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RVG Entscheidungen

§ 17

Strafvollzugssachen; Hauptverfahren; Eilverfahren; verschiedene Angelegenheiten;

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 17. 1. 2008 – 2 Ws 673/07 Vollz –

Fundstellen:

Leitsatz: Das Eilverfahren gemäß § 114 Abs. 2 StVollzG und das Hauptsacheverfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG sind in entsprechen-der Anwendung des § 17 Nr. 4 c RVG als gebührenrechtlich verschiedene Angele-genheiten zu behandeln.


KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
2 Ws 673/07 Vollz
In der Maßregelvollzugssache


des Sicherungsverwahrten H P,

zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Tegel,


hier nur betreffend die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers

Rechtsanwalt C T,
Berlin,


gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21. September 2007


hat der 2. (ehemals 5.) Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 17. Januar 2008 beschlossen:


Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts C T wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 21. September 2007 dahin geändert, dass dem Rechtsanwalt aus der Landeskasse Berlin weitere 46,41 € als Vergütung zu erstatten sind.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.


G r ü n d e :

Unter dem 11. Oktober 2006 stellte Rechtsanwalt T für den Sicherungsverwahrten P einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 f. StVollzG wegen Arbeits-umsetzung und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ge-mäß § 114 StVollzG. Durch Beschluss vom 12. Oktober 2006 setzte das Landgericht Berlin – Strafvollstreckungskammer – den Vollzug der angeordneten Arbeitsumset-zung im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 StVollzG bis zur Entscheidung in der Hauptsache aus und erlegte die Kosten des Eilverfahrens und die notwendigen Auslagen des Antragstellers der Landeskasse Berlin auf. Am 2. April 2007 entschied die Strafvollstreckungskammer in der Hauptsache. Durch Be-schluss hob sie die im Oktober 2006 getroffene Anordnung der Justizvollzugsanstalt Tegel, den Sicherungsverwahrten künftig in der Spülküche als Arbeitskraft einzuset-zen, auf und überbürdete die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner. Nachdem der Leiter der Justizvollzugsanstalt Tegel seine hiergegen gerichtete verspätete Rechtsbeschwerde zurückgenommen hatte, entschied der Senat am 6. Juni 2007, dass die Landeskasse Berlin die Kosten der Rechtsbeschwerde und die dem Siche-rungsverwahrten im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Ausla-gen zu tragen habe (§ 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Am 21. Mai 2007 stellte der Rechtsanwalt unter Zugrundelegung des in beiden Be-schlüssen der Strafvollstreckungskammer jeweils festgesetzten Streitwerts von 300 € der Landeskasse folgende Gebühren in Rechnung:
Einstweilige Anordnung
1,3 Verfahrensgebühr, § 13 I RVG, Nr. 3100 VV 32,50 €
Auslagenpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 6,50 €.
Hauptsache
1,3 Verfahrensgebühr, § 13 I RVG, Nr. 3100 VV 32,50 €
Auslagenpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 6,50 €
Zwischensumme 78,00 €
19% Umsatzsteuer (MwSt.) aus 78,00 € 14,82 €
Endsumme 92,82 €.

Mit Rechnung vom 29. Juni 2007 verlangte der Rechtsanwalt für das Rechtsbe-schwerdeverfahren folgende Gebühren:
1,6 Verfahrensgebühr, § 13 I RVG, Nr. 3200 VV 40,00 €
Auslagenpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 8,00 €
Zwischensumme 48,00 €
19% Umsatzsteuer (MwSt.) aus 48,00 € 9,12 €
Endsumme 57,12 €.

Die Rechtspflegerin des Landgerichts sprach dem Rechtsanwalt in ihrem Beschluss vom 17. August 2007 lediglich den Betrag von 103,53 € zu, der sich aus der Addition der Gebühren (nur) einer Vergütung für das Verfahren vor dem Landgericht in Höhe
von 46,41 € (32,50 € + 6,50 € + 7,41 € anteilige MwSt = 46,41 €)
und den Gebühren für das Rechtsbeschwerdeverfahren in Höhe von 57,12 € ergibt.

