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Entscheidungen

StPO

Verteidigervollmacht, Vertretung in der Hauptverhandlung, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 24.11.2016 - RVs 82/16 und 5 Ws 360/16

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die schriftliche Verteidigervollmacht bei Nichterscheinen des Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung.


In pp.
Die sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.

Die Revision wird als offensichtlich unbegründet verworfen.

Die Kosten beider Rechtsmittel sowie die dem Nebenkläger X durch diese entstandenen notwendigen Auslagen trägt der Angeklagte.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Essen hat den Angeklagten mit Urteil vom 03. November 2015 wegen gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat das Landgericht Essen mit Urteil vom 22. Juni 2016 nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28. Juni 2016 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt und zugleich Revision eingelegt. Die Revision hat er mit weiterem Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. Juli 2016 mit einer Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO sowie den Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung hat das Landgericht Essen mit Beschluss vom 02. September 2016 verworfen.

Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. September 2016 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie vom Senat erkannt worden ist.

II.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift vom 06. Oktober 2016 zu den Rechtsmitteln des Angeklagten wie folgt Stellung genommen:

„Weder die sofortige Beschwerde noch die Revision haben Erfolg.

a) Die gem. §§ 329 Abs. 7, 46 Abs. 3 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht (§§ 329 Abs. 7, 44 Satz 1, 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Landgericht Essen hat den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht verworfen.

Nach §§ 329 Abs. 7, 44 Satz 1, 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 StPO kann der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er ohne Verschulden verhindert war, an der Berufungshauptverhandlung teilzunehmen. Gem. § 329 Abs. 7 in Verbindung mit § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO sind binnen Wochenfrist nach Wegfall des Hindernisses alle Tatsachen so vollständig vorzutragen, dass ihnen – als wahr unterstellt – die unverschuldete Verhinderung des Angeklagten ohne Weiteres entnommen werden kann. Hierzu bedarf es einer genauen Darstellung der Tatsachen, die für die Frage bedeutsam sind, wie und durch welche Umstände es zur Versäumung der Berufungshauptverhandlung gekommen ist. Nach Fristablauf kann der Tatsachenvortrag allenfalls verdeutlicht oder ergänzt werden (OLG Hamm, NZV 2009, 158 m.w.N.). Zwar ist eine Krankheit, wenn sie nach Art und Auswirkungen eine Beteiligung an der Hauptverhandlung unzumutbar macht (zu vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1984, 331), ein Entschuldigungsgrund. Jedoch hat der Angeklagte detailliert darzulegen, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung bei ihm vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Angeklagten nicht gerecht. Darüber hinaus wird die Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten auch bestätigt durch die Auskunft des Dr. med. T in F, eingegangen bei dem Landgericht Essen am 17.08.2016 (Bl. 235-236 d. A.).

Der sofortigen Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.

b) Die zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag eingelegte Revision ist gem. § 342 StPO statthaft und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Mit der rechtskräftigen Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrags ist die Entscheidung des Senats über die Revision veranlasst (§ 342 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Gegen ein die Berufung verwerfendes Prozessurteil kann mit der Revision auf entsprechende Verfahrensrüge nur geltend gemacht werden, dass § 329 StPO verletzt worden sei.

Mit der Revision wird zwar eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO gerügt und insoweit beanstandet, dass der abwesende Angeklagte durch einen mit schriftlicher Vertretungsvollmacht ausgestatteten und vertretungsbereiten Verteidiger vertreten gewesen sei. Jedoch ist die Rüge insoweit nicht in der von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO geforderten Form ausgeführt und daher unzulässig (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.11.2013 - III - 5 RVs 95/13 - m.w.N.). Danach muss eine Verfahrensrüge so ausgeführt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Revisionsrechtfertigungsschrift prüfen kann, ob der geltend gemachte Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Da sich die Rüge dagegen richtet, das Berufungsgericht habe die Berufung des Angeklagten verworfen, obwohl ein Verteidiger mit schriftlicher Vertretungsvollmacht in der Berufungsverhandlung erschienen sei, hätte es des Vortrages bedurft, dass eine solche schriftliche Vollmacht für den Verteidiger in der vorliegenden Strafsache erteilt worden sei. Dies ist nicht der Fall. Der Angeklagte trägt in der Revisionsbegründung lediglich vor, dass sein Verteidiger in der Berufungsverhandlung die schriftliche Vollmacht zu den Akten gereicht habe. Nach dem Vortrag des Angeklagten lautet der Wortlaut der Vollmacht auszugweise: „… wird hiermit in der Strafsache gegen L Prozessvollmacht erteilt …“ (Bl. 210 d. A.). Damit wird zwar deutlich, dass sich die Vollmacht auf eine bestimmte Angelegenheit beziehen soll, offen bleibt aber bereits, auf welche Strafsache, so dass die Rüge nicht in der gebotenen Form ausgeführt und daher unzulässig ist.

