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RVG Entscheidungen

§ 14 – Bußgeldverfahren

Wahlanwaltsgebühren; Bestimmung; Bindungswirkung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Chemnitz, Beschl. v. 22.10.2009 - 2 Qs 82/09

Eigener Leitsatz: Zur Bemessung der Wahlanwaltsgebühren im straßenverkehrsrechtlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren.
2. Auch bei nur geringerer, unter der sog. 20 %-Grenze liegender Überschreitung der Bestimmung der Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren ist diese nicht bindend, wenn sie mit sachfremden Erwägungen ohne Ermessensausübung erfolgte in der Meinung, in diese Bestimmung unter der 20 %-Grenze könne nicht eingegriffen werden.


Landgericht Chemnitz

2 Qs 82/09
Beschluss
der 2. Großen Strafkammer - Beschwerdekammer des Landgerichts Chemnitz vom 22.10.2009 in der Bußgeldsache gegen

Verteidiqer: Rechtsanwalt Pierre Donath-Franke, Alter Steinweg 5, 08056 Zwickau wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hier: Sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung
Die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hainichen vom 03.08.2009 (11 OWi 530 Js 5842/09) wird kostenpflichtig als unbegründet verworfen.

Gründe:
Der Betroffenen lag zur Last, als Pkw-Fahrerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts um 51 km/h überschritten zu haben gemäß §§ 41 Abs.2, 49 StVO, 24 StVG, festgestellt durch Radarmessung mit Lichtbild. Es erging ein Bußgeldbescheid über 150,00 € nebst Auslagen sowie 4 Punkten im Verkehrszentralregister und einem Monat Fahrverbot gemäß § 25 Abs.2a StVG. Nach Einspruch und Abgabe der Akte über die Staatsanwaltschaft regte das Amtsgericht die Einspruchsrücknahme an und gab Gelegenheit zur Begründung des Einspruchs. Die Betroffene lehnte die Rücknahme mit Verteidigerschreiben vom 09.03.2009 wegen ihres bereits in Auftrag gegebenen Gutachtens ab. Sie bestritt mit nachfolgendem Verteidigerschriftsatz sowohl die Fahrereigenschaft, da auch ihre Schwester das Fahrzeug nutze, als auch die Zuverlässigkeit der Messung. Hierfür wurde das Privatgutachten des Diplom-Ingenieurs F. vorgelegt. In der Hauptverhandlung machte die geladene Zeugin on ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Dann kam es zum Freispruch; der geladene Sachverständige Diplom-Ingenieur Bock des Büros F. wurde ungehört entlassen. Verfahrenskosten und notwendige Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

Unter dem 27.05.2009 beantragte die Betroffene die Erstattung ihrer notwendigen Auslagen in Höhe der Verteidigerkosten von 852,04 € und des Sachverständigen von 867,87 €. Bezüglich ersterer wurden bei der Grundgebühr 100,00 €, den beiden Verfahrensgebühren je 160,00 € und der Terminsgebühr 255,00 € - jeweils über der „Mittelgebühr" im Rahmen des § 14 RVG - angesetzt, außerdem weitere Auslagen und Steuer.

Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Hainichen setzte mit Beschluss vom 03.08.2009 die zu erstattenden notwendigen Auslagen mit insgesamt 727,09 € fest. Im Einzelnen wurden - unter Reduzierung auf die Mittelgebühr - die Grundgebühr mit 85 €, die Verfahrensgebühren mit je 135 € und die Terminsgebühr mit 215 € angesetzt, da es sich lediglich angesichts der Auswirkungen des Fahrverbots hier um ein durchschnittliches Verfahren handle.

Das Privatgutachten wurde nicht erstattet mit der Begründung, dass die Kosten bei Benennung der Schwester als Zeugin von Anfang an nicht angefallen wären. Gegen diesen dem Verteidiger am 31.08.2009 zugestellten Beschluss hat die Betroffene mit Verteidigerschreiben vom 02.09.2009, beim Amtsgericht eingegangen am 03.09.2009, - Beschwerde eingelegt. Im Einzelnen wird auf das Beschwerdevorbringen Bezug genommen.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Der Bezirksrevisor beim Langgericht Chemnitz hat die Verwerfung als unbegründet beantragt.

Die gemäß §§ 464 b S.3 StPO, 104 Abs.3 S.1 ZPO, 11 Abs.1 RPfIG zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die zu erstattenden Gebühren nach Nr.5100, 5103, 5109 und 5110 W-RVG mit der „Mittelgebühr" nicht zu niedrig festgesetzt und auch die Kosten für das Privatgutachten zu Recht nicht erstattet.