Hiergegen legte der Rechtsanwalt Erinnerung ein, welche durch Beschluss des Landgerichts vom 21. September 2007 zurückgewiesen wurde. Wegen der grund-sätzlichen Bedeutung der zu entscheidenden Frage, ob das Eil- und das Hauptsa-cheverfahren nach dem StVollzG dieselbe Angelegenheit (§ 16 RVG) oder verschie-dene Angelegenheiten (§ 17 RVG) sind, ließ das Landgericht die Beschwerde zu. Mit dem Rechtsmittel verfolgt der Rechtsanwalt seine ursprünglichen Gebührenforde-rungen weiter.

Die zulässige Beschwerde (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG) hat Erfolg.

1. Dem Antragsteller steht nach § 13 Abs. 1 RVG in Verbindung mit § 17 Nr. 4 c) RVG in entsprechender Anwendung neben der
– zutreffend berechneten – Vergütung für die Hauptsache eine weitere Vergütung für den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 StVollzG in Höhe von 46,61 € zu.

a. Das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) lös-te die bis dahin geltende Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) ab. Wäh-rend § 66 a BRAGO gebührenrechtliche Regelungen für das Verfahren über den An-trag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG und für das Verfahren über die Rechtsbeschwerde nach § 116 StVollzG enthielt, nennt das RVG diese Verfahren im eigentlichen Gesetzestext an keiner Stelle. Lediglich das Vergütungsverzeichnis (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG), welches Bestandteil des Gesetzes ist, führt das Ver-fahren nach dem Strafvollzugsgesetz in der Gliederung unter „Teil 3“ auf. Daraus ergibt sich, dass für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts im Strafvollzug Gebühren nach „Teil 3“ des Vergütungsverzeichnisses entstehen (vgl. Müller-Rabe in Ge-rold/Schmidt/v.Eicken, RVG 17. Aufl., 4200-4207 VV Rdn. 4). Dagegen ist dem neu-en Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen, ob das Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz und das Hauptsacheverfahren auf dem Gebiet des Strafvollzugsrechts gebührenrechtlich als dieselbe Angelegenheit (§ 16 RVG) oder als verschiedene (§ 17 RVG) oder als besondere (§ 18 RVG) Angelegenheiten zu behandeln sind. Inso-fern ist es dem RVG-Ge-setzgeber nicht gelungen, in den §§ 16, 17, 18 RVG drei abschließende Kataloge zu schaffen (vgl. Bischof in Kompaktkommentar RVG, 2. Aufl., § 16 Rdn. 1, 2).

b. Bei der Struktur dieser Bestimmungen des RVG ist das Nebeneinander des Ver-fahrens auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 114 StVollzG und des Hauptsache-verfahrens nach §§ 109 f. StVollzG innerhalb dieser Kataloge gebührenrechtlich ent-sprechend § 17 Nr. 4 c) RVG einzuordnen. Daraus folgt, dass beide als verschiede-ne Angelegenheiten zu behandeln sind.

aa. Hierfür spricht, dass § 114 Abs. 2 Satz 2 2.Halbsatz StVollzG bezüglich der einst-weiligen Anordnung § 123 Abs. 1 VwGO, der den Erlass einer einstweiligen Anord-nung im Verwaltungsgerichtsverfahren regelt, für entsprechend anwendbar erklärt. Das Verfahren in der Hauptsache und dasjenige über den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor dem Verwaltungsgericht werden indes nach § 17 Nr. 4 c) RVG als verschiedene Angelegenheiten behandelt (vgl. Römermann in Hartung/Römermann/
Schons, RVG, 2. Aufl., § 17 Rdn. 19). Da der gerichtliche Rechtsschutz nach §§ 109 f. StVollzG seiner Struktur nach dem Verwaltungsgerichtsprozess nachgebildet ist (vgl. Calliess/
Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 109 Rdn. 5), erscheint die gleiche gebührenrechtli-che Behandlung sachgerecht.

