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aus Praxis Steuerstrafrecht (PStR) 2001, 217

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "PStR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Ermittlungsverfahren

Zurückweisung und Ausschluss des Verteidigers im Steuerstrafverfahren

von Richter am OLG Detlef Burhoff, Ascheberg

Das allgemeine Strafverfahren kennt verschiedene Gründe, aus denen ein Rechtsanwalt als Verteidiger zurückgewiesen bzw. ausgeschlossen werden kann (ausführlich Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 2. Aufl., 99). Diese Gründe gelten ohne Einschränkungen auch für das Steuerstrafverfahren, unabhängig davon, ob der Beschuldigte von einem Rechtsanwalt und/oder von seinem Steuerberater verteidigt wird. Der folgende Beitrag befasst sich mit dieser Problematik, wobei besonderes Gewicht auf dem Ausschluss des Verteidigers nach § 138a StPO und den möglichen Rechtsmitteln gegen Ausschluss und Zurückweisung liegt.

1. Zurückweisung des Verteidigers

Verteidiger werden bei Überschreiten der zulässigen Höchstzahl oder der Vertretung mehrerer Beschuldigter zurückgewiesen.

1.1 Überschreiten der zulässigen Höchstzahl der Verteidiger

Im Steuerstrafverfahren empfiehlt es sich häufig, neben einem Rechtsanwalt als Verteidiger auch einen Steuerberater zu beauftragen. Diese sollen die Verteidigung dann gemeinsam führen. Es ist jedoch darauf zu achten, dass § 137 Abs. 1 S. 2 StPO die Zahl der vom Beschuldigten wählbaren Verteidiger auf drei begrenzt. Das wird in der Praxis insbesondere in umfangreicheren Steuerstrafverfahren als nachteilig angesehen (Bornheim/Birckenstock, Steuerfahndung-Steuerstrafverteidigung, 1998, S. 173).

1.2 Verbot der Vertretung mehrerer Beschuldigter

§ 146 S. 1 StPO untersagt die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen Verteidiger (Tatidentität). § 146 S. 2 StPO verbietet die gleichzeitige Verteidigung mehrerer verschiedener Taten Beschuldigter (Verfahrensidentität). Hintergrund dieser Regelung ist die Vermeidung möglicher Interessenkonflikte in der Person des Verteidigers. Die Vorschrift kann für das Steuerstrafverfahren, das sich häufig gegen mehrere Beschuldigte richtet, erhebliche praktische Konsequenzen haben. Denn Ehegatten, Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft, Arbeitgeber und Arbeitnehmer können danach keinen gemeinsamen Verteidiger wählen.

2. Ausschließung des Verteidigers nach § 138a StPO

Die Ausschließung des Verteidigers regeln die §§ 138a ff. StPO. Sie ist ein scharfes Schwert, da sie in der Regel mit einem strafrechtlichen Vorwurf der Tatbeteiligung gegen den Verteidiger verbunden ist.

3. Rechtsmittel

Schließlich ist es wichtig zu wissen, welche Rechtsmittel im Zusammenhang mit der Zurückweisung bzw. Ausschließung eines Verteidigers in Betracht kommen.

1. Zurückweisung wegen Überzahl

1. Lässt sich die Begrenzung auf drei Verteidiger durch die Beauftragung einer Sozietät umgehen?

Nein, es werden dann alle Mitglieder der Sozietät Verteidiger (BVerfG 28.10.76, NJW 77, 99).

2. Welche Folgen hat ein Verstoß gegen § 137 StPO?

Der Verstoß führt zur Unzulässigkeit der Verteidigung.

3. Treten diese Folgen kraft Gesetzes ein?

Nein, die Verteidigung wird nicht ohne weiteres unwirksam. Vielmehr muss ein Zurückweisungsbeschluss ergehen.

Hinweis: Diesen erlässt auf Antrag der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren das Gericht, das für das Hauptverfahren zuständig wäre.

