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RVG Entscheidungen

§ 15a

Anrechnungsregelung; Neuregelung, Altfälle; Anwendbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 10.09.2009, 27 W 68/09

Fundstellen:

Leitsatz: Gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach dem bisherigen Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist.


27 W 68/09
10.09.2009
Kammergericht
Beschluss
In dem Rechtsstreit

hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Kowalski, die Richterin am Kammergericht Dr. Caasen-Barckhausen und die Richterin am Landgericht Schwerdtfeger am 10. September 2009 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Berlin vom 04. Juni 2009 – 101 O 91/06 – abgeändert:
Die nach dem Beschluss des Kammergerichts vom 29. Januar 2009 – 14 U 145/07 – von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 192,73 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 06. Februar 2009 festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 359,67 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beklagte ist in erster Instanz des Ausgangsverfahrens in der Hauptsache zur Zahlung von 31 600,– verurteilt worden. Insoweit wird auf das Urteil des Landgerichts Berlin vom 06. Juni 2007 – 101 O 91/06 – Bezug genommen. In der zweiten Instanz ist mit Beschluss vom 29. Januar 2009 das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden, wonach die Beklagte an die Klägerin weitere 10 000,– EUR zahlt, von den Kosten des ersten Rechtszuges die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 tragen und die Kosten des zweiten Rechtszuges gegeneinander aufgehoben sind. Auf den Beschluss des Kammergerichts vom 29. Januar 2009 – 14 U 145/07 – wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war bereits vorprozessual für diese wegen desselben Gegenstandes tätig. Er hat mit Schriftsatz vom 05. Februar 2009 einen Kostenausgleichsantrag gestellt, in welchem für die Kosten der ersten Instanz eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG in Ansatz gebracht wird. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 05. März 2009 Kostenfestsetzung beantragt.
Die Rechtspflegerin hat bei der Kostenfestsetzung mit Beschluss vom 04. Juni 2009 die Kosten der Klägerin in voller Höhe berücksichtigt und die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 552,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06. Februar 2009 festgesetzt.
Gegen diesen der Beklagten am 12. Juni 2009 zugestellten Beschluss hat sie am gleichen Tage Beschwerde eingelegt, mit der sie die auf Seiten der Klägerin unterbliebene Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr rügt und erstrebt, dass sie nur 192,73 EUR an die Klägerin zu erstatten hat.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Klägerin hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss im Hinblick auf die Einführung des § 15a RVG für zutreffend. Überdies sei die außergerichtliche Geschäftsgebühr allenfalls mit einem Satz von 0,25 anzurechnen.
Mit Beschluss vom 09. September 2009 hat die nach dem Geschäftsplan des Senats zuständige Einzelrichterin das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG war anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu kürzen.
1. Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen ( BGH, Beschluss v. 22.01.2008 – VIII ZB 57/07; Beschluss v. 30.04.2008 – III ZB 8/08; Beschluss v. 16.07.2008 – IV ZB 24/07, zitiert nach juris.de). Zur Begründung hat er sich auf den insoweit eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift bezogen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist.
Diese Rechtsauffassung teilt auch der Senat. Angesichts der unmissverständlichen Formulierung des Gesetzes vermag sich der Senat der abweichenden Auffassung des 1. Senats des Kammergerichts (vgl. Beschluss v. 31.03.2008 – 1 W 111/08; Beschluss v. 24.06.2008 – 1 W 111/08; Beschluss v. 17.07.2007 – 1 W 256/07) nicht anzuschließen (so auch KG, Beschluss v. 02.04.2009 – 2 W 134/08).
