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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Widerruf der ärztlichen Approbation, Einstellung des Strafverfahrens

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Köln, Urt. v. 30.05.2017 - 7 K 1352/17

Leitsatz: Der Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit setzt nicht voraus, dass das zum Gegenstand des Widerrufs gemachte berufswidrige Verhalten des Arztes die Grenze der Strafbarkeit überschreitet.


In pp.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:
Der 1953 geborene Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Approbation als Arzt.
Am 05.07.1991 erteilte ihm das Regierungspräsidium T. die Approbation. Von 2007 bis 2016 war er in eigener Praxis in X. als Chirurg tätig. In dieser Zeit führte die Staatsanwaltschaft Köln folgende Ermittlungsverfahren gegen ihn:
Im Verfahren 174 Js 1335/08 ermittelte die Staatsanwaltschaft, weil der Kläger eine am 23.09.2008 16 Jahre alte Patientin während der Behandlung einer Sehnenscheidenentzündung mit seinem Daumen über den Handrücken gestreichelt, anschließend ihre Jacke geöffnet, die Patientin an ihrer Hüfte gefasst und zu sich herangezogen haben soll. Diesbezüglich sagte der Kläger bei der Beschuldigtenvernehmung, „Hände nehmen“ sei bei ihm normale Praxis. Wenn er sehe, dass jemand Angst oder Stress habe, nehme er die Hand oder die Hände, um eine Vertrauensbasis zu schaffen bzw. zu beruhigen. Da mache er keine Ausnahme. Das mache er bei allen seinen Patienten. Auch wenn er operiert habe, komme es vor, dass er einem mal die Hand auf die Schulter lege. Diese Art komme bei seinen Patienten auch gut an.
Im Zusammenhang mit diesen Ermittlungen sagte eine andere ebenfalls 16 Jahre alte Patientin des Klägers aus, dieser habe sie vor einer Operation in der Achselhöhle untersucht, dabei den Träger ihres Büstenhalters über die Schulter heruntergezogen und dadurch auch teilweise ihre Brust entblößt. Sie meinte, er hätte die ambulante Operation auch durchführen können, ohne ihr den Büstenhalter herunter zu ziehen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gemäß § 153 Abs. 1 StPO ein, weil der Kläger bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten sei, erwartet werden könne, dass er durch das bisherige Ermittlungsverfahren hinreichend beeindruckt und gewarnt sei und eine sexuelle Motivation für die Tat nicht zweifelsfrei feststellbar sei.
Im Verfahren 43 Js 161/09 wurde dem Kläger vorgeworfen, eine bei ihm beschäftigte auszubildende Arzthelferin über einen Zeitraum von ca. einem Jahr regelmäßig sexuell belästigt zu haben, indem er u.a. seine Hand in ihre Hose gesteckt und ihr Gesäß umfasst habe. Er habe ihr gesagt, „Klapse“ gäbe es, wenn sie „schlecht“ sei, und „Streicheleinheiten“ gäbe es, wenn sie etwas „gut gemacht“ habe. Als er einmal seine Hand unter ihrem Jackett auf ihr T-Shirt gelegt und über ihren Rücken gestrichen habe, habe sie ihm gesagt, dass sie dies nicht möchte und sei weggegangen. Da habe er gesagt, dass sie das als Auszubildende müsste. Außerdem soll der Kläger einmal versucht haben, die Beschäftigte auf den Mund zu küssen. Er habe sie geduzt, wenn beide allein gewesen seien und ansonsten gesiezt. Er habe sie „Mäuschen“ genannt, auch wenn andere dabei gewesen seien. Auch habe er ihr gesagt, dass er einer anderen Mitarbeiterin, mit der sie Probleme gehabt habe, nur ihretwegen gekündigt habe. Im Rahmen der Ermittlungen äußerte eine als Fitnesstrainerin tätige Patientin, dass der Kläger während einer Behandlung wegen eines Hexenschusses ihr die Unterhose ausgezogen und eine medizinisch nicht angezeigte „Übung“ habe machen lassen. Als der Kläger ihr gesagt habe, dass es ihr doch wohl nichts ausmache, dabei mit ihm allein zu sein, habe sie ihm resolut gesagt, dass ihr das sehr wohl etwas ausmache und sie sich sehr unangenehm in der ganzen Situation fühle. Danach habe er sein Vorgehen abgebrochen. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren nach § 170 StPO ein, da die Schwelle der Strafbarkeit nach der damaligen Rechtslage nicht überschritten gewesen sei, auch wenn dieses Ergebnis mit dem überwiegenden ethischen und moralischen Empfinden nicht vereinbar sei.