Auch mit der nicht näher ausgeführten Sachrüge hat die Revision keinen Erfolg. Da das Verwerfungsurteil nach § 329 StPO als reines Prozessurteil keine Sachentscheidung in Bezug auf den Verfahrensgegenstand trifft, ist es einer Überprüfung im Hinblick auf Fehler bei der Anwendung des sachlichen Rechts nicht zugänglich. Die Sachrüge führt nur zur Prüfung, ob im Revisionsverfahren Verfahrenshindernisse entstanden sind (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 16.05.2013 - 5 RVs 34/13 - zitiert nach juris). Letzteres ist nicht der Fall.“

Diesen zutreffenden Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft schließt sich der Senat an, wobei ergänzend noch Folgendes anzumerken ist:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung war zu verwerfen. Der Angeklagte hat nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er ohne eigenes Verschulden an der Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung am 22. Juni 2016 gehindert war.

Voraussetzung für ein zulässiges Wiedereinsetzungsgesuch nach §§ 329 Abs. 7, 45 StPO sind u. a. konkrete Angaben zum Hinderungsgrund. Diesem Erfordernis genügt der Antragsteller nur, wenn er im Einzelnen die Umstände vorträgt, die dazu geführt haben, dass ihm die Teilnahme an der Hauptverhandlung nicht zuzumuten war. Beruft er sich auf eine Erkrankung, ist deren Art anzugeben sowie der Umfang der von ihr ausgehenden körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen darzulegen. Es ist detailliert anzugeben, welche konkrete Symptomatik der behaupteten Erkrankung beim Antragsteller vorlag und ihn am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderte (vgl. OLG Braunschweig, NStZ 2014, 289; OLG Hamm, NZV 2009, 158; OLG Köln, NStZ-RR 2009, 112).

Diesen Anforderungen genügen der Vortrag des Angeklagten sowie die von ihm vorgelegten Bescheinigungen nicht. Welche Auswirkungen bzw. Beeinträchtigungen die vom Angeklagten behauptete „Durchfallerkrankung“ konkret hatte, die seiner Terminsteilnahme hätten entgegenstehen können, wird nicht ansatzweise dargelegt. Insoweit führt der Angeklagte lediglich aus, es sei eine medikamentöse Behandlung mit dem Mittel Tannacomp FTA erfolgt. Die Behandlung des Angeklagten mit diesem Mittel spricht allerdings gegen schwerwiegende Krankheitssymptome, da es sich bei dem Mittel um ein nicht verschreibungspflichtiges, also grundsätzlich rezeptfreies Medikament handelt, das insbesondere auch zur Vorbeugung und Behandlung von Reisedurchfällen verwendet wird. Hätte der Angeklagte erheblich unter den Folgen einer schweren Magen-/Darmerkrankung zu leiden gehabt, wäre mit Sicherheit ein stärkeres Medikament zur Behandlung verordnet worden. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung wäre in einem solchen Fall wahrscheinlich sogar der Einsatz mehrerer Medikamente erfolgt.

Eine andere Beurteilung der Sachlage ergibt sich auch nicht aus den Angaben des den Angeklagten behandelnden Arztes Dr. T im Rahmen der von der Strafkammer eingeholten Auskunft. Als vom Angeklagten geschilderte Krankheitssymptome werden seitens des Arztes lediglich „Durchfall“ und „Sodbrennen“ angegeben. Hierbei handelt es sich eindeutig nicht um besonders schwere krankheitsbedingte Beeinträchtigungen des Angeklagten. Dies wird von Dr. T ersichtlich ebenso gesehen. So stellt er ausdrücklich fest, dass „die Erkrankung keinen Grund ergibt, nicht an der Verhandlung (gemeint ist die Verhandlung vor der Strafkammer) teilzunehmen“. Er bescheinigt zugleich, dass der Angeklagte seine Praxis nach der Untersuchung eigenständig, also ohne irgendwelche Probleme, verlassen konnte und auch eine weitere Behandlung wegen der Erkrankung nicht erfolgte.