4. Welcher Verteidiger wird zurückgewiesen?

Zurückgewiesen wird der unter Verstoß gegen § 137 Abs. 1 S. 2 StPO gewählte Verteidiger, also in der Regel der zuletzt gewählte. Maßgebend ist das Datum der Vollmachtsurkunde.

Hinweis: Zeigen mehrere Verteidiger gleichzeitig ihre Wahl an und wird dadurch die Höchstzahl überschritten, müssen gemäß § 146a Abs. 1 S. 2 StPO alle zurückgewiesen werden.

5. Wie lassen sich die Nachteile vermeiden?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

  • Von vornherein sollte deutlich gemacht werden, welche drei Sozietätsmitglieder den Beschuldigten vertreten. Das kann z.B. durch Streichung von Namen anderer Mitglieder in der Vollmacht geschehen.
  • Es besteht aber auch die Möglichkeit, bestimmte Personen von vornherein gar nicht erst als Verteidiger zu beauftragen, sondern sie nur bei der Verteidigung mitarbeiten zu lassen. Dann werden sie auf die Zahl der Verteidiger auch nicht angerechnet.
  • Eine andere Möglichkeit besteht noch darin, später den Verteidiger auszutauschen. So kann es z.B. im Ermittlungsverfahren zweckmäßig sein, zunächst einen Rechtsanwalt mit zwei Steuerberatern zusammenarbeiten zu lassen und dann im Verfahrensabschnitt der Hauptverhandlung einen der verteidigenden Steuerberater zu Gunsten eines weiteren Rechtsanwalts zurücktreten zu lassen.

2. Zurückweisung wegen Mehrfachvertretung

1. Kommt es für die Anwendung von § 146 StPO darauf an, ob tatsächlich ein Interessenkonflikt besteht?

Nein (BGH 13.10.76, NJW 77, 115).

2. Wann liegt gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter durch einen Verteidiger vor (Tatidentität)?

§ 146 S. 1 StPO greift ein, wenn

  • wegen einer (Steuerstraf-)Tat gegen mehrere Beschuldigte ermittelt wird, also z.B. gegen Unternehmer und Angestellten wegen Beteiligung an einer Umsatzsteuerhinterziehung, auch wenn einer nur Gehilfe ist oder gegen Ehegatten wegen einer Einkommensteuerhinterziehung;
  • gegen die mehreren Beschuldigten getrennte Verfahren geführt werden (allgemeine Meinung in der Rechtsprechung, vgl. u.a. BGH 13.10.76, NJW 77, 115, KMG,
    § 146 StPO, Rz. 16 m.w.N.).

§ 146 Satz 1 StPO greift nicht ein,

  • wenn den Beschuldigten in verschiedenen Verfahren verschiedene verfahrensrechtlich unabhängige Straftaten zur Last gelegt werden (BayObLG 27.7.76, NJW 77, 820),
  • wenn dem einen Beschuldigten Begünstigung, Hehlerei oder Strafvereitelung an der Tat des anderen zur Last gelegt wird (OLG Schleswig, SchlHA 93, 226).

3. Wann liegt gleichzeitige Verteidigung mehrerer verschiedener Taten Beschuldigter vor (Verfahrensidentität)?

Das ist immer dann der Fall, wenn die Verfahren gegen die mehreren Beschuldigten verbunden worden sind (KMG, StPO, § 146 Rz. 17). Auf Tatidentität kommt es nicht an.

4. Darf ein Verteidiger nacheinander mehrere Beschuldigte verteidigen, die derselben Tat beschuldigt sind oder gegen die gemeinsam ein Verfahren geführt wird?

Ja. Verboten ist nach § 146 StPO nur die gleichzeitige Verteidigung mehrerer Beschuldigter, nicht hingegen die sukzessive Mehrfachverteidigung.

Hinweis: Die frühere Verteidigung muss aber rechtlich beendet sein. Das ist z.B. der Fall, wenn dem Verteidiger von dem früheren Mandanten das Mandat entzogen worden ist (KMG, StPO, § 146 Rz. 19). Ein Mandatswechsel während eines laufenden Verfahrens ist also zulässig.

