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RVG Entscheidungen

§ 48

Erstreckungsantrag, Erforderlichkeit, Zeitpunkt der Antragstellung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.10..2017 – 1 Ws 196/17

Leitsatz: 1. § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG gilt unabhängig davon, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der in einem der verbundenen Verfahren vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung angeordnet wird.
2. Der Verteidiger kann den Erstreckungsantrag auch noch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss im Kostenfestsetzungsverfahren stellen.


In pp.
Auf die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) wird der Beschluss der 1. Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. Juni 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Gründe
Die weitere Beschwerde betrifft die Frage, ob bei einer mit der Pflichtverteidigerbeiordnung vorgenommenen Verfahrensverbindung Satz 1 oder Satz 3 des § 48 Abs. 6 RVG gilt.

Die Staatsanwaltschaft Frankenthal (Pfalz) hat gegen den Verurteilten drei Ermittlungsverfahren wegen Diebstahls und versuchten Diebstahls geführt, diese am 3. März 2016 unter dem Az. 5272 Js 7346/16 verbunden und am 4. Mai 2016 Anklage zum Jugendschöffengericht bei dem Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein erhoben. In diesem Verfahren war Rechtsanwalt Y für den Verurteilten seit seiner Vorführung vor den Haftrichter am 26. Februar 2017 als Wahlverteidiger tätig. Weiterhin hat die Staatsanwaltschaft gegen den Verurteilten wegen Diebstahls und Betrugs ermittelt, die beiden Verfahren zu dem Verfahren mit dem Az. 5272 Js 22652/16 verbunden und am 14. September 2016 ebenfalls Anklage zum Jugendschöffengericht erhoben. In diesem Verfahren hat der Rechtsanwalt, den der Verurteilte umfassend als Verteidiger mandatiert hatte, am 26. Oktober 2016 telefonisch Akteneinsicht beantragt und erhalten. Mit Beschluss vom 7. November 2016 hat das Jugendschöffengericht die beiden Verfahren unter dem 5272 Js 7346/16 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, dem Verurteilten seinen Wahlverteidiger zum Pflichtverteidiger beigeordnet, das Hauptverhandlung eröffnet und die beiden Anklagen zur Hauptverhandlung zugelassen. Am 16. November 2016 hat das Gericht gegen den Verurteilten wegen Diebstahls in 3 Fällen und wegen Diebstahls in Tateinheit mit Betrug auf eine Einheitsjugendstrafe von 1 Jahr erkannt. Im Übrigen ist das Verfahren gem. § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden.

Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 18. November 2016 hat der Verteidiger sowohl für das Hauptsacheverfahren 5272 Js 7346/16 als auch für das Verbundverfahren 5272 Js 22652/16 Grund- und Verfahrensgebühren geltend gemacht. Die Urkundsbeamtin bei dem Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat mit Beschluss vom 16. Dezember 2016 die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung antragsgemäß mit 1.646,01 € festgesetzt. Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Bezirksrevisorin Erinnerung eingelegt. Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 22. Februar 2017 als unbegründet verworfen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde der Bezirksrevisorin hat das Landgericht ebenfalls als unbegründet verworfen und die weitere Beschwerde zugelassen. Das Landgericht ist der Auffassung, § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG finde nur in den Fällen Anwendung, in denen die Verfahrensverbindung nach der in einem der Ausgangsverfahren angeordneten Pflichtverteidigerbeiordnung vorgenommen wird, mit der Folge, dass im vorliegenden Fall eine Entscheidung über die Erstreckung der Pflichtverteidigerbeiordnung nicht erforderlich sei. Der Beschluss ist der Bezirksrevisorin am 8. Juni 2017 zugestellt worden. Sie hat mit ihrem am 18. Juni 2017 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz von der eingeräumten Möglichkeit der weiteren Beschwerde Gebrauch gemacht. Die Bezirksrevisorin vertritt die Auffassung, dass § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG unabhängig von der Frage gilt, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der Pflichtverteidigerbeiordnung erfolgt ist, mit der Folge, dass mangels Erstreckung der Pflichtverteidigerbeiordnung auf Verbundverfahren die Pflichtverteidigervergütung auf lediglich 1.269,73 € festzusetzen sei.

Der Senat hat über die weiteren Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden, weil das Landgericht - nach Übertragung der Sache auf die Kammer - auch in der Besetzung mit drei Richtern entschieden hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).

Die weitere Beschwerde ist zulässig und begründet.

Die Zulassung der weiteren Beschwerde ist wirksam, weil das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden hat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG). Die Frist für die Einlegung der weiteren Beschwerde, die gem. § 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3, Abs. 6 Satz 4 RVG zwei Wochen beträgt, ist eingehalten.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Der Senat folgt der von dem Landgericht vertretenen Rechtsauffassung nicht.

Es liegt hier eine Verbindung im Sinne des § § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG vor. Das Amtsgericht hat die Verfahren nicht nur zur gemeinsamen Verhandlung (§ 237 StPO), sondern auch zur gemeinsamen Entscheidung verbunden (§ 4 Abs. 1 StPO).

Zutreffend weist das Landgericht allerdings darauf hin, dass sich der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG nicht nach dem Gesetzeswortlaut bestimmen lässt. Dem Landgericht ist auch zuzugestehen, dass es gute Gründe dafür gibt, die Vorschrift auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anzuwenden (so Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 07. August 2012, Ws 137/11, zit. nach juris, noch zu § 48 Abs. 5 a. F.). Der Senat folgt aber der u. a auch von dem Oberlandesgericht Koblenz zu dieser Frage vertretenen Auffassung (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Mai 2012, 2 Ws 242/12; auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Dezember 2010, 1 Ws 583/10 ; OLG Braunschweig, Beschluss vom 22. April 2014, 1 Ws 48/14; zit. nach juris). Für diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG a. F. nach der Gesetzesbegründung einerseits klarstellen wollte, dass die Rückwirkung sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstreckt, in denen bisher kein Pflichtverteidiger bestellt war, andererseits dem Gericht aber die Möglichkeit zur Erstreckung einräumen wollte. Eine Erstreckung sollte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn in einem der verbundenen Verfahren eine Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte (BT-Drs 15/1971, S. 201). Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Vergütung des Verteidigers aus der Staatskasse für hinzuverbundene Verfahren auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen dies aus sachlichen Gründen geboten ist. Dass der Zeitpunkt der Verbindung für die Anwendbarkeit der Vorschrift von Bedeutung sein soll, lässt sich der Begründung dagegen nicht entnehmen (OLG Braunschweig a. a. O., Rn. 34).

Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist die Sache allerdings nicht entscheidungsreif. Der Verteidiger kann den Erstreckungsantrag auch noch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss im Kostenfestsetzungsverfahren stellen (KG Berlin, Beschluss vom 27. September 2011, 1 Ws 64/10, Rn. 5, zit. nach juris). Wie das Amtsgericht und das ihm auch insoweit als Beschwerdegericht übergeordnete Landgericht über den Erstreckungsantrag entscheiden würden, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Der Senat kann darüber nicht selbst entscheiden, weil er hier - auch als Beschwerdegericht – nicht dazu berufen ist.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).


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