2. An dieser Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nichts durch das Inkrafttreten des neuen § 15a RVG am 05. August 2009 geändert. Denn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach dem bisherigen Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist ( OLG Frankfurt, Beschluss v. 10.08.2009 – 12 W 91/09; KG, Beschluss v. 13.08.2009 – 2 W 128/09; OLG Celle, Beschluss v. 26.08.2009 – 2 W 240/09; a.A. OLG Stuttgart, Beschluss v. 11.08.2009 – 8 W 339/09). Das ist hier der Fall.
Eine andere Auslegung der Anrechnungsvorschrift lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Regelung des § 15a RVG keine Gesetzesänderung, sondern lediglich eine Klarstellung vorgenommen habe, was nach seiner Auffassung schon immer der Regelungsgehalt der Vorschrift war (so OLG Stuttgart, Beschluss v. 11.08.2009 – 8 W 339/09 ). Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Neuregelung lediglich eine klarstellende Funktion zukommt. Als Begründung für die Gesetzesänderung wird ausdrücklich nur das Verständnis des Bundesgerichtshofs von der Anrechnungsvorschrift genannt, das zu unbefriedigenden Ergebnissen führe. Die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung auf die Verfahrensgebühr für die Vertretung im Prozess habe zur Folge, dass eine kostenbewusste Partei die außergerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts ablehnen und ihm stattdessen sofort Prozessauftrag erteilen müsste. Das Kostenfestsetzungsverfahren werde überdies mit einer materiell-rechtlichen Prüfung belastet, soweit Rahmengebühren anzurechnen seien. Beides laufe unmittelbar den Absichten zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe (Bundestagsdrucksache 16/12717 v. 22.04.2009, S. 67f). Diese Begründung spricht gerade dagegen, dass der Gesetzgeber einen in den bisherigen Anrechnungsvorschriften bereits enthaltenen Regelungsgehalt lediglich klarstellen wollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung den Zweck verfolgt, die von ihm nicht bedachten Auswirkungen der Anrechnungsvorschriften für die Zukunft zu korrigieren. Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, eine von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG abweichende Überleitungsregelung zu treffen.
3. Die Beklagte rügt hiernach zu Recht, dass die Rechtspflegerin die von dem Klägervertreter angemeldete Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG ungekürzt in Ansatz gebracht hat. Vielmehr ist die angemeldete 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG wegen Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die durch die vorprozessualen Schreiben vom 17. Mai 2006 und 06. Juni 2006 (Anlage K 10 und 12) der Prozessbevollmächtigten der Klägerin unstreitig wegen desselben Gegenstandes angefallen ist, auf eine 0,65-Gebühr zu kürzen. Die Beklagte hat die Höhe der 1,3 Geschäftsgebühr im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert angegriffen. Der Senat geht davon aus, dass für die vorgenannten Schreiben eine Gebühr in dieser Höhe angefallen ist. Dies entspricht dem gebührengesetzlichen Regelfall. Umstände, die eine Abweichung von der 1,3 Verfahrensgebühr rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht dargelegt. Die Darlegungslast obliegt dem Kostenerstattungspflichtigen, der sich auf eine Ausnahme zum gebührengesetzlichen Regelfall beruft (vgl. BGH, Beschluss v. 16.07.2008 – IV ZB 24/07 – und Beschluss v. 22.01.2008 – VIII ZB 57/07 ). Die Klägerin kann deshalb entsprechend der Berechnung in der Beschwerdeschrift vom 12. Juni 2009 lediglich 192,73 EUR erstattet verlangen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf Nr. 1812 GKG-KV und § 91 ZPO.
5. Der Beschwerdewert bemisst sich nach der Differenz der festgesetzten Kosten und der von der Beklagten begehrten Abänderung.
6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2, 2. Fall, Abs. 3 Satz 1 ZPO geboten, weil der Senat von der Ansicht des Oberlandesgericht Stuttgart, § 15a RVG stelle keine Gesetzesänderung im Sinne des § 60 Abs. 1 RVG dar, abweicht und deshalb zu einem anderen Ergebnis gelangt. Über die Anwendung von § 15a RVG auf „Altfälle“ ist bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden. Die Rechtssache hat deshalb grundsätzliche Bedeutung und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.


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