Im Verfahren 195 Js 127/10 ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs, der Kläger habe eine Auszubildende am Tag ihres 17. Geburtstags auf den Mund geküsst und ihr danach gesagt, sie dürfte mit niemandem darüber sprechen. Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da es sich dabei nicht um eine im strafrechtlichen Sinne erhebliche sexuelle Handlung gehandelt habe. Für eine Verfolgung als Beleidigung fehle es an einem Strafantrag.
Im Verfahren 34 Js 175/11 ging es um dem Vorwurf, der Kläger habe bei Patientinnen und Kindern nicht notwendige und allein sexuell motivierte Untersuchungen im Anal- bzw. Genitalbereich durchgeführt. Er habe auch bei minderjährigen Mädchen im Beisein der Mütter und einer Helferin ohne Vorbereitung oder Aufklärung sogenannte „Analuntersuchungen“ durchgeführt. Eine Patientin habe über mehrere Stunden „Analdehnungen“ ohne vorstellbaren medizinischen Grund über sich ergehen lassen müssen. Bei einer etwa 18 Jahre alten Patientin habe er eine sehr ausführliche „Analuntersuchung“ gemacht und dabei klassische Musik aufgelegt. Bei einer anderen Patientin habe er den Finger einer Arzthelferin für eine „Analweitung“ in den After eingeführt. Als sich die Vorwürfe hinsichtlich dieser „Analuntersuchungen“ in einem Gespräch mit den Mitarbeiterinnen zugespitzt hätten, habe er zugegeben, „seine Neigungen“ zu haben und therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen zu wollen. Außerdem habe er mit seinem Handy Fotos von den Körpern der Patientinnen gemacht. Die Arbeitsverträge habe er ca. 300 bis 600 Euro unter Tarifgehältern abgeschlossen. Hinsichtlich Arbeitsstundenzahl und Urlaubstagen habe er Arbeitsverträge mündlich geändert. Auch habe er seinen Beschäftigten verboten, Kontakt mit einer ehemaligen Beschäftigten zu haben. Er habe seine Beschäftigten zu deren Privat- und Intimleben befragt und in dieser Richtung psychischen Druck ausgeübt. Beschäftigte hätten etwa keinen Freund haben, sich von ihrem Partner trennen, wieder Kontakt mit Familienangehörigen haben, ihr Hobby aufgeben oder keine Fahrerlaubnis anstreben sollen. Patientinnen, die „schlank, blond und sympathisch“ gewesen seien, seien als in seinen Worten „Patientinnen mit einer besonderen Aufmerksamkeitsbehandlung“ bei Rückenbeschwerden in sein Privatzimmer gebeten worden. Patientinnen, die „dick, adipös“ gewesen seien, habe er immer auf die peinlichste Art auf das Gewicht angesprochen und schnellstens abgefertigt. Die Tochter einer Patientin habe er zu einer abendlichen „Psychotherapie“ eingeladen. Jungen, die wegen Platt/Senkfüßen gekommen seien, habe er an den Geschlechtsorganen untersucht, um nach Leisten- und Nabelbrüchen zu suchen. Er habe den Beschäftigten im Nachhinein gesagt, er müsse dies tun, „damit wir Operationen bekommen“. Wenn er eine Vorhautverengung festgestellt habe, habe er den Jungen erklärt, dass eine radikale Zirkumzision viel besser sei, da sie beim späteren Sex mit Frauen viel mehr davon hätten. Einer Patientin, die postoperativ über Bauchschmerzen geklagt habe, habe er ohne vorher zu fragen die Hose geöffnet und sei „vorne in die Hose reingegangen“. Als die Patientin nachgefragt habe, was dies jetzt solle, habe er gesagt, „ach ihr deutschen Frauen stellt euch immer so an“. Er habe Beschäftigte an Urlaubs- und Sonntagen angerufen und in die Praxis beordert. Das Verfahren wurde nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da der Tatbestand der Körperverletzung nicht erfüllt gewesen sei und die Notwendigkeit der Untersuchungen nicht mit der für die Anklage erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen haben werden könne.
Im Verfahren 251 Js 222/14 wurde dem Kläger sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses in zwei Fällen vorgeworfen. Demnach soll er Anfang 2013 der im Oktober 1998 geborenen Patientin bei einer Behandlung wegen Rücken- und Hüftproblemen Kortisonspritzen in den Rücken, die Hüften und die Leiste verabreicht haben. Unter dem Vorwand, den Wirkstoff im Körper der Patientin zu verteilen, soll er das Gesäß der Patientin massiert haben, die mit unbekleidetem Unterleib vor ihm gelegen habe, und soll seine Hand von hinten an die Scheide der Patientin geführt und sie hier für knapp eine Minute berührt haben. Sodann soll er mindestens einen Finger in die Scheide der Patientin eingeführt und diese dabei Schmerzen erlitten haben. Eine medizinische Indikation habe hierfür nicht bestanden. Am 20.05.2014 soll der Kläger den Kopf der wiederum zur Behandlung der Hüfte erschienenen Patientin zwischen die Hände genommen, festgehalten und die Patientin auf den Mund geküsst haben. Nach einem kurzen Gespräch über ihr Befinden und ihre Lebenssituation soll er sie erneut auf den Mund geküsst und ihr 20 Euro gegeben haben, die sie habe behalten sollen. Nach einer Röntgenuntersuchung habe er die Patientin aufgefordert, die Unterhose auszuziehen. Während er ihre eingecremte Hüfte massiert habe, soll er sie gefragt haben, ob sie ihn vermisst habe. Bei der Massage von Rücken, Gesäß und Hüfte der Patientin soll diese Beine und Gesäß fest angespannt haben, um Berührungen an ihrer Scheide zu verhindern. Unter dem 07.10.2015 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Amtsgericht - Jugendschöffengericht als Jugendschutzgericht - in Bergisch Gladbach.
