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RVG Entscheidungen

§ 14 – Strafverfahren

Terminsgebühr, Hauptverhandlung, unterdurchschnittlicher Aufwand, nicht erschienener Angeklagter

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dessau-Roßlau, Beschl. v. 23.02.2023 – 6 Qs 193 Js 15836/19 (29/23)

Leitsatz des Gerichts:

Erscheint ein in einem Strafverfahren geladener Angeklagter nicht und beschränkt sich deshalb die Hauptverhandlungsdauer auf 15 Minuten, so ist der Aufwand für die Bemessung der Terminsgebühr (nach Nummer 4108 VV RVG) im Sinne des § 14 Absatz 1 Satz 1 RVG als unterdurchschnittlich zu qualifizieren.


In pp.

Auf die sofortige Beschwerde des Verteidigers hin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 18.01.2023 – Az. 11 Ds 226/20 (193 Js 15836/19) – dahingehend abgeändert, dass die aufgrund des rechtskräftigen und vollstreckbaren Urteils des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 02.02.2023 dem Verteidiger von der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 401,15 EUR festgesetzt werden.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet verworfen.
Der Verteidiger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

Dem vormaligen Angeklagten wurde im Rahmen einer Anklage der Staatsanwaltschaft D.-R. vom 25.05.2020 Betrug vorgeworfen. Das Amtsgericht Dessau-Roßlau führte zwei Hauptverhandlungstermine durch. Diese fanden ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls am 01.03.2021 (von 09:00 Uhr bis 09:15 Uhr) und am 02.02.2022 (von 13:00 Uhr bis 15:10 Uhr) statt. Zu dem Termin am 01.03.2021 war der vormalige Angeklagte unentschuldigt nicht erschienen. Mit Urteil vom 02.02.2022 wurde der vormalige Angeklagte freigesprochen und die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des vormaligen Angeklagten der Staatskasse auferlegt. Das Urteil ist seit dem 10.02.2022 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 03.02.2022 beantragte der Verteidiger des vormaligen Angeklagten unter Vorlage einer Abtretungserklärung die entstandenen notwendigen Auslagen gegen die Landeskasse i.H.v. insgesamt 555,71 EUR sowie Zinsen festzusetzen, die sich wie folgt ergeben:

- Grundgebühr für Verteidiger Nr. 4101, 4100 VV RVG 245,00 EUR
- Verfahrensgebühr für ersten Rechtszug vor dem Amtsgericht, Nr. 4107, 4106 VV RVG 201,25 EUR
- Terminsgebühr für Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, Nr. 4108 VV RVG 275,00 EUR
- Terminsgebühr für Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht, Nr. 4108 VV RVG 275,00 EUR
- Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz Nr. 7003 VV RVG Kfz-Benutzung am 01.03.2021 163,00 km Hin- und Rückweg x 0,30 € 2/3 32,60 EUR
- Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für mehr als vier bis acht Stunden Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG 2/3 26,66 EUR
- Geschäftsreise, Benutzung des eigenen Kfz Nr. 7003 VV RVG Kfz-Benutzung am 02.02.2022 136,00 km Hin- und Rückweg x 0,30 € 1/2 20,40 EUR
- Geschäftsreise, Tage- und Abwesenheitsgeld für mehr als vier bis acht Stunden Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG 1/2 20,00 EUR
Zwischensumme der Gebührenpositionen 1.095,91 EUR
- Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
- Auslagenpauschale für Akteneinsicht 12,00 EUR
- Dokumentenpauschale für Ablichtungen Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG
- Nr. 7000 Nr. 1a VV RVG (93 Seiten) – 31,45 EUR
Zwischensumme netto 1.159,36 EUR
- 19% Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 220,28 EUR
zu zahlender Betrag 1.379,64 EUR
- Abzug gezahlte Pflichtverteidigervergütung – 823,93 EUR
Erstattungsbetrag Staatskasse 555,71 EUR

Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Dessau-Roßlau hat in ihrer Stellungnahme vom 28.02.2022 ausgeführt, dass die beantragte Terminsgebühr für den Termin am 01.03.2021 unbillig hoch sei, da aufgrund der fehlenden Anwesenheit des Angeklagten die Verhandlung lediglich 15 Minuten gedauert habe. Es sei lediglich die Pflichtverteidigung aufgehoben und die Verhandlung ausgesetzt worden. Insoweit habe also keine durchschnittliche Tätigkeit des Verteidigers vorgelegen und sei lediglich eine Gebühr in Höhe von maximal 150,00 EUR erstattungsfähig. Hinsichtlich der Reisekosten für den Termin am 01.03.2021 sei die Berechnung des Verteidigers uneindeutig und dieser nochmal zur Stellungnahme aufzufordern. Im Übrigen wurde dem Antrag des Verteidigers nicht entgegengetreten.

Mit Verfügung vom 28.06.2022 bat der Rechtspfleger den Verteidiger um ergänzende Erläuterung hinsichtlich der geltend gemachten Reisekosten für den Termin am 01.03.2021. Eine Reaktion darauf erfolgte nicht.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 18.01.2023 – Az. 11 Ds 226/20 (193 Js 15836/19) – wurden die dem Verteidiger von der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 336,44 EUR nebst Zinsen festgesetzt, wobei die Terminsgebühr für den Termin am 01.03.2021 entsprechend der Stellungnahme der Bezirksrevisorin auf 150,00 EUR festgesetzt wurde. Eine Festsetzung der Reisekosten des Verteidigers vom 01.03.2021 sowie des Tage- und Abwesenheitsgeldes für diesen Tag erfolgte nicht, sodass die Umsatzsteuer demgemäß i.H.v. 185,27 EUR bestimmt wurde. Im Übrigen entspricht die Festsetzung dem Antrag des Verteidigers.

Gegen den dem Verteidiger am 24.01.2023 zugestellten Beschluss legte dieser durch Schriftsatz vom 03.02.2023, eingegangen bei dem Amtsgericht Dessau-Roßlau am selben Tag, sofortige Beschwerde ein. Zur Begründung führte er aus, dass er am 01.03.2021 ebenfalls einen Termin vor dem Landgericht Magdeburg wahrgenommen habe, in dem er als Pflichtverteidiger beigeordnet sei. Da er nicht über das Büro zurückgefahren sei, habe er die Kosten anteilig angesetzt und dabei die Hin- und Rückfahrt von B. bis Dessau-Roßlau mit 136 km und die Hin- und Rückfahrt von B. nach Magdeburg mit 62 km bemessen. Tatsächlich sei er 163 km gefahren, sodass hiervon in dem Verfahren Dessau 2/3 zu erstatten sei. Die Kürzung der Terminsgebühr auf 150,00 EUR sei unangemessen. Da die Mittelgebühr 302,50 EUR betrage, sei mit den geltend gemachten 275,00 EUR der kurzen Verhandlungsdauer bereits Rechnung getragen worden.

Das Amtsgericht legte die Sache dem Landgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die gemäß § 464b S. 3 und 4 StPO, §§ 11 Abs. 1, 21 Nr. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie wurde fristgerecht innerhalb von zwei Wochen eingelegt. Der Beschwerdegegenstand übersteigt entsprechend den Vorgaben des § 304 Abs. 3 StPO einen Wert von 200,00 EUR. Der Verteidiger ist nach der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs durch den vormaligen Angeklagten selbst beschwerdebefugt.

Die sofortige Beschwerde ist darüber hinaus in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nachdem der Verteidiger im Rahmen der Beschwerdebegründung die Berechnung der durch ihn beantragten anteiligen Kosten der Geschäftsreise am 01.03.2021 nunmehr nachvollziehbar dargelegt hat, waren diese durch die Kammer i.H.v. insgesamt 54,38 EUR festzusetzen. Darin enthalten sind die Fahrtkosten bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs nach Nr. 7003 VV RVG sowie das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 Nr. 2 VV RVG. Die verhältnismäßige Aufteilung der Reisekosten des Verteidigers für mehrere Geschäftsreisen am 01.03.2021 hat die Kammer nach der Berechnungsmethode in Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 25. Aufl. 2021, RVG VV 7003 Rn. 90 vorgenommen und dabei die zutreffenden Angaben des Verteidigers bezüglich der einzelnen Streckenlängen zugrunde gelegt.

