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Entscheidungen

StPO

Urteilsunterschrift, Fehlen, Berufungsbeschränkung, Wirksamkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 22.11.2016 - (3) 161 Ss 191/16 (122/16)

Leitsatz: Das Fehlen der richterlichen Unterschrift unter den Urteilgründen steht dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleich.


Beschluss
In der Strafsache gegen
1. pp.
2. pp.
wegen Computerbetrugs u. a.
hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 22. November 2016 beschlossen:

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revisionen — an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagten am 21. März 2016 wegen Computerbetrugs in Tateinheit mit Fälschung beweiserheblicher Daten in 60 Fällen schuldig gesprochen und zu Freiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die mit Gründen versehene Urteilsurkunde ist am 31. März 2016 auf der Geschäftsstelle eingegangen. Sie war nicht unterschrieben, und sie ist durch den Strafrichter auch in der Folge nicht unterzeichnet worden. Beide Angeklagte haben gegen das Urteil Berufung eingelegt und erklärt, diese auf die Rechtsfolgen zu beschränken. Das Landgericht hat die Berufungen — nach Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 2 StPO in Bezug auf je eine Tat mit der Maßgabe verworfen, dass die Angeklagten in 59 Fällen schuldig sind und die gegen die Angeklagten verhängte Strafe auf ein Jahr und fünf Monate herabgesetzt wird. Die Strafkammer ist von einer wirksamen Beschränkung der Rechtsmittel ausgegangen und hat die daher für rechtskräftig gehaltenen Feststellungen der amtsgerichtlichen Urteilsurkunde wörtlich wiedergegeben. Gleichfalls folgerichtig hat das Landgericht diese Feststellungen keiner Richtigkeitskontrolle unterzogen. Die gegen das Urteil des Landgerichts gerichteten Revisionen der Angeklagten haben Erfolg.

1. Auf die wirksam erhobene Sachrüge hat der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob das Landgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst werden (vgl. Senat VRS 115, 137; OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 250; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl., §.352 Rn. 4 m.w.N..). Wenn die Anfechtung des Urteils nur dem Rechtsfolgenausspruch gelten soll, setzt dies grundsätzlich voraus, dass die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils den Schuldspruch tragen und eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgen bieten. Beides ist hier nicht der Fall.

In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt, dass das Fehlen der richterlichen Unterschrift abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des Fehlens (nur) der Unterschrift eines Richters bei der Entscheidung durch ein Kollegialgericht dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichsteht (BGHSt 46, 204; OLG Frankfurt NStZ-RR 2010, 250 m.w.N. ; Saarländisches OLG, Beschluss vom 20. Mai 2016 - Ss 28/16 [21/16] — m.w.N. [juris]; OLG Schleswig SchIHA 2002, 172 [Volltext bei juris]; Meyer-Goßner/Schmitt aa0, § 318 Rn 16 m.w.N.). Bei dem hier zu den Akten gebrachten Schriftstück, das keine richterliche Unterschrift trägt, dessen Feststellungen die Strafkammer aber als bindend angesehen hat, handelt es sich damit um kein Urteil, sondern lediglich um den Entwurf des schriftlichen Urteils (vgl. KG, Beschluss vom 8. August 2016 4 Ss 108/16 —; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Oktober 2015 - 2 [7] SsBs 467/15 ® [juris]). Als solcher schied es als Grundlage für die vom Berufungsgericht zu treffende Rechtsfolgenentscheidung aus. Die von den Angeklagten erklärte Beschränkung ihrer Berufungen ist daher unwirksam (vgl. OLG Frankfurt aa0; Saarländisches OLG a.a.O. m.w.N.).
Da das Landgericht aber von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist, hat es nur noch ergänzende Feststellungen zum Schuld- und Strafausspruch getroffen. Damit verfehlt das Urteil die Anforderungen des § 267 StPO, namentlich fehlen die „für erwiesen erachteten Tatsachen (...), in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden" (§ 267 Abs. 1 'Satz 1 StPO).

2. Die das nicht unterschriebene Urteil betreffende Zustellungsverfügung des Amtsrichters kann die Urteilsunterschrift nicht ersetzen (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Düsseldorf VRS 72, 118). Nach Ablauf der in § 275 StPO bestimmten Frist konnte der Mangel auch nicht mehr behoben werden (vgl. BGH NStZ-RR 2000, 237). Er ist schließlich auf die Sachrüge (BGHSt 46, 204) und damit auch bei der von Amts wegen veranlassten Prüfung der Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung zu beachten (OLG Frankfurt a.a.O.; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 24 [Revisionsbeschränkung]).

3. Für den neuen Rechtsgang weist der Senat darauf hin, dass die fehlende Unterschrift der allerdings vollständigen — Durchführung der Hauptverhandlung nicht entgegensteht. Denn formale Fehler im erstinstanzlichen Urteil sind in der Berufungsinstanz regelmäßig ohne Bedeutung. Das Rechtsmittel kann daher auch durchgeführt werden, wenn das erstinstanzliche Urteil gar keine Gründe enthält (vgl. Saarländisches OLG a.a.O. m.w.N.). Für den hier vorliegenden geringeren Form- und Verfahrensfehler gilt nichts anderes.


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