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Entscheidungen

StPO

Richtervorbehalt, Blutentnahme, Schweigen

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Urt. v. 13.01.2010 - 10 Ns 704 Js 14903/09

Fundstellen:

Leitsatz: Zum Beweisverwertungsverbot nach Missachtung des Richtervorbehalts für eine Blutentnahme


Landgericht Dresden

Aktenzeichen: 10 Ns 704 Js 14903/09
Urteil
In der Strafsache gegen pp.

wegen Trunkenheit im Verkehr
hat die 10. Kleine Strafkammer des Landgerichts Dresden aufgrund der öffentlichen Berufungshauptverhandlung vom 13.01.2010, an der teilgenommen haben:
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 23.09.2009 im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt wird.
Die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins werden aufgehoben.
Dem Angeklagten wird verboten, für die Dauer von drei Monaten im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen.
Die durch die Berufung des Angeklagten entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten fallen zur Hälfte der Staatskasse zur Last. Im Übrigen hat sie der Angeklagte zu tragen.
Dem Angeklagten ist eine Entschädigung für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis zu versagen.
Angewendete Vorschriften: §§ 316 Abs. 1, 44 StGB

Gründe
I.
Der Angeklagte wurde mit Urteil des Amtsgerichts Dresden vom 23.09.2009 der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50,00 Euro verurteilt. Gleichzeitig- wurde dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, dem Angeklagten vor Ablauf von acht Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.

Das Rechtsmittel des Angeklagten hatte teilweise Erfolg. Auf die Berufung war das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,00 Euro zu verurteilen war. Gleichzeitig waren die Entziehung der Fahrerlaubnis und die Einziehung des Führerscheins aufzuheben und ein Fahrverbot von drei Monaten anzuordnen.

II.
Der am xxxxx geborene Angeklagte ist ledig und hat keine Kinder.

Der Angeklagte arbeitet als Maschinenanlagenmonteur und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.600,00 Euro. Er hat Schulden in Höhe von ca. 500,00 Euro aus einer früheren selbständigen Tätigkeit als Transportunternehmer.

Der Angeklagte ist bisher weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten.

In der vorliegenden Sache wurde dem Angeklagten am 08.04.2009 nach § 111 a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen.

III.
Am 05.04.2009 gegen 07.00 Uhr befuhr der Angeklagte mit einem PKW der Marke Opel, amtl. Kennzeichen YYYYY den Strehlener Platz in 01219 Dresden, obwohl er wusste, dass er infolge vor- angegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war.

IV.
Die Feststellungen unter II. zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf den glaubhaften Einlassungen des Angeklagten und auf den in der Berufungshauptverhandlung verlesenen Auskünften aus dem Bundes- und Verkehrszentralregister.
^
Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf der geständigen Einlassung des Angeklagten.

Der Angeklagte hat in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt, vom Nachmittag des 04.04.2009 bis in die Morgenstunden des 05.04.2009 Alkohol zu sich genommen und anschließend ein Fahrzeug geführt zu haben, obwohl er gemerkt habe, dass er nicht mehr fahrtüchtig gewesen sei. Diese Angaben des Angeklagten korrespondierten mit den in der Berufungshauptverhandlung gemäß § 325 StPO verlesenen erstinstanzlichen Aussagen der Zeugen PK H. und PM L. Die beiden Polizeibeamte sagten aus, den Angeklagten in den frühen Morgenstunden des 05.04.2009 beim Führen eines PKW festgestellt zu haben, wobei der Angeklagte einen alkoholisierten Eindruck gemacht habe. Nach Aussage des Zeugen PM L. habe der Angeklagte den beiden Polizeibeamten nur eingeschränkt folgen können.

V.
Der Angeklagte hat sich damit nach § 316 Abs. 1 StGB der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr schuldig gemacht.

VI.
1. Bei der Strafzumessung war vom Strafrahmen des § 316 Abs. 1 StGB auszugehen, der Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorsieht.

a) Bei der Festsetzung der konkreten Strafe ging die Kammer davon aus, dass die Blutalkoholkonzentration über 0,3 o/oo lag, da der Angeklagte nach seinen eigenen Angaben fahruntüchtig war und bei geringeren BAK-Werten eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit nicht in Betracht kommt.

Einen höheren BAK-Mindestwert konnte die Kammer nicht feststellen, da dem Gericht keine genauen Angaben zu den Trinkmengen und dem Trinkverhalten des Angeklagten vorlagen und das Ergebnis der dem Angeklagten am 05.04.2009 um 07.35 Uhr entnommenen Blutprobe nicht verwertbar war.

Nach Aussage des Zeugen PK H. erfolgte die Entnahme der Blutprobe gegen den Willen des Angeklagten auf Anordnung des Polizeibeamten. Die Anordnung erfolgte daher unter Verlet-zung des Richtervorbehaltes gemäß § 81 a Abs. 2 StPO. Gefahr im Verzug i.S.v. 81 a Abs. 2 StPO war nicht gegeben, da am 05.04.2009 ab 09.00 Uhr der richterliche Bereitschaftsdienst erreichbar gewesen wäre und keine Anhaltspunkte vorlagen, dass der mögliche Abbau der Blutalkoholkonzentration in der Zeit von 07.30 Uhr bis zur Erlangung einer richterlichen Entscheidung um 09.00 Uhr zu einem Beweisverlust geführt hätte. Nach Aussage des Zeugen PK H. ergab bereits der Atemalkoholtest einen Wert von über 1,1 o/oo.

