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aus AGS 2024, 99

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "AGS" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "AGS" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Die anwaltliche Vergütung im bußgeldrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren

Beiträge//Straf- und Bußgeldsachen//Detlef Burhoff//Die anwaltliche Vergütung im bußgeldrechtlichen Rechtsbeschwerdeverfahren

Rechtsanwalt Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

Mit diesem Beitrag wird die Serie zur Abrechnung der straf-/bußgeldrechtlichen Rechtsmittelverfahren weiter fortgesetzt. Er schließt an den Beitrag zur Abrechnung des Revisionsverfahrens an (vgl. dazu AGS 2023, 532).

I. Gebühren des Rechtsbeschwerdeverfahrens

Die Gebühren, die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstehen können, sind, wenn der Rechtsanwalt den vollen Verteidigungsauftrag erhalten hat, in Teil 5 Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV – Gerichtliches Verfahren – Rechtsbeschwerde geregelt. Anfallen können danach die Gebühren nach den Nrn. 5113 ff. VV. Strukturell sind die Gebühren für das Rechtsbeschwerdeverfahren ebenso gegliedert wie die für das erstinstanzliche Bußgeldverfahren beim AG oder beim OLG. Der Verteidiger erhält also für das Betreiben des Geschäfts eine Verfahrensgebühr, nämlich die Nr. 5113 VV, und für jeden Hauptverhandlungstag im Rechtsbeschwerdeverfahren eine Terminsgebühr, nämlich die Nr. 5114 VV. Ist der Rechtsanwalt nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragt, gilt Teil 5 Abschnitt 2 VV (vgl. dazu IV.).

II. Angelegenheit (§ 15 RVG)

Die Abrechnung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach Teil 5 VV, und zwar nach den Nrn. 5113, 5114 VV. Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gegenüber dem vorhergehenden erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren beim AG bzw. beim OLG eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG.[1] Werden mehrere Rechtsbeschwerden, also z.B. vom Betroffenen und von der Staatsanwaltschaft, eingelegt, gelten die Ausführungen zur Revision[2] bzw. zur Berufung[3] entsprechend.

Das Verfahren über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG ist keine eigene Gebührenangelegenheit i.S.v. § 17 Nr. 9 RVG. Das Rechtsbeschwerdegericht entscheidet nämlich selbst über die Zulassung der Rechtsbeschwerde, sodass § 16 Nr. 11 RVG gilt. Dieses Zulassungsverfahren zählt daher zur Angelegenheit „Rechtsbeschwerde“. Sie beginnt mit Stellung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.[4]

III. Beginn und Ende des Rechtsbeschwerdeverfahrens

Das Rechtsbeschwerdeverfahren beginnt mit der Einlegung der Rechtsbeschwerde nach § 341 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG. Die Einlegung der Rechtsbeschwerde selbst gehört allerdings für den Verteidiger, der bereits in der ersten Instanz tätig war, nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 RVG noch zum gerichtlichen Verfahren des ersten Rechtszuges.[5] Jede danach für den Mandanten erbrachte Tätigkeit führt aber zur Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV.[6] I.Ü. gelten die Ausführungen zur Revision, entsprechend.[7]

Auch für das Ende des Rechtsbeschwerdeverfahren gelten die Ausführungen zur Revision entsprechend.[8] Das Rechtsbeschwerdeverfahren endet ggf. also erst, wenn der Rechtsanwalt auch noch sog. Abwicklungstätigkeiten erbracht hat.[9]

IV. Persönlicher Anwendungsbereich

1. Voller Verteidigungsauftrag

Die Vorschriften der Nrn. 5113 ff. VV gelten für die in Vorbem. 5 Abs. 1 VV genannten Verfahrensbeteiligten.[10] Das wird i.d.R. der Vollverteidiger sein. Hat der Rechtsanwalt nicht den vollen Verteidigungsauftrag für das Rechtsbeschwerdeverfahren erhalten, sondern ist ihm nur eine Einzeltätigkeit übertragen worden, gelten nicht die Nrn. 5113 ff. VV, sondern aus Teil 5 Abschnitt 2 VV die Nr. 5200 VV. Das ist z.B. der Fall, wenn der Rechtsanwalt nur damit beauftragt worden ist, die Rechtsbeschwerde einzulegen oder zu begründen.

