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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Pflichtverteidiger, Hafttermin, Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 07.06.2023 - 1 Ws 105/23

Eigener Leitsatz:

Der dem Beschuldigten für die Haftbefehlseröffnung bestellte Pflichtverteidiger kann Grundgebühr, Verfahrensgebühr, Terminsgebühr abrechnen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken

Beschluss

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Verbrechens nach § 29a BtMG

hier: Festsetzung der Pflichtverteidigergebühren

hat der 1. Strafsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden
Richter am Oberlandesgericht pp, den Richter am Oberlandesgericht pp. und den Richter am Landgericht pp. am 07.06.2023 beschlossen:

Auf die weitere Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt pp. wird der Beschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 02.03.2023 aufgehoben und die dem Pflichtverteidiger aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 709,24 € festgesetzt.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Angeklagte ist am 17.03.2022 vorläufig festgenommen worden. Das Amtsgericht hat gegen
ihn am 18.03.2022 Haftbefehl (2a Gs 664/22) erlassen, der am selben Tag eröffnet worden ist. In dem Termin ist der Beschwerdeführer anwesend gewesen. Der Angeklagte hat von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hat beantragt, den Haftbefehl aufrechtzuerhalten und in Vollzug zu setzen. Der Beschwerdeführer hat beantragt, den Haftbefehl außer Vollzug zu setzen. Das Amtsgericht hat daraufhin den Haftbefehl aufrechterhalten und in Vollzug gesetzt. Weiterhin hat es folgenden Beschluss erlassen:

1. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp., als Pflichtverteidiger für den heutigen Haftbefehlseröffnungstermin gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet.
2. Dem Beschuldigten wird Rechtsanwalt pp2. gem. §§ 140 Abs. 1 Nr. 4, 141 Abs. 4 StPO beigeordnet.
3. Dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt pp2. werden zwei Besuchsfahrten in die Justizvollzugsanstalt unter Hinzuziehung eines Dolmetschers genehmigt.

Der Beschwerdeführer hat für seine Tätigkeit Gebühren und Auslagen in Höhe von 866,32 € abgerechnet (Grundgebühr, Verfahrensgebühr sowie Terminsgebühr jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation zuzüglich Umsatzsteuer). Mit Beschluss vom 02.05.2022 ist die Pflichtverteidigervergütung auf 217,77 € festgesetzt worden (Terminsgebühr zuzüglich Umsatzsteuer). Der dagegen gerichteten Erinnerung des Beschwerdeführers hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht nicht abgeholfen. Der Richter beim Amtsgericht hat mit Beschluss vom 04.11.2022 die Pflichtverteidigervergütung auf 655,69 € festgesetzt (Grundgebühr sowie Terminsgebühr jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation zuzüglich Umsatzsteuer). Dagegen hat sowohl die Landeskasse als auch der Beschwerdeführer Rechtsmittel eingelegt. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Kammerbeschluss das Rechtsmittel des Beschwerdeführers verworfen, auf die Beschwerde der Landeskasse die Pflichtverteidigervergütung auf 498,61 € festgesetzt (Grundgebühr sowie Terminsgebühr jeweils mit Zuschlag und eine Pauschale für Post und Telekommunikation <20 €> zuzüglich Umsatzsteuer) und die weitere Beschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen. Gegen die am 13.03.2023 zugestellte Beschwerdeentscheidung hat der Beschwerdeführer mit dem am 14.03.2023 bei dem Landgericht eingegangenen Schriftsatz weitere Beschwerde eingelegt, soweit die Verfahrensgebühr abgesetzt worden ist. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 20.03.2023 nicht abgeholfen.

Die Vertreterin der Landekasse ist gehört worden. Sie ist der Entscheidung des Landgerichts beigetreten.

II.

Über das Rechtsmittel hat gem. § 33 Abs. 8 Satz 1 Halbs. 2 RVG der Senat zu entscheiden.

Die weitere Beschwerde ist gem. § 33 Abs. 6 Satz 1 RVG zulässig. Auf den Beschwerdewert kommt es nicht an, soweit das Rechtsmittel - wie hier - zugelassen worden ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.10.2006 — 8 W 360/06 -, Juris). Das Rechtsmittel ist gem. § 33 Abs. 6 Satz 4, Abs. 3 Satz 3 RVG fristgemäß eingelegt worden.

Der Senat hat den angefochtenen Beschluss umfassend rechtlich zu überprüfen. Ein Verschlechterungsverbot gilt nicht; denn weder die Strafprozessordnung noch das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz sehen ein solches für das Beschwerdeverfahren vor (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.05.1990 - 1 Ws 300/90 -, Juris; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 02.08.2010 - 2 Ws 95/10 -, Juris; Landgericht Zweibrücken, Beschluss vom 02.12.2020 - 1 Qs 33/20 -, Juris).

Die auf die weitere Beschwerde gem. § 33 Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 RVG veranlasste rechtliche Überprüfung führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit die Verfahrensgebühr (4105 RVG-VV) abgesetzt worden ist.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer seine Tätigkeit nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 VV abrechnen kann. Diese Gebührentatbestände - und nicht diejenigen in Anlagen Teil 4 Abschnitt 3 VV - gelten nach ganz überwiegender Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch für den Verteidiger, dessen Beistandsleistung sich auf einen einzelnen Termin beschränkt (a. A. im Falle eines Hauptverhandlungstermins unter bestimmten Umständen: OLG Rostock, Beschluss vom 15.09.2011, 1 Ws 201/11, juris).