Mit Bescheid vom 18.12.2015 ordnete das beklagte Land das Ruhen der Approbation des Klägers sowie die sofortige Vollziehbarkeit an. Hiergegen erhob er Klage (Az. 7 K 257/16) und beantragte vorläufigen Rechtsschutz (Az. 7 L 100/16). Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht Köln mit Beschluss vom 15.02.2016 ab. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde änderte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen den verwaltungsgerichtlichen Beschluss und stellte die aufschiebende Wirkung der Klage 7 K 257/16 wieder her (Az. 13 B 275/16). Zur Begründung führte das Oberverwaltungsgericht aus, dass zwar Überwiegendes dafür spreche, dass sich die Ruhensanordnung im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig erweisen werde. Dass die Anschuldigungen offensichtlich haltlos wären, sei gegenwärtig nicht anzunehmen. Allerdings fehle es gegenwärtig an einem besonderen Vollzugsinteresse, das die sofortige Vollziehung der Ruhensanordnung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 31.05.2016 (Az. 7 K 257/16) ab. Der Kläger beantragte daraufhin beim Oberverwaltungsgericht, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen (Az. 13 A 1577/16).
Das Amtsgericht Bergisch Gladbach stellte das Verfahren 251 Js 222/14 am 29.11.2016 ein, nachdem die Anklage aufgrund des Ergebnisses eines vom Amtsgericht angeordneten aussagepsychologischen Gutachtens zurückgenommen worden war. Es habe sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht mehr mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachweisen lassen, dass die Schilderungen der Geschädigten tatsächlich auf Erlebtem beruhen.
Das beklagte Land hob daraufhin den Bescheid vom 18.12.2015 mit Bescheid vom 06.12.2016 auf, teilte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, seine Approbation zu widerrufen und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Oberverwaltungsgericht stellte das Rechtsmittelverfahren mit Beschluss vom 15.12.2016 (Az. 13 A 1577/16) ein und erklärte das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 31.05.2016 für unwirksam.
Am 20.12.2016 sagte eine der ehemaligen Mitarbeiterinnen gegenüber der zuständigen Bezirksregierung des beklagten Landes zu den Vorwürfen aus. Eine weitere ehemalige Mitarbeiterin äußerte sich schriftlich.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16.01.2017 widerrief das beklagte Land die Approbation des Klägers, forderte ihn auf, die Original-Approbationsurkunde innerhalb von zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheides auszuhändigen oder zu übersenden, und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 Euro an, falls der Kläger der Aufforderung nicht folge. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger unwürdig und unzuverlässig zur Ausübung des ärztlichen Berufs sei. Auch wenn er bislang in keinem der gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren rechtskräftig zu einer Strafe verurteilt worden sei, zeigten die vielfachen Vorwürfe dennoch ein klares Verhaltensmuster, dass die körperliche Integrität seiner Mitarbeiterinnen und Patienten missachte. Mit Blick auf das hochrangige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wiege das allgemeine Interesse daran, ihm die Ausübung seines Berufs zu untersagen, schwerer als die Beeinträchtigung seines Grundrechts auf freie Berufsausübung.
Hiergegen hat der Kläger am 02.02.2017 Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, dass von einem strafbaren Verhalten nicht im Geringsten auszugehen gewesen sei, da die gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden seien. Es gelte die Unschuldsvermutung zu seinen Gunsten. Anhaltspunkte für seine Unzuverlässigkeit oder Unwürdigkeit seinen nicht ersichtlich. Er habe seine Patienten stets entsprechend den Regeln der ärztlichen Heilkunst behandelt. Würde die Auffassung des beklagten Landes zutreffen, dann würde es ausreichen, einen Arzt völlig zu Unrecht und nachhaltig strafbarer Handlungen zu beschuldigen und mit Ermittlungsverfahren zu überziehen, um diesem die Berufsausübung unmöglich zu machen und ihn finanziell zu ruinieren. Sämtliche Untersuchungen seien medizinisch indiziert gewesen. Seine ehemaligen Mitarbeiterinnen hätten nicht die erforderliche Fachkunde, dies zu beurteilen. Er habe auch nicht eingeräumt, eine Neigung zu kleinen Kindern zu haben. Er habe weder die körperliche Integrität seiner Mitarbeiterinnen noch die seiner Patienten missachtet.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des beklagten Landes vom 16.01.2017 aufzuheben.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wird auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und ergänzt, dass die vom Kläger angeführte Unschuldsvermutung jedenfalls nicht im Verwaltungsverfahren gelte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der zugehörigen Beiakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 16.01.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinem Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Der Widerruf der Approbation als Arzt findet seine Grundlage in § 5 Abs. 2 S. 1 BÄO. Danach ist die Approbation zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO weggefallen ist. Nach dieser Vorschrift ist die Approbation zu erteilen, wenn der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergibt.