bb. Die entsprechende Anwendung des § 17 Nr. 4 c) RVG auf das Hauptsachever-fahren und das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach dem StVollzG ist auch durch die Verschiedenheit der Streitgegenstände gerechtfertigt. Mit dem Antrag nach § 109 StVollzG kann der von einer Vollzugsmaßnahme oder ihrer Unterlassung rechtlich Betroffene eine gerichtliche Entscheidung über die Rechtmä-ßigkeit der Maßnahme oder ihrer Unterlassung herbeiführen (Calliess/Müller-Dietz, § 109 StVollzG Rdn 6). Im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, wel-ches als Ausprägung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG zu verstehen ist (vgl. BVerfG StV 2000, 215), geht es neben der lediglich sum-marischen Prüfung der Hauptsache vorrangig um die Frage, ob die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit erfolgt nicht zum Zwecke der end-gültigen Entscheidung, sondern ausschließlich zum Zwecke der Folgenabwägung, d.h. zur Einschätzung der Interessen des Betroffenen und der Justizvollzugsanstalt entweder am Aufschub oder an der vorzeitigen Durchsetzung der angefochtenen Maßnahme. Hieraus folgt, dass die gerichtlichen Entscheidungen im Hauptsache- und im Eilverfahren divergieren und auch unterschiedliche Kostenentscheidungen enthalten können (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern Beschluss vom 16. Februar 2006 – 3 O 158/05 – juris Rdn. 3 für das verwaltungsgerichtliche Hauptsacheverfah-ren und den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO). Die Behandlung der Hauptsache und des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz als zwei verschiedene Angelegenheiten wird daher auch eher dem erhöhten Begründungsaufwand des Rechtsanwalts ge-recht. Die oftmals komplexe Tätigkeit der Rechtsanwälte angemessen zu honorieren, war aber – zumindest bezüglich der Regelung des § 17 Nr. 1 RVG – auch ein Anlie-gen des RVG-Gesetzgebers (vgl. BTDrs. 15/1971, S. 191). Bezüglich der Regelung des § 17 Nr. 4 RVG lässt sich dem Gesetzentwurf nichts Gegenteiliges entnehmen.

cc. Schließlich entspricht die entsprechende Anwendung des § 17 Nr. 4 c) RVG der alten Rechtslage. Nach § 66 a Abs. 1 BRAGO galten im Verfahren über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG die Vorschriften des 3. Abschnitts der BRAGO sinngemäß. Diese Vorschrift galt auch für einen Antrag nach § 114 StVollzG, denn dieses Verfahren gehört zum Verfahren auf eine gerichtliche Ent-scheidung, wobei § 109 StVollzG lediglich die Antragsvoraussetzungen nennt (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 29. Aufl., § 66 a BRAGO Rdn. 5). Da der Antrag auf Er-lass einer einstweiligen Verfügung gemäß § 40 Abs. 1 BRAGO als besondere Ange-legenheit galt, wäre bei sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift gemäß § 66 a Abs. 1 BRAGO für den vorliegend gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch insoweit eine Gebühr entstanden (vgl. HansOLG Bremen, Be-schluss vom 22. Mai 2000 – Ws 27/00 – juris Rdn. 5 = StV 2001, 42; Calliess/Müller-Dietz a.a.O., § 114 StVollzG Rdn. 1). Die entsprechende Anwendung des § 17 Nr. 4 c) RVG auf Verfahren nach dem StVollzG entspricht dem Willen des RVG-Gesetzgebers. Denn dieser wollte mit § 17 Nr. 4 RVG für den Arrest und die einst-weilige Verfügung, sowie für die einstweilige Anordnung in der Verwaltungs- und Fi-nanzgerichtsbarkeit eine dem § 40 Abs. 1 BRAGO in Verbindung mit § 114 Abs. 6 Satz 1 BRAGO entsprechende Norm schaffen, die im Vergleich zur bisherigen Ge-setzeslage nicht einschränkend, sondern auf einstweilige und vorläufige Anordnun-gen in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erweiternd wirkt (vgl. BTDrs. 15/1971, S. 191).

c. Die von der Strafvollstreckungskammer zitierte Entscheidung des OLG Saarbrü-cken (NStZ-RR 2001, 127) betrifft einen anderen Sachverhalt. Dort war darüber zu befinden, ob das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und das sich hieran anschließende Strafverfahren dieselbe Angelegenheit betreffen, was trotz unter-schiedlicher Verfahrensgebühren unter Berufung auf den zusammenhängenden Sachverhalt bejaht wurde. Die dort entwickelten Grundsätze betreffen jedoch ver-schiedene zeitliche Stadien desselben Strafverfahrens, welches sich in Ermittlungs-, Zwischen- und Hauptverfahren unterteilt. Wegen der unterschiedlichen Streitgegens-tände in gerichtlichen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz und in der Hauptsa-che (vgl.
oben bb.) sind diese Grundsätze jedoch auf die vorliegende gebührenrechtliche Konstellation im StVollzG nicht übertragbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


Einsender: VorsRiKG Weißbrodt, Berlin

Anmerkung:


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