5. Hat § 146 StPO Auswirkungen auf die Sockel- oder Basisverteidigung?

Nein. Diese bleibt zulässig (vgl. zu Sockel- und Basisverteidigung: Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 6. Aufl. 99, Rz. 63).

6. Welche Folgen hat ein Verstoß gegen § 146 StPO?

Der Verstoß führt zur Unzulässigkeit der Verteidigung, nach § 146a Abs. 2 StPO allerdings nur für die Zukunft. Der Rechtsanwalt wird als Verteidiger zurückgewiesen.

Hinweis: Vor der Zurückweisung vorgenommene Prozesshandlungen bleiben wirksam.

7. Treten diese Folgen kraft Gesetzes ein?

Nein, die Verteidigung wird nicht ohne weiteres unwirksam. Vielmehr muss ein Zurückweisungsbeschluss ergehen.

8. Wie lassen sich diese Nachteile der Vorschrift vermeiden?

Möglich ist es, dass die verschiedenen Beschuldigten unterschiedliche Partner einer Sozietät durch Einzelvollmacht beauftragen (BVerfG 28.10.76, NJW 77, 99; OLG Karlsruhe, NStZ 99, 212).

Hinweis: Ist in der Vollmachtsurkunde nicht kenntlich gemacht, wer von den dort aufgeführten Sozietätsmitgliedern den Beschuldigten vertreten soll, muss der Rechtsanwalt bei der Bestellung als Verteidiger darauf achten, dass er sich nur als Verteidiger des einen Mitbeschuldigten bestellt (BGH 16.2.77, NJW 77, 910).

3. Verteidigerausschluss

1. Wer kann von der Verteidigung ausgeschlossen werden?

Ausgeschlossen werden können alle Verteidiger i.S. des
§ 138 Abs. 1 StPO, also auch der nach § 392 Abs. 1 AO zum Verteidiger gewählte Steuerberater (OLG Karlsruhe 14.3.75; NJW 75, 943).

2. Wann kann der Verteidiger ausgeschlossen werden?

Der Verteidiger kann nur ausgeschlossen werden, wenn einer der im Gesetz dafür vorgesehenen Gründe erfüllt ist. Diese sind abschließend geregelt (KMG, StPO, § 138 Rz. 1).

Hinweis: Die für das Steuerstrafverfahren maßgeblichen Ausschließungsgründe ergeben sich aus § 138a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 StPO. Die Gründe des § 138a Abs. 1 Nr. 2 StPO und des § 138b StPO haben daneben hier wenig praktische Bedeutung.

3. Wann ist der Ausschließungsgrund der Tatbeteiligung erfüllt (§ 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO)?

Der Verteidiger muss an der Straftat des Mandanten vorwerfbar und vorsätzlich beteiligt sein. Das bedeutet, dass eine der in §§ 25 ff. StGB aufgeführten Formen der Täterschaft oder Teilnahme gegeben sein muss.

Hinweis: Die vorsätzliche Beteiligung des Steuerberaters an der Steuerhinterziehung des Mandanten kann also zum Ausschluss des Beraters als Verteidiger führen

4. Wann ist der Ausschließungsgrund des § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO erfüllt?

Der Verteidiger beging eine Handlung, die für den Fall der Verurteilung Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei i.S. der §§ 257 bis 260 StGB wäre.

Hinweis: Die Verteidigerrechte, für den Mandanten tätig zu werden, gehen sehr weit. Der Verteidiger kann aber z.B. auch ausgeschlossen werden, wenn er sich zu Gunsten seines Mandanten an einer Geldwäsche beteiligt. Zwar wird die Geldwäsche (§ 261 StGB) in § 138a Abs. 1 Nr. 3 StPO nicht genannt. Sie trifft aber häufig tateinheitlich mit einer Begünstigung nach § 257 StGB zusammen (BGH 4.7.01, PStR 01, 166).