Der Widerruf des begünstigenden Verwaltungsakts der Approbation ist ein Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheit der Berufswahl. Denn die freie Berufswahl umfasst nicht nur die Entscheidung über den Eintritt in den Beruf, sondern überdies die Entscheidung darüber, ob und wie lange ein Beruf ausgeübt werden soll. (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.03.1977 - 1 BvR 124/76 -, juris, Rz. 27 ff.)
Diese Entscheidungsfreiheit wird dem betroffenen Arzt durch einen Widerruf der Approbation genommen. Ein solcher Eingriff ist nur zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter statthaft. Dieser Anforderung ist dann genügt, wenn die Würdigkeit oder Zuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht mehr vorhanden sind. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.09.1997 - 3 C 12.95 -, juris, Rz. 19.)
Die Voraussetzungen für den Widerruf der ärztlichen Approbation sind erfüllt, da der Kläger unwürdig zur Ausübung des ärztlichen Berufes ist. Ein Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes (§ 1 Abs. 1 BÄO). Er hat die Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern, Sterbenden Beistand zu leisten und an der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Gesundheit der Menschen mitzuwirken. Der ärztliche Aufgabenbereich erschöpft sich nicht in der unmittelbaren Behandlung eines einzelnen Kranken, sondern umfasst den Schutz und die Wiederherstellung der Gesundheit allgemein. Auch diejenigen Tätigkeiten, die nicht unmittelbar am Patienten ausgeübt werden, diesem jedoch mittelbar zugutekommen, entsprechen dem ärztlichen Selbstverständnis und sind damit ärztliche Tätigkeit. (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 06.02.2017 - 7 K 10953/16 -, juris, Rz. 17 m.w.N.)
Der Tätigkeit als Arzt unwürdig ist, wer ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und er daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar ist. (Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.11.2012 - 3 B 36.12 -, juris, Rz. 7.)
Entscheidend ist, dass das Verhalten des Arztes jedem billig und gerecht Denkenden als Zerstörung der für die ärztliche Tätigkeit unverzichtbaren Vertrauensbasis erscheint. Einem Arzt bringen seine Patienten besonderes Vertrauen entgegen; deshalb erwartet man nicht nur deren sorgfältige Behandlung, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie Berufsausübung. (Vgl. VG Köln, Urteil vom 17.12.2013 - 7 K 3421/13 -, juris, Rz. 33 m.w.N.)
Als des Arztberufs unwürdig erweist sich insbesondere, wer die Würde oder die seelische und körperliche Integrität von Menschen missachtet. Ein Arzt soll Leiden lindern - nicht auslösen. Wer Menschen aus sexueller Motivation zu bloßen Objekten herabwürdigt, ist nicht würdig, heilend zu helfen. (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 06.02.2017, a.a.O., Rz. 22.)
Der Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit setzt nicht voraus, dass ein schwerwiegendes berufswidriges Verhalten die Grenze der Strafbarkeit überschreitet. (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 03.05.2016 - 13 B 275/16 -, juris, Rz. 9.)
Verwaltungsbehörde und -gericht sind bei ihrer Entscheidung über den Widerruf nicht auf eine strafgerichtliche Verurteilung angewiesen oder an staatsanwaltliche oder an strafgerichtliche Einstellungsentscheidungen gebunden, sondern ermitteln eigenständig die relevanten Sachverhalte und bewerten diese nach der einschlägigen Rechtslage. Denn die gefahrenabwehrrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts ist mit anderen Voraussetzungen und Rechtsfolgen verknüpft als die strafrechtliche. Deshalb ist - entgegen der Auffassung des Klägers - im Verwaltungsverfahren auch nicht der Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) anwendbar, wonach ein Verdächtigter bis zum gesetzlichen Beweis seiner Schuld als unschuldig gilt. Der Approbationswiderruf stellt keine (repressive) Strafe dar und enthält auch keine individuelle Schuldzuweisung, sondern dient ausschließlich (präventiv) der Abwehr behandlungsspezifischer Gefahren. (Vgl. VG Köln, Beschluss vom 06.02.2017, a.a.O., Rz. 12 m.w.N.)
