Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

RVG Entscheidungen

Nr. 5115 VV

Bußgeldverfahren, Mittelgebühr, zusätzliche Verfahrensgebühr, Festgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Waldbröl, Beschl. v. 17.08.2016 - 44 OWi 72/16 (b)

Leitsatz: Bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG handelt es sich um eine (versteckte) Festgebühr.


Amtsgericht Waldbröl
Beschluss
In dem Verfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wird unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbescheides vom 11.04.2016 — Az.: 30.3.7-7605.9041618.1 - des Landrates des Oberbergischen Kreises der erstattungsfähige Betrag auf 499,90 EUR festgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.

Gründe:

I.
Gegen den Betroffenen wurde wegen Anordnung der Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges, obwohl dessen Reifen keine vorschriftsmäßigen Profilrillen oder Einschnitte oder keine ausreichende Profil- oder Einschnitttiefe besaß durch Bußgeldbescheid des Landrates des Oberbergischen Kreises vom 27.08.2014 eine Geldbuße in Höhe von 75,00 EUR festgesetzt. Hiergegen legte der Betroffene durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 03.09.2014 Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 24.09.2014 begründete dem Verteidiger den Einspruch damit, dass der Verstoß verjährt sei. Der Betroffene sei erstmals mit Anhörungsschreiben vorn 23,07.2014 angehört worden, welches ihm erst nach Ablauf des 24.07.2014 zugegangen sei; zu diesem Zeitpunkt sei die Ordnungswidrigkeit bereits verjährt gewesen. Mit Schreiben vom 22.01.2015 bat der Verteidiger um kurzfristige Entscheidung über den Einspruch. Mit Schreiben vom 14.09.2015 und 07.03.2016 bat der Verteidiger weiterhin um Entscheidung. Nach Aktenvermerk des Kreises vom 16.03.2016 wurde das Verfahren aufgrund eines Büroversehens nicht vor Eintritt der Verjährung bearbeitet. Die Behörde stellte das Verfahren daraufhin gemäß § 47 Abs. 1 OWiG ein, wobei die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dem Oberbergischen Kreis zur Last fielen.

Der Betroffene beantragte die Festsetzung und Erstattung seiner notwendigen Auslagen in einer Gesamthöhe von 535,60 Euro. Im Einzelnen machte er folgende Beträge für die außergerichtliche Tätigkeit geltend:
Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG 100,00EUR
Verfahrensgebühr gem. Nr. 5103 VV RVG 160,00EUR
Verfahrensgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG 160,00EUR
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 RVG EUR
Zwischensumme 440,00EUR
19% Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG 83,60 EUR
Zzgl. Aktenversendung 12,00 EUR
Endsumme 535,60EUR

Die Verwaltungsbehörde setzte mit Bescheid vom 11.04.2016 - dem Verteidiger zugestellt am 12.04.2016 - hiervon abweichend die zu erstattenden notwendigen Auslagen wie folgt fest:
Grundgebühr gem. Nr. 5100 VV RVG 70,00 EUR
Verfahrensgebühr gem. Nr. 5103 VV RVG 112,00EUR
Verfahrensgebühr gem. Nr. 5115 VV RVG 112,00EUR
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 W RVG 59,66 EUR
Auslagen Aktenversendung 12,00 EUR
Erstattungsbetrag 385,66EUR

Dies begründete die Behörde damit, dass die Höhe der Gebühren unbillig sei. Die Behörde gehe von einer unterdurchschnittlichen Tätigkeit sowohl im Umfang als auch der Schwierigkeit und der tatsächlichen und wirtschaftlichen Bedeutung für den Betroffenen aus. Daher sehe in die Behörde allenfalls Gebühren i.H.v. 70 % der Mittelgebühren als gerechtfertigt an.

Gegen diese Festsetzung beantragte der Betroffene mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 12.04.2016, welcher bei der Verwaltungsbehörde am 14.04.2016 einging, gerichtliche Entscheidung. Der Verteidiger beantragte darin, zu dem festgesetzten Betrag weitere 96,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer, also insgesamt weitere 114,24 EUR festzusetzen.

