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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Terminsvertreter, Pflichtverteidiger, Abrechnung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 - 2 Ws 759/12

Eigener Leitsatz: Die Beiordnung eines Rechtsanwaltes als Vertreter des Pflichtverteidigers ist zulässig, die Gebühren entstehen aber insgesamt nur einmal in der Person des Vertretenen.


Geschäftsnummer:
2 Ws 759/12

OBERLANDESGERICHT
KOBLENZ
Beschluss
In der Strafsache gegen pp.
- -
wegen gefährlicher Körperverletzung
hier: weitere Beschwerde des Bezirksrevisors gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 16 Oktober 2012 beschlossen:

1. Auf die weitere Beschwerde des Bezirksrevisors werden die Beschlüsse der 2. Strafkammer — Jugendkammer — des Landgerichts Koblenz vom 21. August 2012 und des Amtsgerichts Sinzig vom 5. Juli 2012 und 11. Juli 2012 aufgehoben.

2. Der Antrag der Rechtsanwältin A.aus Bonn vom 31. Januar 2012 auf Festsetzung von Gebühren und Auslagen wird zu- rückgewiesen.

3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Koblenz erhob unter dem 15. März 2011 gegen den Ange- klagten pp., und weitere Personen zum Amtsgericht Sinzig Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung. Die Hauptverhandlung begann am 25. Juli 2011. Am 6. Dezember 2011 ordnete das Amtsgericht dem Angeklagten Rechtsanwalt S. in Bonn als Pflichtverteidiger bei. Da Rechtsanwalt S. an dem Hauptverhandlungstermin am 26. Januar 2012 aufgrund einer Terminskollision nicht teilnehmen konnte, beantragte die bei Gericht erschienene Rechtsanwältin A.in Bonn ihre Beiordnung „für den heutigen Hauptverhandlungstermin". Der Angeklagte wurde von Seiten des Gerichts befragt, ob er mit einer Beiordnung „des Vertreters" für diesen Hauptverhandlungstermin einverstanden sei. Er bejahte dies. Daraufhin wurde ihm Rechtsanwältin A. „für den Termin am 26. Januar 2012" als Pflichtverteidigerin beigeordnet.

Am 31. Januar 2012 beantragte Rechtsanwältin A. die Festsetzung von Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse in Höhe von insgesamt 844,19€. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Beträge:

Grundgebühr (Nr. 4100 VV) 132,00€
Verfahrensgebühr (Nr. 4106 W) 112,00€
Terminsgebühr (Nr. 4108 VV) 184,00€
Terminsgebühr/Zusatzgebühr für mehr als 8 184,00 €
Stunden Hauptverhandlung (Nr. 4111 VV)
Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz 17,40 €
(Nr. 7003 VV), 58 km
Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für mehr als 8 Stunden (Nr. 7005 Nr. 3 VV) 60,00 €
Post- u. Telekomm.-Entgelt (Nr. 7002 VV) 20,00 €
709,40 €
zzgl. 19 % MWSt 134,79 €
gesamt 844,19€

Am 3. Mai 2012 verfügte die Urkundsbearntin der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Sinzig die Auszahlung des Betrages an die Rechtsanwältin. Nach Beanstandung durch den Bezirksrevisor des Landgerichts Koblenz erbat sie unter dem 5. Juni 2012 jedoch die Rücküberweisung eines Differenzbetrages in Höhe von 290,26 €. Festsetzungsfähig gewesen seien nämlich nur 553,93 €. Sowohl die geltend gemachte Grundgebühr als auch die Verfahrensgebühr seien (unter Hinweis auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 29. Juli 2010 — 1 Ws 82/10 —) fälschlicherweise angewiesen worden. Nachdem Rechtsanwältin A. zur Rückzahlung keine Veranlassung gesehen hatte, setzte die Urkundsbeamtin die der Rechtsanwältin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen mit Beschluss vom 5. Juli 2012 auf 553,83 € fest. Gegen die Entscheidung legte Rechtsanwältin A. unter dem 9. Juli 2012 Erinnerung ein, der die Urkundsbeamtin am 10. Juli 2012 nicht abhalf. Mit Beschluss vom 11. Juli 2012 verwarf die zuständige Abteilungsrichterin des Amtsgerichts Sinzig die Erinnerung als unbegründet. Unter dem 17. Juli 2012 legte Rechtsanwältin A. hiergegen Beschwerde ein, der das Amtsgericht am 1. August 2012 nicht abhalf.

Nach Übertragung der Verfahrens auf die Kammer hat die Jugendkammer des Landgerichts Koblenz mit der angefochtenen Entscheidung die Beschlüsse des Amtsgerichts Sinzig vom 5. Juli 2012 und 11. Juli 2012 aufgehoben und die an Rechtsanwältin A. aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 710,91 € festgesetzt. Im Übrigen hat sie die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.

