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Entscheidungen

StPO

Urkunde, Verlesung, Augenscheinseinnahme, Urteilsgründe, Einlassung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.03.2017 - 3 RVs 4/17

Leitsatz: 1. Eine Urkunde kann Gegenstand des Augenscheins nur dann sein, wenn es auf ihr Vorhandensein oder ihre äußere Beschaffenheit ankommt. Soweit ihr Inhalt beweiserheblich ist, ist dieser zu verlesen.
2. Das Tatgericht hat in den Urteilsgründen die vorgenommene Beweiswürdigung darzulegen. Dafür ist das für die Entscheidung Wesentliche darzustellen. Hierzu gehört auch eine Schilderung, ob und ggf. wie sich der Angeklagte eingelassen hat.


OLG Düsseldorf
BESCHLUSS
III-3 RVs 4/17
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Vortäuschens einer Straftat
hat der 3. Strafsenat durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht am 22. März 2017 auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 25. Juli 2016 (24 Ds 116/15) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig gemäß-§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Wuppertal zurückverwiesen.

Gründe:

I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten.

Die Revision hat mit der Verfahrensrüge sowie mit der Sachrüge (vorläufig) Erfolg und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils sowie Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.

1. Das Amtsgericht hat — wie die Revision mit der zulässig erhobenen Verfahrensrüge zu Recht beanstandet — in seine Beweiswürdigung den Inhalt nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführter Urkunden einbezogen und damit gegen § 261 StPO verstoßen.

Das Amtsgericht hat festgestellt, der Angeklagte habe von einem als Mietkautionskonto für seinen ehemaligen Vermieter eingerichteten Sparkonto am 26. Januar 2004 eine Barauszahlung in Höhe von 600 Euro sowie eine Umbuchung auf sein Girokonto in Höhe von 300 Euro erreicht. Es hat sich hierbei auf Kopien der beiden Auszahlungsbelege sowie eine Kontoverdichtung gestützt und unter anderem ausgeführt, die Kopien der Auszahlungsbelege seien als Beweismittel im Wege der freien Beweiswürdigung verwertet worden.

Die Auszahlungsbelege und die Kontoverdichtung sind in der Hauptverhandlung indes nicht gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO verlesen, sondern in Augenschein genommen worden. Eine Urkunde kann Gegenstand des Augenscheins aber nur dann sein, wenn es auf ihr Vorhandensein oder ihre äußere Beschaffenheit ankommt (Meyer-Goßner, StPO, 59. Auflage, § 249 Rn. 7 m. w. N.). Soweit ihr Inhalt — wie hier — beweiserheblich ist, ist dieser zu verlesen (vgl. BGH, NStZ 1999, 424). Der Senat schließt auch insbesondere mit Blick darauf, dass der Tatrichter die Schriftstücke in Augenschein genommen hat, aus, dass der Inhalt der Urkunden auf andere zulässige Weise, etwa durch einen Vorhalt, zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist (vgl. dazu Meyer-Goßner, a. a. O., § 261 Rn. 38a m. w. N.).

In der Einbeziehung des Inhalts der somit nicht ordnungsgemäß im Wege des Urkundenbeweises in die Hauptverhandlung eingeführten Schriftstücke in die Beweiswürdigung liegt ein Verstoß gegen § 261 StPO, wonach die Überzeugungsbildung des Tatgerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu schöpfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2013, 1 StR 532/12, juris; Karlsruher Kommentar/Diemer, StPO, 7. Auflage, § 249 Rn. 52, beck-online). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf diesem Verfahrensverstoß beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

2. Darüber hinaus hält auch die weitere tatrichterliche Beweiswürdigung in den Gründen des angefochtenen Urteils einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft und weist insofern einen Rechtsfehler auf (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 337 Rn. 26 ff.).

Das Tatgericht hat in den Urteilsgründen die vorgenommene Beweiswürdigung darzulegen. Dafür ist das für die Entscheidung Wesentliche darzustellen. Hierzu gehört auch eine Schilderung, ob und ggf. wie sich der Angeklagte eingelassen hat (BGH, NStZ 2015, 299; BGH, Beschluss vom 27. September 1983, 4 StR 550/83, juris; Meyer-Goßner, a. a. 0., § 267 Rn. 12). Denn ohne die dem Revisionsgericht durch die Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten in den Urteilsgründen vermittelte Kenntnis seiner Angaben kann nicht nachgeprüft werden, ob der Tatrichter die Bedeutung der Einlassung des Angeklagten zutreffend erkannt und bewertet und sich unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft hat (BGH, NStZ-RR 1999, 45; BGH, NStZ 2015, 299).

Hier wird in den Urteilsgründen schon nicht mitgeteilt, ob der Angeklagte sich überhaupt zu dem Anklagevorwurf geäußert hat. Soweit ausgeführt wird, die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen Geruhten auf den Angaben des Angeklagten, und darüber hinaus keine Einlassung des Angeklagten wiedergegeben wird, lässt dies nicht den Schluss zu, er habe über Erklärungen zu seiner Person hinaus keine Angaben zur Sache gemacht (vgl. BGH, NStZ 2015, 299). Dieser Schluss kann ebensowenig daraus gezogen werden, dass in der Beweiswürdigung auch im Weiteren eine Einlassung des Angeklagten zum Tatvorwurf nicht erwähnt und lediglich auf Ausführungen des Verteidigers des Angeklagten im Plädoyer eingegangen wird. Insoweit ist nämlich nicht erkennbar, ob das angefochtene Urteil eine Darstellung einer Einlassung des Angeklagten zum Tatvorwurf enthält, weil er sich nicht geäußert hat, oder die Wiedergabe einer tatsächlich erfolgten Einlassung und die weitere Auseinandersetzung mit dieser schlicht versäumt wurden.

Wegen dieser lückenhaften Darstellung ist eine Überprüfung der tatrichterlichen Überzeugungsbildung nicht möglich. Es kann bereits nicht nachvollzogen werden, ob eine Einlassung des Angeklagten vorliegt, mit der das Tatgericht sich vor dem Hintergrund der weiteren Beweismittel hätte auseinandersetzen müssen. Insofern kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht.

Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass kein Verfahrenshindernis vorliegt. Die Anklageschrift genügt den Anforderungen des § 200 Abs. 1 StPO. Insoweit wird auf die diesbezüglichen Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift vom 11. Januar 2017 Bezug genommen.


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