Das beklagte Land hat den Kläger zu Recht als unwürdig erachtet, den Arztberuf auszuüben. Dies steht für das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der in den diversen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren, im strafgerichtlichen Verfahren und im Verwaltungsverfahren gewonnenen bzw. bestätigten Erkenntnisse fest. Danach hat der Kläger über lange Zeiträume Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die ihn als hochgefährlich im Umgang mit Untergebenen im Allgemeinen und mit Patienten im Besonderen zeigen: In seinen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen, Patientinnen und Kindern ist er grenztestend und -überschreitend vorgegangen. Dabei war er immer wieder darauf bedacht, persönliche Schwächen bei anderen zu erkennen und auszunutzen sowie Abhängigkeitsverhältnisse zu seinen Gunsten aufzubauen. Innerhalb der Personalstruktur seiner Praxis hat er manipulativ und intrigant eine über die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis weit hinausgehende Machtposition eingenommen und diese mit psychischem Druck und Drohungen behauptet. Die damit einhergehende Gefährdung der Arbeitsfähigkeit seiner Mitarbeiterinnen bedeutet jedenfalls mittelbar auch eine Gesundheitsgefährdung für seine Patienten. Der Kläger hat sich als ein Mensch erwiesen, der Grenzen anderer nicht achtet, wenn ihm dies ungefährlich erscheint. Das Gericht ist davon überzeugt, dass er in einer Vielzahl von Fällen die Intimsphäre von Frauen und Kindern wissentlich und willentlich mit Äußerungen und Handlungen aus sexuellen Motiven verletzt hat. Dabei hat er die mit dem Arztberuf verbundene besondere Vertrauensstellung im Kernbereich ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungstätigkeit ausgenutzt und ist sexuell übergriffig geworden, wobei vorliegend die Strafbarkeit dieser Handlungen dahinstehen kann. Mitarbeiterinnen sowie weibliche und jugendliche Patienten können dem Kläger unter keinen Umständen anvertraut werden, erst recht nicht für die Tätigkeit eines Chirurgen, dem Patienten auch in Narkosesituationen in besonderem Maße ausgeliefert sind.
Das Gericht stützt sein Urteil auf die Vielzahl der in den Ermittlungsakten und Verwaltungsvorgängen befindlichen Zeugenaussagen, die eindrücklich und glaubhaft das menschenverachtende Verhalten des Klägers belegen.
Im Verfahren 174 Js 1335/08 hat die Zeugin zum Vorfall vom 23.09.2008 gegenüber der Polizei glaubhaft und hinreichend detailliert geschildert, wie der Kläger sich ihr in sozial unangemessener Weise angenähert hat. Ausweislich des Protokolls hat die Zeugin erläutert, dass der Kläger sich zunächst normal mit ihr unterhalten habe. Dann hat er sie aufgefordert, zu ihm zu kommen. Er hat sie dann gefragt, ob sie ihm vertrauen würde und ihre Hände genommen. Dabei hat er ein oder zwei Minuten lang mit seinem Daumen über ihren Handrücken gestreichelt und sie gefragt, ob sie derzeit Stress habe. Schließlich hat er mit seiner linken Hand den Reißverschluss ihrer Sweatshirts geöffnet, um ihre Hüfte gegriffen und sie bis auf eine Entfernung von ca. 15 Zentimetern an sich herangezogen, ohne allerdings unter ihr T-Shirt zu greifen. Das Gericht ist davon überzeugt, dass das Geschilderte sich so zugetragen hat. Dafür spricht, dass die Zeugin Kern- und Randgeschehen in nachvollziehbarer Weise erzählt hat. Anzeichen für Übertreibungen bestehen nicht; etwa hat sie erklärt, dass der Kläger sie nicht unter ihrem T-Shirt berührt hat. Auch konnte sie sich noch daran erinnern, dass die plötzlich ins Behandlungszimmer eintretende braunhaarige Arzthelferin noch sehr jung und unerfahren gewirkt hat und dass der Kläger ab dem Hinzutreten der Arzthelferin sofort von ihr abgelassen und sich so verhalten hat, als wäre nichts vorgefallen. Dem ist der Kläger bei seiner Befragung durch die Polizei nicht substantiiert entgegen getreten. Er hat ausgesagt, sich an die Patientin nicht erinnern zu können und noch nie jemanden sexuell belästigt zu haben. Ferner hat er erklärt, „Hände nehmen“ sei bei ihm normale Praxis, wenn er sehe, dass jemand Angst oder Stress habe, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Dem widerspricht allerdings, dass er nach dem plötzlichen Eintreten der Arzthelferin sofort von der Patientin abgelassen und sich so verhalten hat, als wäre nichts passiert. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum ein Arzt in der vom Kläger behaupteten Weise die Hände von Patienten in seine Hände nimmt, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist dies für den Behandlungserfolg nicht erforderlich und missachtet regelmäßig die notwendige Distanz in der Arzt-Patient-Beziehung. Mit seinen Einlassungen zeigt der Kläger eine inadäquate Berufsauffassung. Die von ihm erstrebte Vertrauensbasis ist vielmehr Voraussetzung für weitere Grenzüberschreitungen, wie dieser und die anderen Fälle zeigen. Dass die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt hat, ist für die Frage der Unwürdigkeit ohne Belang. Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Verfolgung absehen, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre. Dass die sexuelle Motivation des Täters bei diesem Fall möglicherweise nach strafprozessrechtlichen Gesichtspunkten nicht zweifelsfrei bewiesen werden kann, ist für die gefahrenabwehrrechtliche Entscheidung unerheblich. Hierfür ist vielmehr entscheidend, dass der Kläger zur Überzeugung des Gerichts die Patientin in unangemessener Weise berührt und darüber hinaus ein zwar strafrechtlich irrelevantes, jedoch sozialinadäquates Behandlungsverhalten eingeräumt hat. Zudem zeigt eine Zusammenschau mit den übrigen Vorfällen eine deutliche sexuelle Motivation des Klägers bei seinen Handlungen - so auch beim zweiten in diesem Ermittlungsverfahren aktenkundigen Vorfall, bei dem der Kläger einer ebenfalls 16-jährigen Patientin vor einer Operation in der Achselhöhle den Träger des Büstenhalters über die Schulter gezogen und dadurch zum Teil ihre Brust entblößt hat. Die medizinische Notwendigkeit dieses Vorgehens war für die Patientin und ist auch für das Gericht nicht ersichtlich.
Eindeutig sexuell motiviert sind die im Tatbestand wiedergegebenen Handlungen des Klägers, die eine Beschäftigte und eine Patientin im Rahmen des Ermittlungsverfahrens 43 Js 161/09 geschildert haben. Die Staatsanwaltschaft hat dieses Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO mangels Tatverdachts eingestellt. Gleichwohl wurde in der Einstellungsverfügung vom 23.07.2009 festgestellt, dass es mit dem überwiegenden ethischen und moralischen Empfinden unvereinbar sei, dass die Handlungen des Klägers nach dem damals geltenden Recht nicht strafbewehrt seien. Damit hat die Staatsanwaltschaft zum Ausdruck gebracht, dass sie die von den Zeugen geschilderten Tatsachen für zutreffend und lediglich nicht verfolgbar hielt. Auch das Gericht hält die gemachten Aussagen für hinreichend konkret und glaubhaft. Es wäre ebenso mit dem überwiegenden Moralempfinden unvereinbar, wenn der Kläger weiter als Arzt an Menschen praktizieren dürfte. Aufgrund der möglicherweise zum damaligen Zeitpunkt nicht strafbaren aber eindeutig sexuellen Übergriffe hat er sich als des Arztberufs unwürdig erwiesen.
Bestätigt wird dies durch die Handlung des Klägers, die Gegenstand des Verfahrens 195 Js 127/10 war. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren zwar wiederum gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da es sich bei dem Kuss des Klägers auf den Mund der Auszubildenden nicht um eine im strafrechtlichen Sinne erhebliche sexuelle Handlung gehandelt habe. Somit war sie nicht gehalten, den Wahrheitsgehalt der Zeugenaussage zu beurteilen, den sie keineswegs verneint hat. Das Gericht geht davon aus, dass der Kläger die Beschäftigte am Tag ihres 17. Geburtstags auf den Mund geküsst hat. Die gegenüber der Polizei getätigten Aussagen der Beschäftigten sind umfangreich und lebensnah. Die Auszubildende hat geschildert, dass der Kläger sie in der Zeit zuvor unangemessen oft und häufig in den Arm genommen und an ihrem Privatleben Anteil genommen hat. Er hat ihr gesagt, sie könne ihm alles erzählen, oder dass er sie am liebsten adoptieren würde. Den Tag, an dem der Kläger sie geküsst hat, konnte sie auch anschaulich schildern. Dies war ihr 17. Geburtstag. Sie konnte sich dabei an viele Einzelheiten erinnern, war allerdings auch insoweit kritisch gegenüber ihrem Erinnerungsvermögen hinsichtlich der Frage, ob der Kläger ihr bereits im Empfangsbereich mit Handschlag gratuliert habe. Die Auszubildende hat erklärt, wie der Kläger sie dann in sein Büro mitgenommen, dort mit seinen beiden Händen ihre Hände gefasst, ihr noch mal alles Gute zum Geburtstag gewünscht, sie in den Arm genommen und ihr dies noch einmal gesagt hat. Entsprechend genau hat sie beschrieben, wie sie versucht hat, sich aus der unnatürlich langen Umarmung zu lösen, bevor der Kläger die Umarmung aufgelöst und sie dann auf den Mund geküsst hat. Die Beschäftigte hat auch gesagt, dass dies kein Zungenkuss gewesen sei. Insoweit und auch sonst zeigt sich ihr Vortrag frei von Übertreibungen. Lebensnah hat die Auszubildende beschrieben, dass und wo sie sich danach das Gesicht gewaschen hat. Auch konnte sie noch eine Kollegin nennen, die sie dabei jedenfalls gesehen hat. Diese konnte beschreiben, wie die Auszubildende geschockt aus dem Büro des Klägers gekommen ist, geweint, ihr von dem Vorfall erzählt und sich gewaschen hat. Diese hinsichtlich dem Geschehen unmittelbar nach dem Kuss übereinstimmende Aussage bestätigt die Schilderung der Auszubildenden.
