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Entscheidungen

OWi

Drogenkonsum, öffentlicher Ort, Schuldform, rechtlicher Hinweis

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2017 - 1 RBs 60/17

Leitsatz: 1.Bei der Geltendmachung eines unterlassenen Hinweis gemäß der §§ 46 OWiG, 265 Abs. 1 StPO handelt es sich nicht lediglich um eine allgemeine Rüge der Verletzung formellen Rechts, mit welcher der Betroffene im Zulassungsverfahren nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht gehört werden könnte. Vielmehr stellt sich das Unterlassen eines gebotenen rechtlichen Hinweises immer gleichzeitig auch als eine für die Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgebliche Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar.
2. Die Ahndung einer lediglich fahrlässig begangenen grob ungehörigen Handlung im Sinne des § 118 OWiG ist nicht möglich, da die Vorschrift eine vorsätzliche Begehungsweise voraussetzt.
3. In einem öffentlichen Drogenkonsum kann je nach den Umständen des Einzelfalles eine grob ungehörigen Handlung im Sinne des § 118 OWiG gesehen werden.


In pp.
Der Betroffenen wird auf ihre Kosten (§§ 46 OWiG, 473 Abs. 7 StPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Dortmund hat gegen die Betroffenen mit Urteil vom 15. November 2016 wegen fahrlässiger Vornahme einer grob ungehörigen Handlung, die geeignet ist, die Allgemeinheit zu belästigen und die öffentliche Ordnung zu beeinträchtigen, eine Geldbuße von 50,00 € festgesetzt. Hierzu hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Betroffene am 03. Juli 2015 gegen 21:30 Uhr auf einer Grünfläche an der C-Straße/Ecke D-Straße in E in der Nähe eines Kinderspielplatzes Drogen mittels einer Crack-Pfeife konsumiert habe.

Hiergegen richtet sich der Antrag der Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, mit welcher die Verletzung materiellen Rechts sowie gleichzeitig die Verletzung rechtlichen Gehörs mit der Begründung gerügt wird, dass im Hinblick auf die abweichend vom Vorwurf des Bußgeldbescheides erfolgte Verurteilung wegen fahrlässiger Begehung ein rechtlicher Hinweis nicht erteilt worden sei.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Zulassungsantrag als unbegründet zu verwerfen.

II.
Der Betroffenen ist gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Zulassungsantrages Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie die Frist zur Begründung des Zulassungsantrages nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen Ihres Verteidigers ohne eigenes Verschulden versäumt hat. Entgegen der seitens der Verteidigung vertretenen Auffassung lag allerdings eine Fristversäumnis vor; insoweit nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 16. Mai 2017.

III.
Die Rechtsbeschwerde ist auf die erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs zuzulassen und hat – zumindest vorläufig – Erfolg.

Die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen des fehlenden rechtlichen Hinweises des Gerichts an die Betroffene, dass im Hinblick auf die ihr zur Last gelegte Vornahme einer grob ungehörigen Handlung auch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Begehungsweise in Betracht komme, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Rüge hat den geltend gemachten Verfahrensmangel - hier die Hinweispflicht des Gerichts nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 Abs. 1 StPO - so genau bezeichnet, dass das Rechtsbeschwerdegericht ohne Rückgriff auf die Akten prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensfehler bei Unterstellung der Richtigkeit des Rechtsbeschwerdevorbringens vorliegt.

Die Rüge eines fehlenden rechtlichen Hinweises ist durch die negative Beweiskraft des Hauptverhandlungsprotokolls gemäß der §§ 46 Abs. 1 OWiG, 274 S. 1 StPO vorliegend auch belegt.

Entgegen der mit der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Auffassung handelt es sich bei der Geltendmachung des unterlassenen Hinweis gemäß der §§ 46 OWiG, 265 Abs. 1 StPO nicht lediglich um eine allgemeine Rüge der Verletzung formellen Rechts, mit welcher die Betroffene im Zulassungsverfahren nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 OWiG nicht gehört werden könnte. Vielmehr stellt sich das Unterlassen eines gebotenen rechtlichen Hinweises immer gleichzeitig auch als eine Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG dar, der in der Vorschrift des § 265 StPO eine (zusätzliche) einfachgesetzliche Ausprägung gefunden hat, wobei allerdings Art. 103 Abs. 1 GG eine noch darüber hinausgehende – und für die Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgebliche – Gewährleistung enthält (vgl. Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 22. Mai 2007 – 1 Ss 346/06 –, juris).

Es ist auch davon auszugehen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht. Die Verteidigung hat hierzu vorgetragen, die Betroffene hätte im Fall eines entsprechenden Hinweises – zutreffend – geltend gemacht, dass eine fahrlässige Begehungsweise im Hinblick auf die Vorschrift des § 118 OWiG nicht möglich ist (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 14. Januar 2010 – 2 SsBs 68/09 –, juris). Es ist zumindest nicht fernliegend, dass das Amtsgericht nach entsprechendem Hinweis der Verteidigung und Überprüfung der Rechtslage dieser zutreffenden Auffassung gefolgt wäre.

Dementsprechend war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Dortmund zurückzuverweisen.

Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Das Verschlechterungsverbot der §§ 46 OWiG, 358 Abs. 2 S. 1 StPO stünde einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Vornahme einer grob ungehörigen Handlung, die nach Bewertung des Senats in einem öffentlichen Drogenkonsum durchaus gesehen werden kann, nicht entgegen.

Soweit das Amtsgericht allerdings bisher die Eignung des Drogenkonsums der Betroffenen an der nicht näher beschriebenen Örtlichkeit zur Belästigung und/oder Gefährdung der Allgemeinheit vornehmlich mit der „Nähe“ zu einem Spielplatz begründet hat, dürften einerseits nähere Ausführungen zur genauen Lage der Spielplatzes und zur Einsehbarkeit des Aufenthaltsortes der Betroffenen sowie andererseits im Hinblick auf die notwendige subjektive Seite auch bezüglich einer etwaigen Kenntnis der Betroffenen von der Lage des Spielplatzes erforderlich sein.


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