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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 1232/99 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags, durch den ein innerer Vorgang (Gewissensentscheidung gegen den Zivildienst) durch Vernehmung eines Zeugen unter Beweis gestellt wird.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags, innere Tatsache, Beweisbehauptung, Gewissensentscheidung, Zivildienst, Bewährung, freies Arbeitsverhältnis, Dienstflucht

Normen: StPO 244, ZDG 53

Fundstelle: StraFo 2000, 91

Beschluss: Strafsache gegen Y.R. T. wegen Dienstflucht.

Auf die Revision des Angeklagten vom 19. August 1999 gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. August 1999 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.12.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.

G r ü n d e:
I. Das Amtsgericht Bochum hat den Angeklagten wegen Dienstflucht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte nun die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision zu verwerfen.

II. Die formelle Rüge des Angeklagten hat Erfolg.

Der Angeklagte macht mit seiner in zulässiger Form erhobenen Verfahrensrüge zu Recht einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO geltend.

Der Angeklagte hat sich gegenüber dem Vorwurf der Dienstflucht gemäß § 53 Abs. 1 ZDG u.a. damit verteidigt, dass er eine Gewissensentscheidung getroffen habe und er wegen des bei ihm bestehenden Gewissenskonflikt (auch) keinen Zivildienst leisten könne. Demgegenüber ist das Landgericht davon überzeugt gewesen, dass der vom Angeklagten vorgebrachten Gewissenskonflikt tatsächlich nicht besteht, es sich bei dem Vorbringen des Angeklagten also lediglich um eine Schutzbehauptung handle. Dem hat der Verteidiger des Angeklagten im Schlussvortrag folgenden Hilfsbeweisantrag entgegengehalten:

"Für den Fall, dass das Gericht die Gewissensentscheidung des Angeklagten nicht anerkennen sollte, wird zum Beweis dafür, dass der Angeklagte eine Gewissensentscheidung gegen den Zivildienst getroffen hat und danach lebt, die Vernehmung des G.K. beantragt."

Diesen Antrag hat das Landgericht in den Urteilsgründen mit folgender Begründung abgelehnt:

Der Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen K. ist gem. § 244 Abs. 3 S. 2 StPO abzulehnen. Dass der Angeklagte sich auf den dargelegten Gewissenskonflikt beruft, ist bereits bewiesen, nämlich durch seine Einlassung in Verbindung mit seiner zu den Akten gereichten als Gewissensentscheidung bezeichneten Stellungnahme vom 19.01.1999. Zur Klärung der Frage, ob der Angeklagte diese Gewissensentscheidung tatsächlich getroffen hat, ist der benannte Zeuge ein völlig ungeeignetes Beweismittel. Denn dabei handelt es sich um einen inneren Vorgang, der einer Zeugenwahrnehmung nicht zugänglich ist. Die Behauptung, der Angeklagte "lebe danach", enthält keine Tatsachenbehauptung, wie ein Beweisantrag sie voraussetzt.

Mit dieser Begründung durfte das Landgericht, was die Revision zu Recht geltend macht, den Beweisantrag nicht ablehnen. Bei dem vom Verteidiger gestellten (Hilfs-)Antrag handelte es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts - um einen Beweisantrag. Er enthält die dafür erforderliche bestimmte Tatsachenbehauptung und benennt bestimmt das Beweismittel, durch das Beweis erhoben werden soll (zu den Voraussetzungen eines Beweisantrags vgl. Herdegen in Karlsruher Kommentar, StPO, 4. Aufl., § 244 Rn. 43 f.). Behauptet und unter Beweis gestellt wird, dass der Angeklagte eine Gewissensentscheidung getroffen habe und "danach lebe". Damit wird nicht, wie das Landgericht meint, nur die vom Angeklagten nach seinem Vorbringen getroffene Gewissensentscheidung unter Beweis gestellt, sondern auch die Art seiner Lebensführung und die Lebensumstände, die den Rückschluss auf die getroffene Gewissensentscheidung ermöglichen soll und je nach der Art der Lebensführung kann. Diese Tatsachenbehauptung ist zwar äußerst knapp, aber noch nicht so pauschal, dass sie nicht mehr für die Qualifizierung des Antrags als einen Beweisantrag im Sinn des § 244 StPO ausreichen würde.

Aus vorstehendem folgt zugleich auch, dass der benannte Zeuge entgegen der Ansicht des Landgerichts kein ungeeignetes Beweismittel ist. Zwar kann er insoweit folgt der Senat dem Landgericht zur Klärung der inneren Tatsache, ob der Angeklagte die von ihm behauptete Gewissensentscheidung tatsächlich getroffen hat, nichts beitragen. Er kann aber Bekundungen zu den äußeren Umständen der Lebensführung des Angeklagten, aus denen dann ggf. auf den inneren Vorgang geschlossen werden kann, machen und ist auch dazu benannt. Ob die vom Zeugen ggf. bekundeten Lebensumstände ausreichen, um auf die vom Angeklagten behauptete Gewissensentscheidung schließen können, ist keine Frage der Eignung des Zeugen im Sinn von § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, sondern der Beweiswürdigung nach Anhörung des Zeugen unter Berücksichtigung der sonstigen Umstände.

Bei dieser Sachlage konnte der Senat die Frage, ob das Landgericht, wenn es die Beweisbehauptung des Hilfsbeweisantrags als nicht ausreichend ansah, den Verteidiger auf Grund seiner Fürsorgepflicht darauf ggf. hätte hinweisen und ihm die Möglichkeit zur Nachbesserung geben müssen (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., 1999, § 244 Rn. 35 mit weiteren Nachweisen), dahinstehen.

Das angefochtene Urteil beruht auch im Sinn des § 337 Abs. 1 StPO auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrags. Der Senat verkennt insoweit nicht die vom Landgericht ausführlich dargelegten Umstände, die nach seiner Ansicht gegen die vom Angeklagten behauptete Gewissensentscheidung sprechen. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass das Landgericht nach Vernehmung des vom Angeklagten für die Art seiner Lebensführung und der Lebensumstände benannten Zeugen zu einer anderen, dem Angeklagten günstigen Bewertung der Gesamtumstände gekommen wäre.

Nach allem war damit das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückzuverweisen.

III. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin: Das Landgericht hat bislang die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe ebenso wie das Amtsgericht nicht gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass sich das Landgericht ausdrücklich mit § 56 Abs. 3 StGB auseinandergesetzt hat.

Darüber hinaus wird sich die zur erneuten Entscheidung berufene Strafkammer eingehend(er) mit dem Umstand auseinander zusetzen haben, warum gegen diesen Angeklagten, der ggf. das erste Mal überhaupt strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, die verhängte Freiheitsstrafe vollstreckt werden muß. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die bislang nur erklärte Bereitschaft des Angeklagten, ein freies Arbeitsverhältnis einzugehen. Das Landgericht wird zu prüfen haben, ob es zunächst nicht ausreicht, eine verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen und als Bewährungsauflage das Eingehen eines freien Arbeitsverhältnisses zu bestimmen (siehe zur Strafzumessung im übrigen auch Senat in NStZ-RR 1999, 155).


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