Das Amtsgericht war hier nicht an die vom Rechtsanwalt angesetzten Gebühren gebunden. Gemäß § 14 Abs.1 S.4 RVG ist die vom Rechtsanwalt gegenüber einem Dritten - und auch der Staatskasse - getroffene Gebührenbestimmung dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig hoch ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn die vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr die vom Gericht als angemessen erachtete um mehr als 20 bis 30 % überschreitet, zum Teil werden schon Überschreitungen von 10 % als unbillig erachtet; jedoch ist ein allgemeiner Schematismus unzulässig (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 14, Rn. 12; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., § 14 RVG, Rn. 24). Hier überschreiten die vom Rechtsanwalt festgesetzten Gebühren die von der Rechtspflegerin als angemessen erachteten Rahmengebühren zwar nur um 17,64 % (85 € - 100 €), 18,51 % (135 € - 160 €) und 18,6 % (215 € - 255 €), mithin nicht die von einem Großteil der Rechtsprechung angenommene 20 %-Grenze. Gleichwohl ist auch bei geringerer Überschreitung die Festsetzung nicht bindend, wenn sie mit sachfremden Erwägungen ohne Ermessensausübung erfolgte in der Meinung, in diese Bestimmung unter der 20 %-Grenze könne nicht eingegriffen werden (OLG Düsseldorf NStZ 1998, 465; Gerold/Schmidt a.a.0. § 14 RVG, Rn.12). Vorliegend war die Festsetzung von deutlich (bis zu 18,6 %) über der Mittelgebühr, aber knapp unter der 20 %-Grenze liegenden Beträgen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des unterdurchschnittlich einfach gelagerten Falls trotz der Auswirkungen des Fahrverbots erheblich überhöht, so dass die Gebührenbestimmung nicht bindend ist.

Bei den Rahmengebühren bestimmt sich nach § 14 Abs.1 S.1 RVG die im Einzelfall festzusetzende Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie den sonstigen Gesamtumständen des Falls. Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenrahmen stellen den Rahmen für die Vergütung der Bearbeitung sämtlicher Bußgeldsachen dar. Dies sind neben Verkehrsordnungwidrigkeiten indessen auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- und Steuerrechts etc., die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens bis 5.000 € geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind (vgl. LG Hamburg, VRR 2008, 237; LG Hannover, RVGreport 2008, 182). Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als anderen Ordnungswidrigkeiten verursachen (vgl. Gerold/Schmidt, a.a.O., Vorbem. Teil 5, Rn. 20; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., RVG, Vorbem. Teil 5, Rn.7). Hingegen sind Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen „Punkten" im Verkehrszentralregister als unterdurchschnittlich anzusehen (vgl. LG Chemnitz, Beschl. v. 11.09.2007, 1 Qs 300/07; Beschl. v. 09.10.2007, 1 Qs 378/07; Beschl. v. 04.08.2008, 1 Qs 276/08; LG Dresden, Beschlüsse vom 24.02.2009, 5 Qs 1/09 und 5 Qs 101/08, LG Osnabrück, JurBüro 2008, 143; LG Koblenz, JurBüro 2008, 144; LG Cottbus ZfSch 2007, 529; LG Göttingen Beschl. v. 05.12.2005, 17 Qs 131/05).

Vorliegend hat das Amtsgericht bei einem sonst unterdurchschnittlichen Ordnungswidrigkeitenverfahren lediglich in Anbetracht der Auswirkungen des Fahrverbots im konkreten Fall jeweils die Mittelgebühren festgesetzt.

Die Grundgebühr gemäß Nr. 5100 W-RVG mit einem Rahmen von 20 € bis 150 € vergütet die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall durch Akteneinsicht und Einholung von Informationen des Mandanten. Eine Staffelung nach der späteren Geldbuße hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Hier bestand die Akte bis zum Akteneinsichtsgesuch aus 23 Blättern, der Ermittlungsvorgang ist recht kurz. Vorliegend handelt es sich um den häufig vorkommenden und tatsächlich und rechtlich unterdurchschnittlich einfach gelagerten Sachverhalt, dass die Fahrereigenschaft der Betroffenen fraglich ist und Familienähnlichkeiten zwischen den möglichen Nutzern des Fahrzeugs bestehen. Die Überprüfung von Geschwindigkeitsmessungen stellt eine Routineangelegenheit dar. Besonderheiten, die die Sache erschweren, liegen nicht vor. Lediglich bei der Bedeutung der Sache für die Betroffene war zu berücksichtigen, dass das angeordnete Fahrverbot von einem Monat für die selbständige Geschäftsfrau und alleinerziehende Mutter eines Kleinkindes überdurchschnittliche Folgen hatte. In Anbetracht des letzteren hat das Amtsgericht hier im Ergebnis zutreffend die Mittelgebühr von 85 €, nicht aber 100 € festgesetzt.

Die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5103 W-RVG, die einen Rahmen von 20 € bis 250 € vorsieht, vergütet die gesamte Tätigkeit des Verteidigers im vorgerichtlichen Verfahren vor der Verwaltungsbehörde bis zum Eingang der Akten beim Amtsgericht (Gerold/Schmidt, a.a.0. W-RVG Nr.5107, Rn.3), wenn ein Bußgeld zwischen 40 € und 5000 € verhängt wurde. Vorliegend legte der Verteidiger kurz und ohne Begründung Einspruch ein. Das verhängte Bußgeld bewegt sich mit 150 € im unteren Bereich der von Nr. 5103 W-RVG erfassten Fälle, auch wenn zusätzlich noch vier Punkte und ein Monat Fahrverbot verhängt wurden. Bei diesem Sachverhalt handelt es sich grundsätzlich um einen unterdurchschnittliches Verfahren; das Amtsgericht hat zutreffend lediglich wegen der Bedeutung des Fahrverbots für die Betroffene die Mittelgebühr von 135 € festgesetzt, nicht aber 160 €.

