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RVG Entscheidungen

§ 61

Pflichtverteidigerbeiordnung nach dem 1. 7. 2004

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten-Berlin, Beschl. v. 16. 11. 2004 - (279 Ds) 124 Js 4958/03 (216/04)

Eigener Leitsatz:

Der nach dem 1. 7. 2004 beigeordnete Rechtsanwalt erhält seine gesetzlichen Gebühren auch dann nach dem RVG und nicht nach der BRAGO, wenn er bereits vorher als Wahlanwalt tätig war.


Amtsgericht Tiergarten

Beschluss
Geschäftsnummer (279 Ds) 124 Js 4958/03 (216/04) Datum:16.11.2004
In der Strafsache gegen X.X.
wird auf die Erinnerung des Rechtsanwalts R. die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung wie folgt festgesetzt'.
Grundgebühr Nr. 4101 VV RVG 162,00
Verfahrensgebühr 4107 VVRVG 137,00
Terminsgebühr gem. Nr. 4109 VV RVG 224.00
Post- und Telekommunikationsentgelte Nr. 7002 VV RVG 20,00
Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG (32 Kopien) 20,00
Zwischensumme netto ' 559,00
16% Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 89,44
Gesamtbetrag brutto' 648,44
Diese Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
Rechtsanwalt R wendet sich mit seiner Erinnerung vom 22.. Oktober 2004 gegen die Kostenfestsetzung, durch die Rechtspflegerin Amtsgericht Tiergarten in Berlin vom 03. September 2004. Herr Rechtsanwalt R war zunächst auf Grund der Verteidigungsanzeige vorn 01.04.2004 als Wahlverteidiger tätig. Dieses Wahlmandat endete am 13. Juli 2004 mit dar Beiordnung . von Rechtsanwalt R als Pflichtverteidiger.

In der genannten Kastenfestsetzung wurde die Vergütung des Rechtsanwalts nach der Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung festgesetzt. lm Kern wendet der Rechtsanwalt mit seiner Erinnerung ein, dass diese Festsetzung fehlerhaft erfolgt sei, da eine entsprechende Festsetzung zwingend nach dem neuen- Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) hätte erfolgten müssen und bezieht sich hierbei auf die einschlägige Kommentierung (Hartung/Römermann § 60 Rn. 21, 22; Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert § 60 Rn. 32).

Der Bezirksrevisor bezieht sich in seiner Stellungnahme vom 10. November 2004 auf eine Entscheidung des Landgerichts. Berlin vom 21. Oktober 2004 (503 - 39/03), in der sich ihrerseits eine umfängliche Stellungnahme des Bezirksrevisors findet. Der Bezirksrevisor hat dort die gesetzgeberische Motivlage als mit einem „eklatanten Beurteilungsfehler" behaftet bezeichnet und die parallele Anwendung von BRAGO und RVG in einem Verfahren pauschal als „rechtsstaatswidrig" und „nicht rechtsstaatlich" bezeichnet, ohne nähere Ausführungen zu einem konkreten Grundgesetzverstoß zu machen.

Die vom Bezirksrevisor vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Die vom Verteidiger. vorgetragene Rechtsauffassung ist zutreffend.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich die Beurteilung dessen, welches Recht anzuwenden ist, nicht nach § 60 RVG richtet, sondern nach g 61 RVG. Allerdings entspricht § 61 RVG der Regelung des § 60 RVG, so dass die Regelung des § .60 RVG für die Auslegung des § 61 RVG maßgeblich ist (vgl. Hartung/Römermann § 61 Rn. 1 ff.).

Nach § 60 Abs.1 S.1 RVG hat die Vergütung nach dem bisherigen Recht (hier der BRAGO) zu erfolgen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG vor dem Inkrafttreten eine Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet ist. Dazu, wie insbesondere dann zu verfahren ist, wenn das Wahlmandat vor der Rechtsänderung erteilt wurde, die gerichtliche Bestellung aber erst (wie hier) danach erfolgt ist, ist § 60 Abs. 1 S.1 RVG keine eindeutige Regelung zu entnehmen. Denn der genannten Vorschrift könnte sowohl der Umkehrschluss zu entnehmen sein, dass bei Mandatierung/Bestellung nach Rechtsänderung zwingend neues Recht anzuwenden sei, als auch der Regelungsgehalt, dass insoweit für die Tätigkeit; die in den Geltungsbereich der BRAGO diese anzuwenden ist und für Tätigkeiten nach lnkrafttreten des neuen Rechts das RVG (a-A: LG Berlin in (509) 70 Js 923104 KLs (40104)).

