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Entscheidungen

OWi

Geschwindigkeitsüberschreitung, Feststellungen, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 06.10.2017 - 3 Ss OWi 1420/17

Leitsatz: 1. Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardi-sierten Messverfahrens im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, genügt es im Regelfall, wenn sich die Verurteilung wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die nach Abzug der Messtoleranz ermittelte Geschwindigkeit stützt. Diese Angaben sind aber andererseits auch geboten; auf sie kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betroffenen verzichtet werden (Anschluss an BGHSt 39, 291; 43, 277; OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]).
2. Hat der Tatrichter bei einem standardisierten Messverfahren ein Sachverstän-digengutachten eingeholt, so ist die Mitteilung erforderlich, aus welchem Grund und zu welchem konkreten Beweisthema dies erfolgt ist. Denn nur so kann das Rechtsbeschwerdegericht verlässlich beurteilen, ob der Tatrichter zunächst ggf. Anhaltspunkte für eine Fehlmessung hatte und ob diese durch die Beweisauf-nahme in ausreichender Weise ausgeräumt werden konnten (Aufrechterhaltung OLG Bamberg, Beschl. v. 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]).
3. Es stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel dar, wenn der Tatrichter die Verur-teilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes auf ein Sachverständigengut-achten stützt, ohne die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiederzugeben (Anschluss u.a. an: BGH, Beschl. v. 02.04.2015 - 3 StR 103/15; 19.11.2014 – 4 StR 497/14 [jeweils bei juris]; 06.05. 2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244 und 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305).