Bei der Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren gemäß Nr. 5109 WRVG, die denselben Rahmen wie Nr.5103 W-RVG hat, waren die Befassung mit der gerichtlich angeregten Einspruchsrücknahme und die Einspruchsbegründung vom 07.05.2009 zur Identifizierbarkeit und Messung mit Benennung der Schwester und des Sachverständigen zu sehen. Insoweit handelt es sich um eine häufig vorkommende und routinemäßig zu bearbeitende Rechtslage. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Verteidiger mit dem Schreiben vom 26.02.2009 ein verkehrstechnisches Gutachten zur Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung in Auftrag gab. Weiter ist ein mindestens durchschnittlicher sonstiger Arbeits- und Beratungsaufwand bei dem einfachen Sachverhalt nicht ersichtlich. Im Ergebnis dieser Gesamtumstände und der Bedeutung der Sache wurden zu Recht statt 160 € nur 135 € festgesetzt.

Die Terminsgebühr gemäß Nr. 5110 W-RVG, die einen Rahmen von 30 € bis 400 € vorsieht, vergütet die Tätigkeit des Verteidigers für die Vorbereitung und Wahrnehmung der Hauptverhandlung bei Bußgeldern zwischen 40 € und 5000 €. Hier dauerte die Hauptverhandlung einschließlich Urteil 15 Minuten. Als Zeugin geladen und aufgerufen wurde lediglich die Schwester der Betroffenen; es ging um die Frage der Fahrereigenschaft. Der geladene technische Sachverständige wurde ungehört entlassen. Nach Gesamtabwägung hat das Amtsgericht für den Aufwand des Termins und die Bedeutung der Sache zu Recht nicht 255 €, sondern 215 € festgesetzt.

Die Kosten des Privatgutachtens von 867,87 € sind ebenfalls nicht zu erstatten. Gemäß § 464 a Abs. 2 StPO gehören zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten neben den im Gesetz ausdrücklich genannten auch solche vermögenswerten Aufwendungen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich waren (Meyer-Goßner a.a.0. § 464 a, Rn.5; Karlsruher Kom. 6. Aufl., § 464 a, Rn.6); Letzteres beurteilt sich nach den Umständen zur Zeit ihrer Entstehung (KK a.a.0. § 464 a, Rn.6). Gleichwohl können eigene Ermittlungen eines Beschuldigten nur im Ausnahmefall unter strengen Voraussetzungen als notwendig anerkannt werden; denn die Interessen des Beschuldigten bei der Tatsachenfeststellung werden in der Regel bereits durch das Prinzip der umfassenden Sachaufklärung, sein Recht zur Stellung von Beweisanträgen und den Grundsatz „in dubio pro reo" hinreichend geschützt (OLG Dresden Beschl. v. 23.09.2009 3 Ws 32/08 und 33/08 m.w.N.). Grundsätzlich ist der Beschuldigte gehalten, zunächst seine prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Staatsanwaltschaft und das Gericht zu Ermittlungen zu veranlassen (OLG Dresden a.a.O.). Vorliegend war neben der Ordnungmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung auch der Nachweis der Fahrereigenschaft der Betroffenen wegen der großen Ähnlichkeit mit ihrer Schwester sehr fraglich. Bezüglich dieser war eine - mögliche - Verkehrsordnungswidrigkeit vom 22.07.2008 bereits seit 22.10.2008 verjährt. Mithin konnte sie im gerichtlichen Verfahren schon im Februar 2009 als Zeugin benannt werden, nicht erst am 07.05.2009 nach Einholung des verkehrstechnischen Gutachtens. Es sind auch keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen oder ersichtlich, dass das Amtsgericht sich dem Beweisantrag auf Einholung eines technischen Gutachtens zur Überprüfung der Messung verschließen würde -jedenfalls nach positiver Feststellung der Fahrereigenschaft der Betroffenen. Vielmehr wurde das Gutachten schon in Auftrag gegeben, bevor der Verteidiger das gerichtliche Schreiben mit der Aufforderung zur Begründung des Einspruchs erhielt. Die Erstattungsfähigkeit ergibt sich weiterhin nicht daraus, dass das Amtsgericht nach Einreichung des Privatgutachtens zum Hauptverhandlungstermin auch zusätzlich einen Sachverständigen aus dem Büro des Gutachters lud. Wie der Verlauf der Hauptverhandlung zeigte, erübrigte sich dessen Gutachtenserstattung, als der Richter die Betroffene und ihre Schwester als Zeugin in Augenschein genommen hatte. Damit waren die Kosten des Gutachtens nicht als notwendige Auslagen zu erstatten.

Die sofortige Beschwerde war insgesamt als unbegründet zu verwerfen.

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus
473 Abs. 1 S. 1 StPO,


Einsender: RA Donath-Franke, Zwickau

Anmerkung:


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