Zur Begründung weist er darauf hin, dass die Ziffern 5103 VV RVG und 5115 VV RVG zu Unrecht gekürzt worden seien, weil die Angelegenheit entgegen den Feststellungen der Behörde überdurchschnittlich gewesen sei. Bei dem vorliegenden Fall habe der Betroffenen als Geschäftsführer für die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeugs in Anspruch genommen werden sollen. Dies stelle keinen typischen und alltäglichen Verstoß dar. Zudem handele es sich uni einen Verstoß mit einem Eintrag ins Fahreignungsregister. Da der Betroffene Geschäftsführer eines Taxiunternehmens sei, sei er bei der Anzahl der vorhandenen Taxen grundsätzlich einem höheren Risiko von weiteren Punkten ausgesetzt. Zudem handele es sich vor allen Dingen auch wegen der überlangen Verfahrensdauer um eine Angelegenheit im überdurchschnittlichen Bereich. Trotz eindeutiger Rechtslage habe die Behörde fast zwei Jahre lang nicht entschieden. Dies sei für den Verteidiger mit einem überdurchschnittlichen Bearbeitungsaufwand verbunden gewesen, weil sie turnusgemäß vorgelegt und überprüft habe werden müssen.

Die Erledigungsgebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG bemesse sich an der Rahmenmitte der in Betracht kommenden Verfahrensgebühr und liege nicht im Ermessen des Verteidigers.

II.
Der nach §§ 106, 62 OWiG zulässige Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist begründet.

Der Kostenfestsetzungsbescheid des Landrates des Oberbergischen Kreises vom 11.04.2016 hält der gerichtlichen Überprüfung in der angegriffenen Höhe nicht stand und war insoweit aufzuheben, denn die Gebühr nach 5103 VV RVG sowie die zusätzliche Gebühr nach 5115 VV RVG sind in der Zugrundelegung auf den vorliegenden Sachverhalt zu Unrecht durch die Verwaltungsbehörde gekürzt worden.

Die erstattungsfähigen Auslagen des Betroffenen waren, wie tenoriert, in Höhe von 499,90 EUR festzusetzen.

1. Gemäß § 14 Abs. Abs. 1 S.1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Höhe nach billigem Ermessen. Der Gebührenansatz hat sich an Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und der Bedeutung der Angelegenheit zu orientieren. Ausgangspunkt ist hierfür grundsätzlich die Mittelgebühr (Göhler, OWiG, 16. Aufl., Vor § 105, Rn. 42 b). Lediglich bei Bußgeldsachen einfachster Art kann auch einmal eine unter dem Mittelwert liegenden Gebühr angemessen sein. Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Bußgeldsache einfachster Art. Der Vorwurf richtete sich gegen den Betroffenen als Halter, der die Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges ohne gesetzmäßige Bereifung angeordnet habe. Dabei handelt es sich nicht um eine besonders leichte bzw. alltägliche Frage. Zudem ist auch, wie von dem Verteidiger vorgebracht, die besondere Bedeutung der Sache für den Betroffenen zu beachten. Wird dieser als Halter wegen eines Verstoßes gegen die ordnungsgemäße Bereifung in Anspruch genommen, so ist er als Geschäftsführer eines Taxiunternehmens besonders der Gefahr ausgesetzt, dass ihn ein solcher Vorwurf häufiger treffen kann. Insofern kann im Hinblick auf die Bedeutung der Sache für den Betroffenen nicht von einer unterdurchschnittlichen Angelegenheit ausgegangen werden. Auch der Umfang der Sache ist nicht als unterdurchschnittlich einzustufen. Hier ist auf die Besonderheit des Verfahrens abzustellen, dass das Verfahren bei der Verwaltungsbehörde über längere Zeit nicht entschieden wurde und so der Verteidiger dazu veranlasst wurde, sich, häufiger als eigentlich in einem solchen Verfahren notwendig, mit der Sache zu befassen.

Nr. 5103 VV RVG sieht bei einer hier vorliegenden Geldbuße von 75,00 EUR eine Rahmengebühr von 30,00 EUR — 290,00 EUR vor. Die vom Verteidiger angesetzte Mittelgebühr i.H.v. 160,00 EUR ist nach den obigen Ausführungen nicht zu beanstanden.

2. Die zusätzliche Gebühr gemäß Nr. 5115 VV RVG war ebenfalls auf 160,00 EUR zu erhöhen. Hierbei handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine versteckte Festgebühr (so auch: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., Nrn. 5100-5200, Rdnr. 16).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO
4. Die Entscheidung ist unanfechtbar gemäß § 108 Abs. 1 Nr. 2, S. 2 OWiG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR nicht.
Waldbröl, 17.08.2016


Einsender: RA F. Scheske, Nümbrecht

Anmerkung:


den gebührenrechtlichen Newsletter abonnieren


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".