Hinsichtlich der Verteidigergebühren sind die vom Amtsgericht festgesetzten von der Landeskasse dem Verteidiger zu erstattenden notwendigen Auslagen nicht zu beanstanden. Die von dem Verteidiger geltend gemachte Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 ist unbillig und damit unverbindlich (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Die durch den Rechtspfleger vorgenommene Kürzung der insoweit beantragten Gebühr nach Nr. 4108 VV RVG auf 150,00 EUR hält der rechtlichen Überprüfung stand.

Die Bemessung von Rahmengebühren hat der Rechtsanwalt gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen vorzunehmen. Unbillig und damit nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unverbindlich ist der Gebührenansatz dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20% über der angemessenen Gebühr liegt, da einem Rechtsanwalt insoweit eine Toleranzgrenze eingeräumt wird (BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420, 421 m.w.N.). Maßgebliche Kriterien für die Bemessung von Rahmengebühren sind u.a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers. Die sog. Mittelgebühr ist anzusetzen, wenn der „Normalfall“ vorliegt, also ein Fall in dem sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, durchschnittlicher Art sind (Gerold/Schmidt /Mayer, a.a.O., § 14 Rn. 10).

Die Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG entsteht für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen. Wegen des insoweit zu vergütenden Zeitaufwandes des Verteidigers stellt die Verhandlungsdauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins das wesentliche Bemessungskriterium für die Terminsgebühr dar (OLG Hamm Beschluss vom 3.12.2009 – 2 Ws 270/09, BeckRS 2010, 2547; KG Beschluss vom 24.11.2011 – 1 Ws 113-114/10, BeckRS 2012, 11963; OLG Bamberg, Beschluss vom 6.2.2018 – 1 Ws 51/18, NStZ-RR 2018, 192 m.w.N.). Hier betrug die Verhandlungsdauer am 01.03.2021 ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls 15 Minuten, da der vormalige Angeklagte nicht erschienen war. Die Hauptverhandlungsdauer von 15 Minuten ist für ein Strafverfahren als unterdurchschnittlich anzusehen. Hinzu kommt, dass aufgrund des unentschuldigten Fernbleibens des vormaligen Angeklagten keinerlei Tätigkeit des Verteidigers in dem Termin erforderlich war. Der Arbeitsaufwand des Verteidigers im Rahmen dieses Hauptverhandlungstermins ist demnach insgesamt als sehr gering und weit unterdurchschnittlich anzusehen. Die deutliche Herabsetzung der Terminsgebühr für den Hauptverhandlungstermin am 01.03.2021 von der Mittelgebühr auf 150,00 EUR erscheint der Kammer daher als angemessen.

Die Höhe der nach Nr. 7008 VV RVG zu erstattenden Umsatzsteuer hat die Kammer nach dem Vorgesagten auf 195,60 EUR festgesetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO und der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 2 StPO. Zwar hatte der Verteidiger mit seiner sofortigen Beschwerde insoweit Erfolg als die Kammer nunmehr die Kosten für seine Geschäftsreise am 01.03.2021 festgesetzt hat. Jedoch war die Festsetzung zuvor nur deswegen nicht erfolgt, da der Verteidiger auf das Anschreiben des Rechtspflegers, er möge seine Berechnung diesbezüglich erläutern (Bl. 196 Rs d.A.), hin nicht reagiert hat. Diese Erläuterung erfolgte erst mit der Beschwerdebegründung, obwohl sie dem Verteidiger bereits zuvor möglich war, sodass der Verteidiger nach billigem Ermessen auch insoweit die Kosten des Beschwerdeverfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen hat.


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