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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Vergütungsfestsetzung

Differenztheorie, Quotelung der Kosten, Vergleichbarkeit, Anwendbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 19.10.2011 - 2 Ws 174/11

Leitsatz: Die Quotelung der Kosten nach § 464d StPO stellt in der Sache keinen von der Differenztheorie grundsätzlich zu unterscheidenden Berechnungsweg dar. Sie dient vielmehr der Vereinfachung der Anwendung der Differenzmethode und soll gerade bei einfachen, überschaubaren Sachverhalten Anwendung finden. Insbesondere darf die Quotelung nicht dazu führen, dass höhere Auslagen erstattet werden, als dies nach der Differenztheorie der Fall wäre.


Oberlandesgericht Celle
2 Ws 174/11
Beschluss
In der Strafsache
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung des Bezirksrevisors beim Landgericht Stade durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter am 19. Oktober 2011 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stade vom 26. Mai 2011 wird verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist keine Beschwerde gegeben (§ 304 Abs. 4 StPO).
Beschwerdewert: 3.808,08 €.

Gründe:
I.
Das Landgericht Stade verurteilte den Angeklagten am 8. Februar 2010, rechtskräftig seit dem 6. August 2010, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen unter Einbeziehung mehrerer früherer Verurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie wegen Verbreitens pornographischer Schriften in fünf Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten, deren Vollstreckung ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Von den Vorwürfen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 10 Fällen, der Nötigung und der Anstiftung zur Falschaussage sprach es den Angeklagten frei.

Soweit er verurteilt wurde, legte das Landgericht die Kosten des Verfahrens dem Angeklagten auf, soweit er freigesprochen wurde, wurde die Landeskasse zur Kostentragung verpflichtet.
Dem Angeklagten wurden mit der Anklage vom 2. April 2008 insgesamt 70 Straftaten vorgeworfen, darunter 44 Fälle des sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen. Wegen dieser 44 Taten hatte das Landgericht die Anklage wegen mangelnder Umgrenzung der prozessualen Taten durch Beschluss vom 26. Februar 2009 nicht zur Hauptverhandlung zugelassen und die insoweit entstandenen Kosten und notwendigen Auslagen des Angeklagten der Landeskasse auferlegt.

Im Kostenfestsetzungsverfahren begehrt der Angeklagte Erstattung von 80 % der ihm entstandenen Wahlverteidigergebühren, also 3.808,08 €, und beruft sich insoweit auf eine Kostenfestsetzung nach einer Quote von 4/5 zu 1/5.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat es der Rechtspfleger beim Landgericht abgelehnt, die Kostenfestsetzung nach einer Quote durchzuführen, sondern auf der Grundlage der Differenztheorie eine Auslagenerstattung zu Gunsten des Angeklagten abgelehnt, weil durch den Freispruch ausscheidbare Kosten nicht erkennbar seien.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.

II.
Die nach §§ 464b S. 3 StPO, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ZPO, §§ 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPfIG zulässige sofortige Beschwerde, über die der Einzelrichter des Strafsenats nach § 464b StPO i.V.m. § 568 Satz 1 ZPO zu entscheiden hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Oktober 2009 - 1 Ws 448/09 - und vom 27. Dezember 2010 - 1 Ws 646/10 m.w.N., juris), hat in der Sache keinen Erfolg.

Dabei kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, ob die Kostenfestsetzung überhaupt, wie vom Angeklagten begehrt, auf der Grundlage einer Quote nach § 464d StPO erfolgen konnte. Denn auch eine Kostenquotelung würde im Ergebnis zu einer vollen Kostentragungspflicht des Angeklagten führen.

Im Einzelnen:
1.
Grundsätzlich steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts bzw. des Rechtspflegers, ob bei der Kostenfestsetzung von der Möglichkeit einer Quotelung nach § 464d StPO Gebrauch gemacht wird (vgl. nur Meyer-Goßner, 54. Aufl., § 464d Rn. 1; LR-Hilger, 12. Aufl., § 464d Rn. 4; OLG Karlsruhe, NStZ 1998, 317). Streitig ist indes, ob im Rahmen der Kostenfestsetzung eine Aufteilung der Kostenlast nach einer Quote zulässig ist, wenn die maßgebliche Kostengrundentscheidung dem An-geklagten einen Auslagenerstattungsanspruch nur zubilligt, „soweit" er frei gesprochen worden ist, denn diese Auslagenentscheidung indiziert eine Kostenverteilung nach der Differenztheorie (gegen die Möglichkeit einer Festsetzung nach einer Quote in diesem Fall z.B. LG Oldenburg, NdsRPfl 1999, 296; LG Koblenz, JurBüro 2009, 317; vgl. auch LR-Hilger, a.a.O.; anders die wohl h.M., z.B. KG StraFo 2009, 260; OLG Dresden, Besohl. v. 9.1.2002, 1 Ws 249/01 — juris; OLG Köln NStZ-RR 2004, 384; die Gesetzesmaterialien [Drs. 12/6962, S.111] geben hierzu entgegen KG, a.a.O., keine Auskunft).