Nach Auffassung der Strafkammer habe Rechtsanwältin A. nicht lediglich als bloße Vertreterin von Rechtsanwalt S. agiert. Sie habe vielmehr eine „umfassende, eigenverantwortliche und inhaltlich unbeschränkte Beistandsleistung als Verteidigerin entfaltet, die nach ihrer Bedeutung und dem tatsächlich geleisteten Aufwand einer Terminswahrnehmung durch den ordentlichen Pflichtverteidiger gleichsteht". Neben der Terminsgebühr stehe ihr deshalb auch die geltend gemachte Grundgebühr zu. Die Verfahrensgebühr habe ihre Tätigkeit indes nicht ausgelöst. Denn da die zur Wahrnehmung des Termins am 26. Januar 2012 erforderliche Vorbereitung mit der ersten Einarbeitung in die Sache zusammengefallen sei, sei sie durch die Grundgebühr mitabgegolten. Die im Übrigen geltend gemachten Gebühren seien nicht zu beanstanden.

Am 28. August 2012 hat der Bezirksrevisor gegen den Kammerbeschluss weitere Beschwerde eingelegt und beantragt, die Festsetzung der Urkundsbeamtin vom 5. Juli 2012 zu bestätigen.

II.
Die weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 6 RVG). Der Senat entscheidet darüber, unabhängig von einer Übertragung der Sache durch den Einzelrichter, in der Besetzung mit drei Richtern, da auch der angefochtene Beschluss in dieser Besetzung ergangen ist (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 8 S. 1 Hs 2 RVG)

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur vollumfänglichen Zurückweisung des Festsetzungsantrags der Rechtsanwältin vom 31. Januar 2012.

Die Kammer hat § 5 RVG nicht beachtet. Nach dieser Vorschrift wird die Vergütung für eine Tätigkeit, die der Rechtsanwalt nicht persönlich vornimmt, nach dem RVG bemessen, wenn der Rechtsanwalt durch einen Rechtsanwalt vertreten wird. Daraus folgt, dass der Anspruch originär nur dem bestellten und vertretenen Rechtsanwalt, hier Rechtsanwalt S., zusteht und dass der lediglich als Vertreter beigeordnete Rechtsanwalt, hier Rechtsanwältin A., in eigener Person gegen die Staatskasse keinen Vergütungsanspruch geltend machen kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2011 —4 Ws 195/10).

Der Senat vermag die Auffassung der Strafkammer nicht zu teilen, dass Rechtsanwältin A. für den 26. Januar 2012 nicht nur als Vertreterin für Rechtsanwalt S., sondern als weitere, zweite Verteidigerin beigeordnet worden sei, der nicht nur die Terminsgebühr, sondern auch die Grundgebühr und gegebenenfalls die Verhandlungsgebühr sowie die Kostenpauschale zusteht (so OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2011 — 4 Ws 195/10 —; OLG Hamm, Beschluss vom 23. März 2006 — 3 Ws 586/05 —; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08 —; OLG München in NStZ-RR 2009, 32). Dies folgt bereits aus der Formulierung des Protokolls, wonach der Angeklagte zu der Beiordnung „des Vertreters" befragt wurde, und alsdann aus der Begründung des Beschlusses, in der ausdrücklich auf die Terminskollision des bereits beigeordneten Rechtsanwalts S. hingewiesen wird. Schließlich ist auch aus dem Beschlusstenor, der eine Beiordnung „für den Termin am 26.01.2012" vorsieht, zu entnehmen, dass Rechtsanwältin A. nur ersatzweise wegen Verhinderung des eigentlichen Pflichtverteidigers und nur für den entsprechenden Termin bestellt werden sollte. Dass die die Beiordnung vor- nehmende Richterin Gebauer Rechtsanwältin A. tatsächlich lediglich als Vertreterin von Rechtsanwalt S. und nicht als zweite Verteidigerin beiordnen wollte, ergibt sich zweifelsfrei insbesondere aus dem die Erinnerung verwerfenden Beschluss derselben Richterin vom 11. Juli 2012, der in der Begründung mit der Auslegung des Senats übereinstimmt.

Die Strafkammer hat ihre Auffassung, Rechtsanwältin A. sei nicht nur als Vertreterin, sondern als zweite Verteidigerin anzusehen, damit begründet, dass es neben der Formulierung des Beiordnungsbeschlusses auch von Bedeutung sein könne, ob der zusätzlich bestellte Verteidiger gehalten sei, sich umfassend in den Verfahrensstoff einzuarbeiten und/oder eine zeitaufwendige den Termin vorbereitende Tätigkeit zu entfalten. In diesen besonderen Fällen, wie er vorliegend gegeben sei (wird näher ausgeführt), könne nicht mehr von einer bloßen Vertretung ausgegangen werden, so dass über die Terminsgebühr hinaus weitere Gebühren anfielen. Rechtsanwältin A. habe eine so „umfassende, eigenverantwortliche und inhaltlich unbeschränkte Beistandsleistung als Verteidigerin entfaltet", dass ihre Terminswahrnehmung der eines „ordentlichen Pflichtverteidigers" gleichstehe (vgl. dazu auch OLG Hamm, Beschluss vom 5. Mai 2009 — 3 Ws 68/09 —; OLG Stuttgart, aa0).