Die Nichtbeachtung des Richtervorbehaltes in § 81 a Abs. 2 StPO führte im vorliegenden Fall zum Verbot der Verwertung des Ergebnisses der dem Angeklagten am 05.04.2009 um 07.35 Uhr entnommenen Blutprobe.

Die Frage, welche Folgen sich aus der Nichtbeachtung des Richtervorbehaltes in § 81 a Abs. 2 StPO ergeben, hat der Gesetzgeber nicht entschieden. Ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich ziehe, ist dem Strafverfahrensrecht fremd. Vielmehr ist diese Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Verbotes und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden. Dabei muss beachtet werden, dass die Annahme eines Verwertungsverbotes, auch wenn die Strafprozessordnung nicht auf Wahrheitserforschung "um jeden Preis" gerichtet ist, eines der wesentlichen Prinzipien des Strafverfahrensrechts einschränkt, nämlich den Grundsatz, dass das Gericht die Wahrheit zu erforschen und dazu die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken hat, die von Bedeutung sind. Daran gemessen bedeutet ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Von einem Beweisverwertungsverbot ist deshalb nur dann auszugehen, wenn einzelne Rechtsgüter durch Eingriffe fern jeder Rechtsgrundlage so massiv beeinträchtigt werden, dass dadurch das Ermittlungsverfahren als ein nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geordnetes Verfahren nachhaltig geschädigt wird und folglich jede andere Lösung als die Annahme eines Verwertungsverbotes unerträglich wäre (OLG Dresden NJW 2009, 2149).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass in Fällen schwerwiegender Rechtsverletzungen, die durch das besondere Gewicht der jeweiligen Verletzungshandlung bei grober Verkennung der Rechtslage geprägt sind, ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen ist, weil der Staat aus Eingriffen ohne Rechtsgrundlage keinen Nutzen ziehen darf. Eine Verwertung würde hier gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens verstoßen. Dementsprechend wird in der Rechtsprechung bei bewusster Umgehung des Richtervorbehaltes sowie bei willkürlicher Annahme von Gefahr im Verzug oder bei Vorliegen eines besonders schwer- wiegenden Fehlers ein Verwertungsverbot angenommen (OLG Dresden a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze war vorliegend von dem Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes auszugehen.

Der die Blutentnahme anordnende Polizeibeamte gab in der Hauptverhandlung an, dienststellenintern sei geklärt, dass er den Richtervorbehalt nicht zu beachten brauche. Dies werde auch so gehandhabt. Bei einem Anfangsverdacht auf Trunkenheit im Verkehr brauche er weder einen Richter noch einen Staatsanwalt einzuschalten. Dies sei auch tagsüber so.

Der Polizeibeamte hat daher die Vorschrift des § 81 a Abs. 2 StPO, die ihm nach eigener Aussage bekannt war, völlig missachtet, gerade so, als ob die Vorschrift für ihn nicht gelte.

Dieses bewusste Ignorieren des Richtervorbehaltes nach 81 a Abs. 2 StPO stellte einen derartig schweren Verstoß gegen das Gebot dar, den gesetzlich vorgesehenen Richtervorbehalt einzuhalten, dass die Annahme eines Verbotes der Verwertung des Ergebnisses der rechtswidrig erlangten Blutprobe gerechtfertigt war. Andernfalls könnte der Richtervorbehalt willkürlich aus- gehebelt und letztendlich sinnlos gemacht werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehaltes entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Ermittlungsrichter einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde ein wesentliches Erfordernis eines rechtstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen (vgl. OLG Dresden a.a.O.).

b) Neben dem Grad der Alkoholisierung des Angeklagten hat die Kammer bei der konkreten Strafzumessung ausserdem gewürdigt, dass die Tat vorsätzlich begangen wurde. Zugunsten des Angeklagten war zu berücksichtigen, dass dieser bisher weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war. Auch fiel strafmindernd ins Gewicht, dass der Angeklagte eingeräumt hat, trotz alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr geführt zu haben. Des Weiteren erfolgte die Fahrt zu einer verkehrsarmen Zeit an einem frühen Sonntagmorgen.

Unter Berücksichtigung der genannten Strafzumessungsgesichtspunkte und unter Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und des Unrechtsgehaltes der von dem Angeklagten begangenen Tat erachtete die Kammer die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen für tat- und schuldangemessen.
Die Höhe eines Tagessatzes war nach 40 Abs. 2 StPO unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten auf 50,00 Euro zu bestimmen.

2. Von einer Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1 StGB war abzusehen, da zwar ein Regelfall nach § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB vorlag, der Angeklagte aber zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht mehr ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges war.
Bei der Tat vom 05.04.2009 handelte es sich um die Trunkenheitsfahrt eines Ersttäters. Seit dieser Fahrt ist bereits ein erheblicher Zeitraum verstrichen, in dem dem Angeklagten die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen war. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass bei der Trunkenheitsfahrt vom 05.04.2009 die Blutalkoholkonzentration über 1,1 o/oo gelegen hat.

Gegen den Angeklagten war jedoch gemäß § 44 Abs. 1 StGB ein Fahrverbot für die Dauer von drei Monaten zu verhängen. Es lag ein Regelfall nach § 44 Abs. 1 Satz 2 StGB vor. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Regelvermutung begründet hätten, waren nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 3 StPO.

Von einer Entschädigung des Angeklagten nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 5 StrEG für die vorläufig Entziehung der Fahrerlaubnis war abzusehen. Zwar waren aus der Sicht der Kammer nicht die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis erfüllt, jedoch wurde der Angeklagte nicht freigesprochen oder das Verfahren gegen ihn eingestellt.

Einsender: RA Stephan, Dresden

Anmerkung:


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