2.
Im Ergebnis braucht die zuvor aufgeworfene Rechtsfrage nicht entschieden zu werden, denn auch bei Verteilung der Auslagen nach Quotengrundsätzen kommt im konkreten Fall eine Auslagenerstattung zu Gunsten des Angeklagten weder bezüglich der bereits durch den (Nicht-)Eröffnungsbeschluss ausgeschiedenen Taten noch bezüglich derjenigen Taten, wegen derer der Angeklagte freigesprochen wurde, in Betracht.

a) Die Quotelung der Kosten nach § 464d StPO stellt in der Sache keinen von der Differenztheorie grundsätzlich zu unterscheidenden Berechnungsweg dar. Sie dient vielmehr der Vereinfachung der Anwendung der Differenzmethode und soll gerade bei einfachen, überschaubaren Sachverhalten Anwendung finden (vgl. nur Meyer-Goßner, StPO, a.a.O.; OLG Dresden, a.a.O.; OLG Karlsruhe, a.a.O.). Ausgangspunkt bei einer Quotenfestsetzung bleibt damit — wie bei der Differenztheorie -, was der Angeklagte an seinen Verteidiger hätte zahlen müssen, wenn nur die abgeurteilten Taten Gegenstand des Verfahrens gewesen wären; zu erstatten sind nur die durch den freigesprochenen Teil zusätzlich entstandenen Auslagen (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Insbesondere darf die Quotelung nicht dazu führen, dass höhere Auslagen erstattet werden, als dies nach der Differenztheorie der Fall wäre (OLG Köln, a.a.O.).

Deswegen wäre es verfehlt und insbesondere kostenrechtlich ermessensfehlerhaft, die Quote z.B. nach der Zahl der nicht eröffneten bzw. Freispruchs-Taten im Verhältnis zur Zahl der abgeurteilten Taten zu bilden oder nach dem Gewicht der jeweiligen Taten zu differenzieren. Dies würde zudem zu Wertungswidersprüchen gegenüber Verfahren führen, bei denen ein Angeklagter wegen einer Tat nicht freigesprochen, sondern nur wegen eines im Vergleich zur Anklage deutlich geringeren Delikts verurteilt wird. Auch in diesem Fall hat der Angeklagte die Verfahrenskosten nach § 465 StPO zu tragen.

b)
Übertragen auf den vorliegenden Fall führt dies dazu, dass ausscheidbare Mehrkosten, die auf die nichteröffneten Taten bzw. auf den Freispruchsteil entfallen, nicht auszumachen sind.

Die Anklage wie auch das Urteil beruhen in der Beweisführung im Wesentlichen auf der Aussage der Nebenklägerin. Deren Angaben waren Grundlage sämtlicher angeklagter Taten, mithin auch derjenigen, derentwegen die Anklage nicht zugelassen wurde bzw. derentwegen der Angeklagte freigesprochen wurde. Dementsprechend kann weder der Gang des Ermittlungsverfahrens noch der Verlauf der Hauptverhandlung aufgespalten werden in einen auf den freigesprochenen bzw. nicht eröffneten Teil und einen auf die Verurteilung entfallenden Teil. Denn die Prüfung der Glaubhaftigkeit der Angaben einer Zeugin muss umfassend und aufgrund einer Auseinandersetzung mit ihrer gesamten Aussage erfolgen und kann nicht auf einzelne Taten heruntergebrochen werden. Dementsprechend hat sich die Kammer in den Urteilsgründen intensiv damit auseinander gesetzt, warum sie den Angaben der Zeugin zu den abgeurteilten Taten folgt, obwohl sie sich nicht von der Glaubhaftigkeit der Angaben insbesondere zu einem etwaigen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten vor Vollendung ihres 14. Lebensjahres überzeugt war. Damit hatte insbesondere die weitere Beweisaufnahme zu den Taten, wegen derer der Angeklagte freigesprochen wurde, eine mittelbare Auswirkung auch für die Überzeugungsbildung hinsichtlich der abgeurteilten Taten.

Kostenrechtlich kann daher weder nach den Grundsätzen der Differenztheorie noch bei Verteilung nach Quotengrundsätzen ein Verfahrensteil ausgeklammert werden, der nicht durch Verurteilung veranlasst war.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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