Die im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen nahezu aller Beschäftigten des Klägers überzeugen das Gericht auch davon, dass der Kläger zahlreiche nicht notwendige und allein sexuell motivierte Untersuchungen im Anal- bzw. Genitalbereich vorgenommen hat. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren 34 Js 175/11 hat die Staatsanwaltschaft zwar gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, weil dem Kläger nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit bewiesen haben werden könne, dass die Untersuchungen nicht medizinisch begründet gewesen seien. Ungeachtet dieser strafprozessualen Einschätzung geht das Gericht davon aus, dass die Schilderungen der Beschäftigten zutreffen. Vier ehemalige Beschäftigte haben hierzu gegenüber der Polizei Angaben gemacht, die hinsichtlich des anormalen Untersuchungsverhaltens des Klägers im Wesentlichen übereinstimmen und sich hinsichtlich einzelner Untersuchungen ergänzen. Lediglich eine nach dem Ausscheiden dieser Beschäftigten aus der Praxis wieder eingestellte Beschäftigte hat ausgesagt, nichts aus ihrer Sicht Unangemessenes mitbekommen zu haben. Die anderen Beschäftigten haben alle von „Analdehnungen“ oder „-weitungen“ oder Gesäßfotografien berichtet, die aus ihrer Sicht aufgrund der Eigenanamnese der Patienten nicht indiziert gewesen sind. Das Gericht glaubt den Äußerungen der vier ehemaligen Beschäftigten. Für sie spricht, dass sie im Kern, nämlich hinsichtlich der ungewöhnlichen Aufmerksamkeit des Klägers für den Anal- und Genitalbereich von Frauen und Kindern übereinstimmen. Zugleich konnten die ehemaligen Beschäftigten aber jeweils auch von charakteristischen Einzelfällen berichten, wie etwa der Begleitung einer solchen Untersuchung durch klassische Musik, einer mehrfachen „Analuntersuchung“ während eines vierstündigen Praxisaufenthalts, der Thematisierung ungleicher Schamlippen während einer Hämorridenbehandlung oder einer „Analuntersuchung“ unter Verwendung des Fingers einer Auszubildenden. Diese Fälle zeigen deutlich, dass dem Vorgehen des Klägers kein Therapiegedanke zugrunde lag. Die fehlende medizinische Indikation für solches Vorgehen wird auch dadurch belegt, dass der Kläger nach Aussage mehrerer Beschäftigten nicht bei männlichen Patienten derart vorging.
Das Gericht sieht sein Urteil auch durch die im Verfahren 251 Js 222/14 gegenständlichen Aussagen bestätigt. Zwar ist im Rahmen dieses Verfahren die aussagepsychologische Gutachterin zu dem Ergebnis gelangt, dass sich ein etwaiger Erlebnisgehalt der Aussage der Patientin mit aussagepsychologischen Methoden nicht attestieren lasse. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft die Anklage zurückgenommen und das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Gutachterin hat jedoch auch betont, dass ihr Ergebnis nicht mit einer intentionalen Falschaussage der Patientin gleichzusetzen sei. Auch wenn diese Schwächen bei der zeitlichen Einordnung der Geschehensabläufe gezeigt und damit möglicherweise den strafprozessualen Anforderungen nicht genügt hat, stützen auch ihre Aussagen bei Polizei und Gutachterin die Einschätzung des Gerichts aufgrund der übrigen Einlassungen der anderen Betroffenen und Zeuginnen. Das Gericht glaubt der Patientin, dass der Kläger ihr gegenüber sexuell übergriffig geworden ist. Insoweit ist für die vorliegende Entscheidung nicht erforderlich, dass genaue Zeitpunkte und Details der belastenden Erlebnisse zweifelfrei geklärt werden konnten. Von Bedeutung ist für das Gericht, dass die Schilderungen der wegen Hüftproblemen behandelten Patientin typische Verhaltensmuster des Klägers bescheinigen: Er hat eine Situation ausgenutzt, in der er allein mit ihr war, hat nach persönlichen Schwachstellen wie einer Essstörung und der finanziellen Situation im Elternhaus gesucht und Geld angeboten, um ein Schuld- und Abhängigkeitsverhältnis zu schaffen. Mit den plötzlichen Küssen auf den Mund der Patientin hat er diese überrascht und ihre Grenzen ausgetestet, um sie unter dem Vorwand der Wirkstoffverteilung mit den Händen am Gesäß zu massieren und im Intimbereich zu berühren. Dieses Vorgehen passt zur klägertypischen Missbrauchsstrategie.
Vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheides hat die Bezirksregierung des beklagten Landes noch einmal eigens die Zeugin im Verfahren 195 Js 127/10 gemäß § 26 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG NRW vernommen. Diese hat ihre bisherigen Einlassungen überzeugend bestätigt. Auf die Bediensteten des beklagten Landes machte sie ausweislich der Niederschrift einen glaubwürdigen Eindruck. Demnach weinte sie mehrmals und machte ihre Angaben teils unter Tränen. Das Geschehene schien sie auch nach mehreren Jahren noch stark zu belasten. Sie hat auch berichtet, dass die Beschäftigten anfangs noch Spritzen in das Privatzimmer des Klägers bringen durften, in dem er bei bestimmten weiblichen, komplett ausgezogenen Patientinnen „Analuntersuchungen“ durchgeführt hat, obwohl diese etwa am Nacken gelitten haben. Später wollte er keine Beschäftigte mehr dabei haben und ganz zum Schluss hat er die Türe immer abgeschlossen, damit niemand hineinkommt. Die Eltern kleiner Kinder hat er aus dem Behandlungszimmer geschickt, die Beschäftigten durften aber im Zimmer bleiben.
Die skizzierten Vorfälle sind bloß ein Ausschnitt aus den aktenkundigen Vorwürfen und hinsichtlich der Berufsausübung des Klägers insgesamt mit Sicherheit bloß die sprichwörtliche Spitze des Eisberges. Der Kläger ist den Vorwürfen auch nicht substantiiert entgegen getreten, sondern hat sie lediglich pauschal abgestritten und die kunstgerechte Behandlung seiner Patienten sowie die medizinische Notwendigkeit seines Verhaltens behauptet. Es ist keine ärztliche Fachausbildung notwendig, sondern es genügt allgemeine Lebenserfahrung, um zu erkennen, dass die von den ehemaligen Mitarbeiterinnen des Klägers genannten Leiden in medizinischer Hinsicht das Vorgehen des Klägers nicht rechtfertigten.
Der Widerruf der Approbation ist schließlich auch mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar. Die Maßnahme dient dem Schutz überragender Gemeinschaftsgüter, nämlich dem Schutz des Ansehens der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit. Dabei geht es darum, das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Dieses für das Arzt-Patienten-Verhältnis konstitutive und damit auch für das hochrangige Gemeinschaftsgut der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung unerlässliche Vertrauen würde zerstört durch eine fortdauernde Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist. (Vgl. Nieders. OVG, Beschluss 21.05.2013 - 8 LA 54/13 -, juris, Rz. 12 m.w.N.)
Vorliegend sind die Voraussetzungen für den Widerruf der Approbation erfüllt, so dass sich die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs aus der vom Gesetzgeber selbst getroffenen Wertung ergibt. Der Gesetzgeber hat dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dadurch Rechnung getragen, dass er im Rahmen des § 8 Abs. 1 BÄO unter anderem für den Fall eines Widerrufs der Approbation wegen Wegfalls einer der Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BÄO die Möglichkeit eröffnet hat, einen Antrag auf Wiedererteilung zu stellen und unter Umständen zunächst eine zeitlich beschränkte Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen Berufes nach § 8 Abs. 1 BÄO zu erhalten. (Vgl. BVerwG, Urteil vom 28.4.2010 - 3 C 22.09 -, juris, Rz. 16 ff.)
Der Approbationswiderruf ist vorliegend auch nicht ausnahmsweise deshalb als unverhältnismäßig anzusehen, weil dieser Widerruf im Hinblick auf das Alter des Klägers gegebenenfalls einem endgültigen Berufsverbot gleichkommt und eine Abmilderung der Folgen des Eingriffs in die Berufsfreiheit durch eine spätere Wiedererteilung der Approbation faktisch als unwahrscheinlich anzusehen ist. Denn bei der Beurteilung der Unwürdigkeit eines Arztes für die weitere Berufsausübung kann bei älteren Ärzten kein anderer Maßstab angelegt werden als bei jüngeren (Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 02.05.2012 - 8 LA 78/11 -, juris, Rz. 22.)
Die Verpflichtung zur Herausgabe der Urkunde ergibt sich aus § 52 S. 1 VwVfG NRW.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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