Die Zulässigkeit der Vertretung des Pflichtverteidigers und die Frage, welche Gebührentatbestände des Abschnitts 1 der Verteidiger, der für den verhinderten Pflichtverteidiger einen Termin wahrnimmt, abrechnen kann, sind umstritten (OLG Bamberg, Beschluss vom 21.12.2010 - 1 Ws 700/10 -, Juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 25.08.2009 - 2 Ws 111/09 -, Juris; KG Berlin, Beschluss vom 29.06.2005 — 5 Ws 164/05 -, Juris ; OLG Celle, Beschluss vom 19.12.2008 - 2 Ws 365/08 -, Juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008 -III-1 Ws 318/08 -, Juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2008 - 3 Ws 281/08 -, Juris; OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 - 2 Ws 129/10 -, Juris; OLG München, Beschluss vom 27.02.2014 - 4c Ws 2/14 -, Juris; Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 8.12. 2010 — 1 Ws 318/10 -, Juris). Diese Fragen können nach Auffassung des Senats aller-dings für den vorliegenden Fall dahinstehen. Der Beschwerdeführer ist in dem Termin zur Eröffnung des Haftbefehls nicht als Vertreter des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt pp2. tätig geworden.

Hier ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Verfügung des Amtsgerichts, dass Rechtsanwalt pp. für den Vorführungstermin als weiterer Pflichtverteidiger beigeordnet und nicht zum Vertreter des für das weitere Verfahren beigeordneten Verteidigers bestellt werden sollte. Eine bloße Vertretung des Pflichtverteidigers würde auch der Bedeutung des Termins nicht gerecht. Im Übrigen lässt sich die vorliegende Fallkonstellation auch nicht mit dem Fall der Vertretung eines Pflichtverteidigers in einem Termin einer aus mehreren Terminen bestehenden Hauptverhandlung vergleichen. Zu Recht verweist das Landgericht in diesem Zusammenhang schließlich auf § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO; diese Vorschrift zeigt, dass der Gesetzgeber der Verteidigung des Beschuldigten in einem Termin, in dem er zur Entscheidung über Haft vorgeführt werden soll, besonderes Gewicht beigemessen hat.

Welche Gebühren entstehen, ist vom Umfang der Tätigkeit des Rechtsanwaltes als Pflichtverteidiger abhängig.

Die Verfahrensgebühr entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Vorbem. 4 Abs. 2 RVG VV). Durch die Verfahrensgebühr ist die gesamte Tätigkeit eines Rechtsanwaltes im jeweiligen Verfahrensabschnitt abgegolten, soweit hierfür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Die Verfahrensgebühr entsteht aber nicht erst dann, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten ist (so noch zum früheren Rechtszustand: OLG Bamberg a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 20. Januar 2009 - 1 Ws 361/08 -, a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Köln, Beschluss vom 17.01.2007 - 2 Ws 8/07 -, Juris und Beschluss vom 26.03.2010 - 2 Ws 129/10 -, a.a.O.). Mit der Änderung des Gebührentatbestands durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013 (BGBl. 12013, 2586) wurde bestimmt, dass die Grundgebühr grundsätzlich nicht allein anfällt, sondern regelmäßig neben einer Verfahrensgebühr (Burhoff in Gerold-Schmidt, RVG VV 4100, Rn. 9; Enders RVG, Straf- und Bußgeldsachen, Rn. 67; Knaudt in BeckOK RVG VV 4104, Rn. 8). Eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr entsteht für die Tätigkeit in jedem gerichtlichen Verfahren, so auch in Strafsachen. Die Grundgebühr soll lediglich den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BT-Drucks. 17/11471, S. 281). Von der Verfahrensgebühr nicht erfasst wird die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Dafür sieht das RVG die Terminsgebühr vor. Die Terminsgebühr erhält der Rechtsanwalt für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Das Entstehen der Terminsgebühr bei Haftbefehlseröffnungen setzt allerdings voraus, dass in dem Termin mehr geschehen ist als eine reine Verkündung des Haftbefehls (BT-Drucks. 15/1971, S. 223). Es reicht aus, wenn der Verteidiger gegenüber dem Gericht für den Beschuldigten in der Weise tätig geworden ist, dass er Erklärungen oder Stellungnahmen abgegeben oder Anträge gestellt hat, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden (KG Berlin, Beschluss vom 23.06.2006 - 4 Ws 62/06 -, Juris).

Danach hat das Landgericht die Erfüllung der Gebührentatbestände der Grund- und der Terminsgebühr zu Recht angenommen. Die Annahme, die Verfahrensgebühr sei (noch) nicht angefallen, geht allerdings fehl (vgl. zur Beurteilung einer entsprechenden Fallgestaltung nach neuem Recht: LG Magdeburg, Beschluss vom 19.03.2018 - 25 Qs 14/18 -, Juris). Die Überlegungen des Landgerichts zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr einerseits und der Verfahrensgebühr anderseits treffen zwar zu, betreffen aber nur die Bemessung der beiden Gebühren; bemessen werden die Gebühren aber nur beim Wahlverteidiger, während für den Pflichtverteidiger eine Festgebühr gilt.

Der Gebührenanspruch des Verteidigers berechnet sich danach wie folgt:

Grundgebühr mit Zuschlag (Nr. 4101 RVG-VV) 216,00 €
Terminsgebühr mit Zuschlag (Nr. 4103 RVG-VV) 183,00 €
Verfahrensgebühr mit Zuschlag (Nr. 4105 RVG-VV) 177,00 €
Pauschale für Post und Telekommunikation (Nr. 7002 RVG) 20,00 €
Umsatzsteuer 113,24 €
Endsumme 709,24 €


Einsender: RA H. Schneider, Kaiserslautern

Anmerkung:


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