u.a. BGH, Beschl. v. 02.04.2015 – 3 StR 103/15 [bei juris]; 06.05.2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 und v. 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305; ferner OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]; OLG Frankfurt, Beschl. v. 23.11.2015 – 1 Ss 386/15 = BA 53 [2016], 53; OLG Brandenburg, Beschl. v. 28.07.2015 – 53 Ss-OWi 278/15 [bei juris]; KG, Beschl. v. 09.07.2014 – 122 Ss 97/14 = VRS 127 [2014], 86 und OLG Celle, Beschl. v. 24.08.2016 – 2 Ss 98/16 [bei juris], jeweils m.w.N.; vgl. auch Göhler/Seitz § 71‚ Rn. 43d.; KK-OWiG/Senge § 71 Rn. 119; Meyer-Goßner/Schmitt § 267 Rn. 13 f.; KK/Kuckein § 267 Rn. 16 und LR/Stuckenberg § 267 Rn. 66, jeweils m.w.N.). Diesen hier schon aufgrund der vom Betr. angezweifelten Korrektheit der Messung und ihres ‚standardisierten‘ Ablaufs gebo-tenen Mindestanforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Ein Beruhen des Urteils auf dem Darstellungsmangel ist nicht auszuschließen.
II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Darstellungsmangels ist das ange-fochtene Urteil mitsamt den Feststellungen aufzuheben (§ 79 III 1 OWiG, § 353 I StPO).
III. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen (§ 79 VI OWiG). Für den Fall eines erneuten Schuldspruchs weist der Senat darauf hin, dass der Zeitablauf seit der Tatbegehung am 13.10.2014 Anlass zu der Prüfung geben könnte, ob von der Verhängung eines gegebenenfalls wiederum als verwirkt anzusehenden (Regel-) Fahr-verbots abzusehen ist (vgl. hierzu u.a. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 31.03.2014 – Ss [B] 18/14 = VRS 126, 203 und OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2012 – 3 RBs 364/11 = DAR 2012, 340 jeweils m.w.N.; vgl. zuletzt auch OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2015 – 1 OWi Ss Bs 47/15 [bei juris] und KG, Beschl. v. 25.03.2015 – 162 Ss 4/15 [bei juris] und 02.10.2015 – 162 Ss 109/15 = VRS 129 [2015], Nr. 32). […]


Einsender: RiOLG Dr. G.Gieg, Bamberg

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