5. Muss die mögliche Straftat des Verteidigers feststehen?

Nein. Die Tat muss noch nicht feststehen. Da dem Verteidiger in den hier behandelten Fällen immer ein strafbares Verhalten vorgeworfen wird, reicht hinreichender Tatverdacht i.S. des § 203 StPO.

6. Tritt der Ausschluss des Verteidigers von Gesetzes wegen ein?

Nein. Die Ausschließung erfolgt in einem gesetzlich geregelten Verfahren, das etwa wie folgt abläuft:

Während des Ermittlungsverfahrens wird das Ausschließungsverfahren in der Regel durch einen Antrag der Staatsanwaltschaft eingeleitet.

Hinweis: Im Steuerstrafverfahren kann auch die Finanzbehörde den Antrag stellen (OLG Karlsruhe 14.3.75, NJW 75, 943).

Zuständig zur Entscheidung über die Ausschließung ist das OLG, das nach mündlicher Verhandlung entscheiden kann (vgl. §§ 138c, 138d StPO).

Hinweis: Das OLG kann nach § 138c Abs. 3 StPO vorläufige Maßnahmen anordnen. In Betracht kommt insbesondere die Anordnung des Ruhens des Akteneinsichtsrechts aus § 147 StPO.

7. Welche Wirkungen hat der Ausschluss des Verteidigers?

Mit Rechtskraft des Ausschließungsbeschlusses wird die Verteidigung unzulässig. Dem Verteidiger ist damit in dem Verfahren, in dem er ausgeschlossen worden ist, jede Tätigkeit verboten. Er kann also in keiner Weise mehr für den Beschuldigten tätig werden.

Hinweis: Nach § 138a Abs. 4 StPO gilt das auch für andere Strafverfahren, nicht hingegen für sonstige Angelegenheiten. In Steuerverfahren kann der als Verteidiger ausgeschlossene Steuerberater den Mandanten weiter vertreten.

8. Wirkt die Ausschließung zeitlich unbegrenzt?

Ja. Ausnahme: Der Ausschluss wird ausdrücklich aufgehoben. Das kann z.B. geschehen, wenn die tatsächlichen Grundlagen für die Ausschließungsentscheidung entfallen sind. Erforderlich ist aber ein besonderes Aufhebungsverfahren.

4. Rechtsmittel

Entscheidung

Rechtsmittel

1. Verstoß gegen

§ 137 Abs. 1 S. 2 StPO

Verteidger zurückgewiesen

Beschwerde können einlegen:

  • der Beschuldigte,
  • der zurückgewiesene Verteidiger im eigenen Namen,
  • der zurückgewiesene Verteidiger im Namen des Beschuldigten (BGH 27.2.76, NJW 76, 1106);

Zurückweisung abgelehnt

  • die StA.

2. Verstoß gegen § 146 StPO

Verteidiger zurückgewiesen

Beschwerde können einlegen:

  • jeder betroffene Beschuldigte,
  • der zurückgewiesene Verteidiger im eigenen Namen,
  • der zurückgewiesene Verteidiger im Namen des Beschuldigten (BGH 27.2.76, NJW 76, 1106);

Zurückweisung abgelehnt

  • die StA.

3. Ausschließung nach § 138a StPO

a. Vorlegungsverfahren

 

Vorlegungsbeschluss erlassen

  • Der Vorlegungsbeschluss ist nicht anfechtbar.

Ausschließungsantrag der StA abgelehnt

  • Ablehnung mit der Beschwerde von StA anfechtbar.

b. Anordnung vorläufiger Maßnahmen

c. Eigentliches Ausschließungsverfahren

 

Ausschließungsbeschluss erlassen

  • Gegen den Ausschließungsbeschluss des OLG können der Verteidiger und der Beschuldigte nach § 138d Abs. 6 S. 1 StPO sofortige Beschwerde einlegen.

Ausschließung abgelehnt

d. Aufhebungsverfahren

Aufhebung abgelehnt

Aufhebung der Ausschließung beschlossen


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