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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1

Vergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 23. 10. 2006, (514) 83 Js 153/04 KLs (1/06)

Fundstellen:

Leitsatz: Der nach § 68b StPO als Zeugenbeistand bestellte Anwalt kann nur die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG beanspruchen.


(514) 83 Js 153/04 KLs (1/06)

In der Strafsache gegen M u.a., hier nur betreffend
den Zeugen K
hat die 14. große Strafkammer – Wirtschaftsstrafkammer – des Landgerichts Berlin – zu 1. durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter – am 23. Oktober 2006 beschlossen:

1. Das Verfahren wird der Kammer übertragen.
2. Die Erinnerung des Zeugenbeistands Rechtsanwalt S gegen den Beschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. September 2006 wird als unbe-gründet verworfen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.


Gründe:

Der Erinnerungsführer, Rechtsanwalt S, ist dem Zeugen K in der Sitzung vom 25. August 2006 durch den Vorsitzenden gemäß § 68b Satz 2 Nr. 3 StPO „für die Dauer seiner heutigen Vernehmung beigeordnet worden.“ Mit Antrag vom 29. August 2006 machte Rechtsanwalt S für diese Tätigkeit folgende Gebühren und Auslagen geltend:
Grundgebühr gem. Nr. 4100 VV-RVG 132,00 €
Terminsgebühr gem. Nr. 4114 VV-RVG 216,00 €
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG 20,00 €
Mehrwertsteuer 58,88 €
insgesamt 426,88 €

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit dem angefochtenen Beschluss die erstattungsfähigen Gebühren und Auslagen hingegen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG 168,00 €
Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV-RVG 20,00 €
Mehrwertsteuer 30,08 €
insgesamt 218,08 €

Wegen der Begründung für die Absetzung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Gegen die erfolgte Festsetzung wendet sich Rechtsanwalt S mit der zulässig erho-benen Erinnerung, der die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle nicht abgeholfen hat.


1.
Die Entscheidung über die Erinnerung war gemäß §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Kammer zur Entscheidung zu übertragen, da die Rechtssache grundsätzli-che Bedeutung hat. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle weicht mit der ange-fochtenen Entscheidung ausdrücklich von der Rechtsprechung der Senate des Kammergerichts ab, die dem Zeugenbeistand (zumindest) die Gebühren nach Nrn. 4100 und 4114 VV-RVG zubilligt, die der Erinnerungsführer geltend macht. Die ange-fochtene Entscheidung wirft damit die für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung im Kammergerichtsbezirk bedeutsame Frage auf, ob an der Entscheidungspraxis der Beschwerdesenate festzuhalten ist.


2.
Die Erinnerung ist unbegründet.

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Frage des Gebührenanspruchs ei-nes Zeugenbeistandes ist uneinheitlich. Ein Teil der Beschwerdesenate billigt dem Zeugenbeistand Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem 1. Abschnitt des 4. Teils des Vergütungsverzeichnisses zu, ein anderer Teil hält nur die Grund- und Terminsgebühr für berechtigt (vgl. im einzelnen die Nachweise in KG, Beschluss vom 15. März 2006 – 5 Ws 506/05 –). Die von der Bezirksrevisorin beim Landgericht Ber-lin geteilte Auffassung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wird, soweit ersicht-lich, allein vom OLG Oldenburg vertreten (Beschlüsse vom 20. Dezember 2005 – 1 Ws 600/05 – und vom 18. Juli 2006 – 1 Ws 363/06 –).

Die Kammer folgt der überzeugenden Argumentation des OLG Oldenburg.

Die von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle festgesetzte Verfahrensgebühr ge-mäß Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG entsteht „für die Beistandsleistung bei einer richterlichen Vernehmung“. Eben eine solche Einzeltätigkeit ist dem Erinnerungsführer durch sei-ne Bestellung als Zeugenbeistand „für die Dauer“ der „heutigen Vernehmung“ über-tragen worden. Gründe, ihn für diese – im vorliegenden Fall nur wenige Minuten dauernde – Tätigkeit wie einen mit einer vollumfänglichen Vertretung beauftragten Verteidiger zu honorieren, sind nicht ersichtlich.