Damit hat der Angeklagte weder nachvollziehbar vorgetragen, dass ihm eine Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung krankheitsbedingt nicht möglich war, noch hat er dies in irgendeiner Weise glaubhaft gemacht.

Mit Ablehnung des Wiedereinsetzungsantrages ist die Entscheidung des Senats auch über die Revision veranlasst (§ 342 Abs. 2 S. 2 StPO).

Die Revision des Angeklagten war als offensichtlich unbegründet gem. § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

Wie von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend festgestellt, ist die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge zur Geltendmachung einer Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO bereits unzulässig, da sie nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO entspricht.

Erforderlich für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge i. S. d. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO ist insoweit insbesondere der Vortrag, dass der Verteidiger eine schriftliche Vertretungsvollmacht seitens des Angeklagten vorweist. Weiterhin ist anzugeben, dass sich die Vertretungsvollmacht, die auch in dem Vollmachtsformular zur Verteidigerbeauftragung enthalten sein kann, zumindest auch auf das vorliegende, also jeweils betroffene Verfahren bezieht. Es ist deutlich zu machen, dass sich die vom Angeklagten erteilte Vollmacht auch auf das konkrete Berufungsverfahren bezieht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06. September 2016 in 4 RVs 96/16, StRR 2016, Nr. 11, 2).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Nach dem Revisionsvorbringen hat der damalige Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt pp., in der Berufungshauptverhandlung unter Bezugnahme auf die von ihm eingereichte Strafprozessvollmacht erklärt, gem. § 329 Abs. 1 StPO ermächtigt zu sein, auch ohne den Angeklagten verhandeln zu können. In dem Formulartext der Strafprozessvollmacht vom 03. Februar 2016 heißt es jedoch lediglich, dass dem Verteidiger „in der Strafsache gegen L“ Prozessvollmacht erteilt wird. Um welches Strafverfahren genau es sich handelt und ob sich die Vollmacht auch auf die Berufungshauptverhandlung im vorliegenden Verfahren beziehen soll, bleibt offen.

Notwendig für eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge betreffend eine Verletzung des § 329 Abs. 1 StPO ist nämlich auch der Vortrag, dass sich der verteidigungs- und vertretungsbereite Verteidiger auf eine ihm in schriftlicher Form erteilte besondere Vollmacht des abwesenden Angeklagten berufen und diese dem Gericht nachgewiesen hat. Angesichts der weitreichenden Folgen, die die Vertretung des abwesenden Angeklagten durch den Verteidiger in der Hauptverhandlung für ersteren haben kann, muss die schriftlich vom Angeklagten erteilte Vertretungsvollmacht ausdrücklich auch die (Abwesenheits-) Vertretung in der Berufungshauptverhandlung erfassen. Nur dann kann von einer zulässigen Vertretung i. S. d. § 329 Abs. 1 StPO überhaupt ausgegangen werden. Der Angeklagte muss sich schließlich an den inhaltlichen Erklärungen seines Verteidigers in der Hauptverhandlung festhalten lassen, als wären sie seine eigenen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16. Mai 2014 in (4) 161 Ss 71/14 (106/14), StRR 2015, 64, Beschluss vom 16. September 2015 in (2) 121 Ss 141/15 (51/15), StRR 2015, 402; OLG Hamm, Beschluss vom 21. November 2013 in 5 RVs 95/13, Beschluss vom 14. Juni 2012 in 1 RVs 41/12).

In dem Formulartext der Strafprozessvollmacht heißt es hierzu jedoch lediglich:

„Die Vollmacht erstreckt sich auf meine Verteidigung und Vertretung in allen Instanzen sowie im Vorverfahren – ebenfalls für den Fall meiner Abwesenheit in einer Verhandlung -.“

Abgesehen davon, dass schon nicht ersichtlich ist, ob sich die Strafprozessvollmacht überhaupt auf das vorliegende Berufungsverfahren bezieht, nimmt der Formulartext der Vertretungsbefugnis des Verteidigers nicht ausdrücklich auf eine Abwesenheitsverhandlung i. S. d. § 329 Abs. 1 StPO Bezug. Damit ist nach dem Revisionsvorbringen auch die für eine Vertretung des ausgebliebenen Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung nach § 329 Abs. 1 StPO erforderliche besondere schriftliche Vollmacht nicht feststellbar.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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