In pp.
Das AG verurteilte den Betroffenen wegen „fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 52 km/h“ zu einer Geldbuße von 480 € und ordnete gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot nach Maßga-be des § 25 IIa StVG an. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. hat das OLG das angegriffene Urteil aufgehoben und die Sache an das AG zurückverwie-sen.
Aus den Gründen:
I. Die gemäß § 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechts-beschwerde des Betr. hat bereits auf die Sachrüge - zumindest vorläufig - Erfolg, weil das Urteil an durchgreifenden Darstellungsmängeln leidet. Die Urteilsgründe sind lü-ckenhaft (§ 71 I OWiG i.V.m. § 267 I StPO) und widersprechen zudem der Urteilsfor-mel, sodass der Senat zur Aufhebung des tatrichterlichen Urteils gezwungen ist. Auf die Verfahrensrügen kommt es deshalb nicht mehr an.
1. Das angefochtene Urteil kommt den Mindestanforderungen, welche die höchstrich-terliche Rspr. an die Gründe im Falle der Verurteilung wegen einer Geschwindigkeits-überschreitung stellt, nicht nach. In den Urteilsgründen wird zwar mehrfach erwähnt, dass es sich um ein „standardisiertes Messverfahren“ handele und ein „Toleranzabzug“ vorgenommen worden sei. Es unterbleibt jedoch die Mitteilung des konkreten Messver-fahrens und der Höhe des Toleranzabzugs. Erfüllt die Geschwindigkeitsermittlung die Voraussetzungen eines standardisierten Messverfahrens i.S.d. Rspr. des Bundesge-richtshofs, ist es im Regelfall ausreichend, wenn sich die Verurteilung wegen Über-schreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf die Mitteilung des Messverfahrens und die Höhe des vorgenommenen Toleranzabzugs stützt. Denn mit der Mitteilung des angewandten Messverfahrens sowie des berücksichtigten Toleranzwertes wird im Rah-men eines durch Normen vereinheitlichten (technischen) Verfahrens eine für die Ent-scheidung des Rechtsbeschwerdegerichts in aller Regel hinreichende Entscheidungs-plattform zur Beurteilung einer nachvollziehbaren tatrichterlichen Beweiswürdigung geschaffen (BGHSt 39, 291; 43, 277; OLG Bamberg, Beschl. vom 20.10.2015 – 3 Ss OWi 1220/15 [bei juris]). Diese Angaben sind aus den genannten Gründen aber auch grundsätzlich geboten; hierauf kann nur im Falle eines glaubhaften Geständnisses des Betr. verzichtet werden, von dem hier nach den Urteilsgründen nicht ausgegangen werden kann.
2. Darüber hinaus hat das AG die Verurteilung auf ein Sachverständigengutachten gestützt, ohne hierzu auch nur ansatzweise Ausführungen zu machen.
a) Sollte es sich tatsächlich um ein standardisiertes Messverfahren gehandelt haben, wie im Urteil mehrfach behauptet wird, wäre die Einholung eines Sachverständigengut-achtens grundsätzlich nur erforderlich gewesen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine nicht ordnungsgemäße Messung bestanden hätten (OLG Bamberg a.a.O. m.w.N.). Deshalb wäre bereits die Mitteilung erforderlich gewesen, aus welchem Grund und zu welchem konkreten Beweisthema überhaupt ein Sachverständigengutachten erholt wurde (OLG Bamberg, Beschl. v. 14.11.2016 - 3 Ss OWi 1164/16 = DAR 2017, 89 = OLGSt StPO § 267 Nr. 31). Nur in diesem Fall kann verlässlich beurteilt werden, ob der Tatrichter Anhaltspunkte für eine Fehlmessung hatte und ob diese durch die Beweis-aufnahme in ausreichender Weise ausgeräumt werden konnten.
b) Darüber hinaus leidet die Darstellung des der Verurteilung zugrunde gelegten Gut-achtens an durchgreifenden Mängeln. Sie erschöpft sich in dem bloßen Hinweis darauf, dass ein Sachverständigengutachten erstattet worden sei. Nachdem aber dessen Inhalt nicht wiedergegeben wurde, ist dem Senat eine rechtliche Nachprüfung von vornherein unmöglich. Wenn sich der Tatrichter ohne weitere eigene Erwägungen den Ausführun-gen eines Sachverständigen angeschlossen hat, dann muss er im Urteil die wesentli-chen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen so wiedergeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist (st.Rspr., vgl. nur BGH, Beschl. vom 02.04.2015 - 3 StR 103/15; 19.11.2014 – 4 StR 497/14 [jeweils bei juris]; vom 06.05. 2014 – 5 StR 168/14 = NStZ-RR 2014, 244; vom 17.06.2014 – 4 StR 171/14 = NStZ-RR 2014, 305; OLG Bamberg a.a.O.), was hier indes nicht erfolgt ist.
3. Schließlich stehen die Urteilsgründe, wonach der Betr. die Geschwindigkeitsüber-schreitung „billigend in Kauf genommen“ habe, und der Urteilstenor, wonach eine Verur-teilung nur wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt ist, in Wider-spruch.
II. Wegen der aufgezeigten Darstellungsmängel ist das Urteil mit den zugrundeliegen-den Feststellungen aufzuheben (§§ 267, 261, 353 StPO, 79 III 1 OWiG). Die Sache wird auch zur Entscheidung über die Kosten der Rechtsbeschwerde an das AG zurück-verwiesen (§ 79 VI OWiG).
III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
1. Obwohl im amtsgerichtlichen Urteil von einer Zeugenaussage und einem Sachver-ständigengutachten die Rede ist, wurde in der Sitzungsniederschrift weder eine Zeu-genvernehmung noch die Erstattung oder Verlesung eines Gutachtens dokumentiert. Nachdem das Urteil im Protokoll aufgenommen wurde, ist ihm durch diese Wider-sprüchlichkeit auch die Beweiskraft (§ 274 StPO) genommen.
2. Für den Fall, dass eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes in Erwä-gung gezogen werden sollte, würde die bloße, ohne jede Beweiswürdigung untermauer-te Feststellung, der Betr. habe die Geschwindigkeitsüberschreitung „zumindest billigend in Kauf genommen“, wie im angefochtenen Urteil geschehen, keinesfalls genügen. Vielmehr bedürfte es einer sorgfältigen Begründung, in der unter anderem auch darauf einzugehen wäre, ob der Betr. die Geschwindigkeitsbeschränkung auch wahrgenom-men hat (vgl. OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/13 [bei juris]).
3. Die Rechtsfolgenentscheidung ist nicht nachvollziehbar, soweit ein Bußgeld in Höhe von 480 € verhängt wurde. Da das AG den Betr. ausweislich des Urteilstenors ‚nur‘ wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt hat, würde die Regelgeld-buße gemäß Nr. 11.3.8 BKat […] lediglich 240 € betragen.


Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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