Für eine ausnahmslose Anwendung des RVG im vorliegenden Fall spricht die Regelung des § 48 Abs. 5 RVG, wonach der bestellte Verteidiger seine Vergütung rückwirkend erhält, mag er davor auch als Wahlverteidiger tätig gewesen sein (so auch Hartung/Römermann § 60 Rn. 23).
§ 60 Abs. 1. S. 2 RVG steht dem nicht entgegen, denn dort ist ein anders . gelagerter Fall geregelt, § 60 Abs. 1 S. 2 RVG stellt lediglich klar, dass neben der „Trennlinie" des § 60 Abs. 1. S. 1 RVG eine weitere für die Fälle der Rechtsmitteleinlegung gelten soll. Wäre § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nämlich nicht. existent, wären die Vergütungen der vor dem Stichtag mandatierten bzw. bestellten Verteidiger bis zum letzten Rechtszug nach der BRRGO vorzunehmen. § 60 Abs. 1 S. 2 RVG greift folglich nur dann, wenn nicht schon nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG die Berechnung nach RVG zu erfolgen hat. Ein Wertungswiderspruch zwischen § 60 Abs. 1 S. 1 und S. 2 RVG entsteht dadurch nicht.

Die dargelegte Auslegung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG entspricht dem eindeutig formulierten Willen des Gesetzgebers. In der amtlichen Begründung zu § 60 RVG (BT-Drucksache 15/1979, S. 203) heißt es wie folgt;
„Die vorgeschlagene Vorschritt übernimmt die Dauerübergangsregelung des § 134 BRAGO. Sind mehrere dar in Absatz Satz 1 genannten Tatbestände erfüllt, soll für die Frage, welches Vergütungsrecht Anwendung findet, der Zeitpunkt maßgeblich sein, an dem erstmalig einer der Tatbestände erfüllt ist. Wird beispielsweise der unbedingte Prozessauftrag vor dem Stichtag erteilt, soll die Vergütung nach- dem bisherigen Recht zu berechnen sein, auch wenn die Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe erst nach dem Stichtag erfolgt. Legt jedoch der Wahlverteidiger sein Mandat nieder und wird er anschließend zum Pflichtverteidiger bestellt, liegt 'hinsichtlich der Pflichtverteidigervergütung kein Zusammentreffen mehrerer Tatbestände im Sinne des Satzes 1 vor. Erfolgt die Pflichtverteidigerbestellung nach dem Stichtag, soll die Pflichtverteidigervergütung nach neuem Recht berechnet werden. Dies soll auch für die Tätigkeiten vor dem Stichtag gelten, soweit diese nach § 48 Abs. 5 RVG-E zu vergüten sind."

Allein schon deswegen verbietet sich der Hinweis auf die Judikatur des Kammergerichts zur alten Gesetzeslage der BRAGO. Ihr ist durch die Änderung der Gesetzeslage die Grundlage entzogen.

Ob dem -Gesetzgeber ein - wie der Bezirksrevisor meint - „eklatanter Beurteilungsfehler" unterlaufen ist, ist für die Auslegung von Gesetzen unmaßgeblich. Es. ist nämlich nicht Aufgabe der Gerichte, den gesetzgeberischen Willen durch seinen eigenen zu ersetzen, Die Gerichte dürfen zwar den Willen des Gesetzgebers erforschen und ihn bei unklarer Motivlage interpretieren, aber eben auch nur dann. Alles andere hieße, in die politische Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers einzugreifen.

Daran ändert auch die vom Bezirksrevisor zitierte Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 21. Oktober 2004 (503 - 39/03) nichts. Das Landgericht hat dort lediglich die nicht näher begründete Behauptung aufgestellt, es sei mit der Rechtsordnung und dem Vertrauensschutz des Kostenschuldners unvereinbar, dass innerhalb einer Instanz zwei verschiedene Gebührensätze Anwendung finden sollen. 'Das Vorbringen des Erinnerungsführers werde durch sein Vorbringen, der sich „lediglich" auf den Gesetzeswortlaut beziehe, nicht entkräftet.

Das Landgericht ersetzt damit ebenfalls in unzulässiger Weise den klar dokumentierten gesetzgeberischen Willen durch seinen eigenen

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde zulässig. Sie kann nur innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich in deutscher Sprache oder Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgericht Tiergarten in Berlin eingelegt werden, sofern der Beschwerdewert 200,-- € übersteigt, § 56 in Verbindung mit § 33 Abs. 3, 6 RVG.


Einsender: RA Carsten Hoenig, Berlin

Anmerkung:


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