Der Senat hält derartige Abgrenzungskriterien indes für letztlich wenig praktikabel. Ob und inwieweit der im Einzelfall geforderte Einsatz des an Stelle des bereits beigeordneten Rechtsanwalts in einem oftmals nur einzigen Hauptverhandlungstermin mitwirkenden Vertreters über das „übliche Maß" hinausgeht, kommt wesentlich auf den jeweiligen Blickwinkel an. Grundsätzlich darf vorausgesetzt werden, dass sich die Tätigkeit eines jeden als Organ der Rechtspflege den Belangen des Angeklagten verpflichteten Verteidigers nicht nur auf die bloße Anwesenheit in der Hauptverhandlung beschränkt, sondern mit einer Mitgestaltung sowie mit einer gewissen Vor- und Nachbereitung des Termins einhergeht. Außerdem erscheint es auf der Suche nach hinreichend brauchbaren Kriterien für die Auslegung des Willens des beiordnenden Gerichts problematisch, auf dessen schon im Zeitpunkt der Beiordnung bestehende Vorstellung von dem möglichen Umfang der dem Verteidiger zufallenden Tätigkeit abzustellen. Letztendlich findet die differenzierende Auffassung der Strafkammer auch im Gesetz insoweit keine Stütze, als der gerichtlich beigeordnete Rechtsanwalt nach dem Vergütungsverzeichnis Anlage 1 Teil 4 RVG für seine Tätigkeit bestimmte Festgebühren erhält, und zwar ungeachtet des von ihm im Einzelfall dafür erbrachten tatsächlichen Arbeitsaufwandes.

Da Rechtsanwältin A. am 26. Januar 2012 in rechtlich zulässiger Weise (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 — I Ws 201/11 —) lediglich als Terminsvertreterin für Rechtsanwalt S. beigeordnet war, stünde ihr für die Teilnahme an der Hauptverhandlung allenfalls die Terminsgebühr zu. Denn ihr Anspruch als ersatzweise bestellte Pflichtverteidigerin könnte nicht höher sein als er in der Person des vertretenen Rechtsanwalts S. angefallen wäre, wenn dieser selbst zum Termin erschienen wäre. Hat, wie hier, der originär bestellte Pflichtverteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit aber schon verdient (Grundgebühr und Verfahrensgebühr, siehe Festsetzungsantrag des Rechtsanwalts vom 19. März 2012 und Festsetzungsbeschluss vom 23. April 2012 auf BI 615, 743 d.A.), hätte die Landeskasse dem Vertreter allenfalls noch die Terminsgebühr zu erstatten. Lässt sich ein Verteidiger in einem Hauptverhandlungstermin durch einen anderen Verteidiger vertreten, kann dies nicht dazu führen, dass Grund- und Verfahrensgebühr mehrfach entstehen. Anderenfalls könnte ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Vertreter vertreten lässt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 29. Juli 2010 — 1 Ws 82/10 —; OLG Hamm, Beschluss vom 28. November 2006 — 3 Ws 569/06 —; OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2006 — 2 Ws 258/06 —; KG, Beschluss vom 13. März 2008 — 1 Ws 77/08 — und in NStZ-RR 2005, 327; Hartmann, Kostengesetze, 41. Aufl., RVG VV 4100, 4101 Rdnr. 2). Gleiches gilt im Übrigen für die sonstigen von Rechtsanwältin A. geltend gemachten Positionen wie Post- und Telekommunikations- pauschale (vgl. KG in NStZ-RR 2011, 295).

Nach Aktenlage sieht der Senat Rechtsanwältin A. nicht als aktivlegitimiert an, die Terminsgebühr für den 26. Januar 2012 im eigenen Namen geltend zu machen. Wie ausgeführt, steht ihr gem. § 5 RVG in eigener Person kein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu. Zwar besteht im Innenverhältnis die Möglichkeit, dass der „eigentlich" beigeordnete Rechtsanwalt seinen Anspruch an den Vertreter abtritt und dieser ihn alsdann gegen die Staatskasse geltend macht, wovon mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in der Regel ausgegangen werden dürfte (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 29. März 2010 —4 WF 32/10 —; OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08 —; OLG Rostock, Beschluss vom 15. Sep tember 2011 — I Ws 201/11 —; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 18. Mai 2007 — 6 W 151/06 —; OLG Frankfurt/Main in NJW 1980, 1703). Vorliegend ist eine derartige ausdrückliche oder konkludente Abtretung indes nicht nur nicht behauptet worden. Vielmehr hat Rechtsanwalt S. in seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 19. März 2012 die Terminsgebühr auch für den von seiner Vertreterin wahrgenommenen Termin für sich selbst geltend gemacht, wenngleich sie ihm in dem Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 23. April 2012 wegen Nichtteilnahme am Termin nicht zuerkannt wurde.

Danach hat der Senat die angefochtene Entscheidung der Strafkammer vom 21. August 2012 aufgehoben und als Beschwerdegericht die in der Sache anstehende Entscheidung selbst getroffen. Zur Klarstellung waren zugleich auch die vorausgegangenen Entscheidungen des Amtsgerichts Sinzig vom 5. Juli 2012 und 11. Juli 2012 aufzuheben.


Einsender: RÄin A. Aengenheister, 53129 Bonn

Anmerkung:


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