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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr, Voraussetzungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.09.2017 - 2 ARs 13/17

Leitsatz: Zur Gewährung einer Pauschgebühr.


2 ARs 13/17
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
BESCHLUSS
Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in der Strafsache
gegen pp.
wegen Verstoßes das Betäubungsmittelgesetz
Auf Antrag des Pflichtverteidigers des Angeklagten pp., hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 2. Strafsenat - durch den Einzelrichter nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse am 19. September 2017 gemäß § 51 RVG beschlossen:

Dem Pflichtverteidiger wird eine zusätzliche Einarbeitungsentschädigung von 5.000,-- € (in Worten: fünftausend Euro bewilligt.

Hierin sind Auslagen und Nebenkosten nicht enthalten.

Bereits ausgezahlte gesetzliche Gebühren sind nicht anzurechnen. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr hat in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe Erfolg.

Der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist gegenüber § 99 BRAGO erheblich eingeschränkt, wie der Senat in der Besetzung mit drei Richtern in seinem Grundsatzbeschluss vom 14. Dezember 2005 (2 ARs 154/05) ausgeführt hat. Nach dem neuen Recht ist eine Pauschgebühr nur noch zu bewilligen, wenn die im Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Diese Einschränkung ist nach der amtlichen Begründung (vgl. BT-Dr. 15/1971 S.203) gerechtfertigt, weil in das Gebührenverzeichnis zum RVG neue Gebührentatbestände aufgenommen worden sind, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig bei der Bewilligung einer Pauschgebühr berücksichtigt worden sind. Das gilt zum Beispiel für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren oder die Teilnahme an Haftprüfungsterminen. Für diese Tätigkeiten steht dem Pflichtverteidiger nach neuem Recht ein gesetzlicher Gebührenanspruch gemäß VV Nummern 4102 Nr. 1 und Nr. 3 zu. Gleiches gilt für die Dauer der Hauptverhandlung, da das Vergütungsverzeichnis für den Pflichtverteidiger für mehr als 5 bzw. 8 Stunden dauernde Hauptverhandlungstermine Zuschläge zu den Hauptverhandlungsgebühren vorsieht (vgl. VV Nummern 4116 und 4117). Die bisherigen Grundsätze für die Bewilligung einer Pauschgebühr sind damit nur noch sehr eingeschränkt anwendbar.

Weitere Voraussetzung für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass die gesetzlichen Gebühren unzumutbar sind. Damit soll verhindert werden, dass der Pflichtverteidiger ein Sonderopfer erbringt. Zur Stellung des Pflichtverteidigers hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 6. November 1984 — 2 BvL 16/83 u.a. ausgeführt:
„Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfGE 39, 238 (241)). Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Vielmehr besteht ihr Zweck ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, daß der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfGE a.a.O. S. 242; vgl. auch BGHSt 3, 395 (398)). Der vom Gerichtsvorsitzenden ausgewählte und beigeordnete Rechtsanwalt darf die Übernahme der Verteidigung nicht ohne wichtigen Grund ablehnen (§ 49 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 BRAO), sondern muß - gegebenenfalls unter Hintansetzung anderer beruflicher Interessen - die ihm übertragene Verteidigung führen. Ein Widerruf der Bestellung des Pflichtverteidigers ist ebenfalls nur aus wichtigem Grund zulässig (vgl. BVerfGE a.a.O. S. 244 m. w. N.). Im Gegensatz zum gewählten Verteidiger, der seine Aufgaben in der Hauptverhandlung im Falle kurzfristiger Verhinderung durch sonstige Geschäfte von einem anderen Verteidiger wahrnehmen lassen kann (vgl. BGHSt 15, 306 (308)), hat der Pflichtverteidiger stets und ununterbrochen an der Verhandlung teilzunehmen. Er darf zu seiner Entlastung weder Untervollmacht erteilen (vgl. BGH, Strafverteidiger 1981, S. 393) noch einem Referendar Verteidigerfunktionen übertragen (vgl. § 139 StPO; BGH, NJW 1958, S. 1308 f.). Im übrigen weist die Strafprozeßordnung dem Pflichtverteidiger die gleichen Aufgaben zu wie dem Wahlverteidiger. Wie dieser hat er auch die gleichen standesrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Angesichts dieser umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht des Anwaltsstandes angesehen, sondern den Pflicht-verteidiger honoriert. Der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers aus § 97 BRAGO liegt indessen erheblich unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers. Diese Begrenzung ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne daß er sich dieser Belastung entziehen könnte, gewinnt die Höhe des Entgelts für ihn existenzielle Bedeutung. Eine Verteidigung zu den verkürzten Gebühren des § 97 BRAGO könnte dann dem Pflichtverteidiger ein unzumutbares Opfer abverlangen. Schon das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) gebietet für solch besondere Fallgestaltungen eine Regelung, die es, wie § 99 BRAGO, ermöglicht, der aufgezeigten Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. BVerfGE 47, 285 (321 f.); 54, 251 (271))."

Diese Grundsätze gelten auch für das neue Recht (vgl. BVerfG, NJW 2005, 1264; 2005, 3699). Sinn und Zweck der Pauschgebühr ist es danach nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; sie soll nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindern (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl., RVG, § 51 Rdn. 2). Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt nach alledem nur noch in Ausnahmefällen in Betracht. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl, Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. März 2007 — 2 BvR 51/07NJW 2007, 3420).

Gemessen an diesen Vorgaben hat der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung in dem vorliegenden Fall Erfolg.

Dabei ist allerdings davon auszugehen, dass schon nach bisherigem Recht eine intensive und sorgfältige Vorbereitung der Termine, die das Erarbeiten des Prozessstoffs, Besprechungen mit dem Mandanten und das Anfertigen von Schriftsätzen einschließt, zu den selbstverständlichen Pflichten des Verteidigers als Organ der Rechtspflege gehörte (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21. August 2003 - 2 ARs 115/03). Der Umfang der Beweisaufnahme schlägt sich in der Anzahl und Dauer der Hauptverhandlungstermine nieder und ist deshalb grundsätzlich kein Bemessungs-kriterium für eine Pauschvergütung. Jeder Hauptverhandlungstag wird gesondert vergütet, wobei auch die Stundenzahl berücksichtigt wird. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass die Sache besondere rechtliche Schwierigkeiten im Vergleich mit anderen erstinstanzlichen Verfahren vor einer Großen Jugendstrafkammer aufweist. Zu berücksichtigen in dem vorliegenden Fall ist aber insbesondere der - selbst für ein Verfahren vor einer Großen Jugendstrafkammer - außergewöhnliche Aktenumfang. Dies rechtfertigt die Zuerkennung einer zusätzlichen Einarbeitungsentschädigung ohne Anrechnung auf die gesetzlichen Gebühren, Der Senat erachtet insoweit einen Betrag von 5.000,- € für angemessen aber auch ausreichend, um eine unzumutbare Benachteiligung des Antragstellers zu verhindern.

Dass der Antragsteller darüber hinaus Tätigkeiten erbracht hat, die die Annahme eines Sonderopfers begründen könnten, ist nicht ersichtlich. Das käme in Betracht, wenn der Rechtsanwalt durch die Inanspruchnahme als Pflichtverteidiger über längere Zeit fast ausschließlich mit diesem Verfahren befasst gewesen wäre und andere Mandate hatte zurückweisen müssen. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.


Einsender: RA W. Siebers, Braunschweig

Anmerkung:


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