Soweit die obergerichtliche Rechtsprechung, zum Teil unter ausdrücklicher Bezug-nahme auf die Gesetzesmaterialien (so auch KG, Beschluss vom 15. März 2006 a.a.O.), sich für ihre Auffassung darauf beruft, dass der Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet habe, dass auf die in Vorbemerkung 4 Absatz 1 VV-RVG genannten Personen und damit auch auf den Zeugenbeistand die Vorschriften des für den Ver-teidiger geltenden Abschnitts anzuwenden seien, vermag dies die Kammer nicht zu überzeugen. Ein solcher Wille des Gesetzgebers ist in dieser Eindeutigkeit weder den Materialien zu entnehmen noch in den Gesetzeswortlaut eingeflossen.

Vorbemerkung 4 Absatz 1 VV-RVG bezieht sich nach ihrer systematischen Stellung auf alle Abschnitte des 4. Teils. Sie trägt daher auch die Anwendung von Nr. 4301 Nr. 4 VV-RVG für den Zeugenbeistand. Hätte der Gesetzgeber für die in der Vorbe-merkung genannten Personen in jedem Falle die Gebühren eines Verteidigers im Sinne des 1. Abschnitts des 4. Teils für angemessen erachtet, so hätte er dies nahe-liegend in der Vorbemerkung 4.1. geregelt.

Gegenteiliges ergeben auch die Gesetzesmaterialien nicht. In der amtlichen Begrün-dung (BT-Ds. 15/1971, S. 220) heißt es hierzu:

„Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeu-gen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. Damit sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren eines Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen geregelt wer-den. Die Gleichstellung mit einem Verteidiger ist sachgerecht, weil die Gebühren-rahmen ausreichenden Spielraum bieten, dem konkreten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts Rechnung zu tragen. Bei der Bestimmung der konkreten Gebühr wird sich der Rechtsanwalt als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen an dem üblichen Aufwand eines Verteidigers in einem durchschnittlichen Verfahren messen lassen müssen.“

Es liegt fern, dass der Gesetzgeber bei dieser Begründung übersehen haben sollte, dass sich der Arbeitsaufwand eines Zeugenbeistandes nach § 68b StPO von dem eines Verteidigers in der Regel erheblich unterscheidet und dass § 68b StPO – an-ders als § 406g StPO – die Bestellung eines Zeugenbeistands ausdrücklich nur „für die Dauer der Vernehmung“ vorsieht. Eine Deutung der Gesetzesbegründung dahin, dass jeder Zeugenbeistand Anspruch auf Gebühren nach dem 1. Abschnitt des 4. Teils haben solle, dürfte daher den – insoweit auch nicht in den Gesetzestext einge-flossenen – Willen des Gesetzgebers fehlinterpretieren.

Zutreffend hat der 5. Strafsenat des Kammergerichts in seinem Beschluss vom 15. März 2006 (a.a.O.) zu der von dem OLG Oldenburg vertretenen Position ausgeführt, dass diese für sich habe, dass sie den gegenüber den Rechtsvertretern anderer Ver-fahrensbeteiligter – wie des Angeklagten oder des Nebenklägers – in der Regel zeit-lich und inhaltlich geringeren Arbeitsaufwand des Zeugenbeistands am sinnfälligsten und auch am gerechtesten widerspiegele. Die Kammer folgt dieser gerechten Lö-sung, die dem Gesetzeswortlaut entspricht. Hätte der Gesetzgeber einem ausdrück-lich nur für eine Vernehmung bestellten Beistand mehr als die eben für eine Bei-standsleistung in einer Vernehmung bestimmten Gebühren zubilligen wollen, so hätte dies einer eindeutigen Regelung bedurft.


3.
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Sache für eine einheitliche Rechts-praxis im Kammergerichtsbezirk wird die Beschwerde zugelassen (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG).


4.
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).


Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde zulässig, sofern der Wert des Be-schwerdegegenstandes 200,-- EUR übersteigt (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Die Zulassung der Beschwerde bleibt hiervon unberührt. Die Be-schwerde muss binnen 2 Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des erkennenden Gerichts eingelegt werden. Eine schriftliche Beschwerde muss innerhalb der genannten Frist bei Gericht eingegangen sein.


Einsender: VorsRiLG Fischer

Anmerkung:


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