2. Einzeltätigkeit

Ist der Verteidiger nicht Vollverteidiger, sondern nur mit Einzeltätigkeiten beauftragt, gilt: Im Rechtsbeschwerdeverfahren sind – anders als im strafverfahrensrechtlichen Revisionsverfahren nach Teil 4 Abschnitt 3 VV[11] – für Einzeltätigkeiten nicht verschiedene Gebühren vorgesehen,[12] sondern nur die Nr. 5200 VV. Das bedeutet, dass im Bußgeldverfahren für jede im Zusammenhang mit der Rechtsbeschwerde erbrachte Einzeltätigkeit, wie z.B. der Einlegung oder der Begründung der Rechtsbeschwerde, immer die Gebühr Nr. 5200 VV entsteht. Voraussetzung ist allerdings, dass den entsprechenden Tätigkeiten jeweils ein Einzelauftrag zugrunde liegt.[13]

Bei (mehreren) Einzeltätigkeiten ist über Anm. Abs. 2 S. 2 zu Nr. 5200 VV aber auch im Rechtsbeschwerdeverfahren § 15 Abs. 6 RVG zu beachten: Danach darf der mit verschiedenen Einzeltätigkeit beauftragte Rechtsanwalt nicht mehr an Gebühren erhalten, als der mit der vollen Verteidigung beauftragte Rechtsanwalt erhalten würde.[14]

V. Verfahrensgebühr/Terminsgebühr (Nrn. 5113, 5114 VV)

1. Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV

Für seine Tätigkeiten im Rechtsbeschwerdeverfahren außerhalb der Hauptverhandlung verdient der Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV. Für diese gelten die allgemeinen Regeln für die Verfahrensgebühr (Vorbem. 4 Abs. 2 VV9.[15] Wegen der Besonderheiten kann auf die entsprechend geltenden Ausführungen zur Verfahrensgebühr im Revisionsverfahren verwiesen werden.[16]

Befindet sich der Mandant nicht auf freiem Fuß, ist in Teil 5 VV ein Haftzuschlag auf die jeweiligen Gebühren wie in Vorbem. 4 Abs. 4 VV für das Strafverfahren nicht vorgesehen. Der Umstand, dass sich der Mandant ggf. nicht auf freiem Fuß befunden hat, muss daher über § 14 Abs. 1 RVG bei der Bemessung der Gebühr berücksichtigt werden.

2. Terminsgebühr Nr. 5114 VV

Auch für die Terminsgebühr Nr. 5114 VV gelten die allgemeinen Regeln.[17] Wegen der Besonderheiten wird auf die entsprechend geltenden Ausführungen zum Revisionsverfahren verwiesen.[18]

Befindet sich der Mandant nicht auf freiem Fuß, gelten die vorstehenden Ausführungen zur Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV entsprechend.

3. Höhe der Gebühren

Hinsichtlich der Höhe der Gebühren gelten die allgemeinen Regeln. Für den Wahlanwalt entstehen die Gebühren als Betragsrahmengebühren. Die konkrete Bemessung erfolgt unter Zugrundelegung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. Im Rechtsbeschwerdeverfahren sind die Verfahrensgebühr Nr. 5113 VV und die Terminsgebühr Nr. 5114 VV nicht von der Höhe der im angefochtenen Urteil festgesetzten Geldbuße abhängig.

VI. Grundgebühr Nr. 5110 VV

Für die Grundgebühr Nr. 5100 VV gelten die allgemeinen Regeln.[19] Das bedeutet, dass nur der Rechtsanwalt, der sich erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren einarbeitet, die Grundgebühr verdient.[20] Für den Rechtsanwalt, der den Betroffenen bereits im erstinstanzlichen Verfahren verteidigt hat, entsteht die Grundgebühr im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht noch einmal.

VII. Zusätzliche Gebühr Nr. 5115 VV

In Nr. 5115 VV ist – ebenso wie im Strafverfahren in Nr. 4141 VV für das Berufungs- und das Revisionsverfahren – für den Rechtsanwalt eine zusätzliche Verfahrensgebühr vorgesehen, wenn durch seine Mitwirkung die/eine Rechtsbeschwerde-Hauptverhandlung entbehrlich wird. Die Anm. Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 zu Nr. 5115 VV – Verfahren wird nicht nur vorläufig eingestellt bzw. Rücknahme der Rechtsbeschwerde – entspricht der Anm. Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 zu Nr. 4141 VV, sodass auf die Ausführungen bei der Berufung[21] und bei der Revision[22] verwiesen werden kann.

VIII. Zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV

Im Rechtsbeschwerdeverfahren kann auch die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 5116 VV für Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Hinblick auf Einziehung oder verwandte Maßnahmen entstehen.[23] Nach Anm. Abs. 3 zu Nr. 5116 VV entsteht die Gebühr im Rechtsbeschwerdeverfahren nämlich besonders. Hinsichtlich des Entstehens der Gebühr Nr. 5116 VV gelten die Ausführungen und Verweise zur Revision entsprechend.[24]

IX. Auslagen

Schließlich erhält der Rechtsanwalt auch die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Auslagen vergütet. Es gelten die Nrn. 7000 ff. VV.[25] Ist der Rechtsanwalt ggf. Pflichtverteidiger, erhält er die Auslagen aus der Staatskasse.[26]


[1] Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil 5 Bußgeldverfahren, Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV Rn 3; vgl. auch Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil A Rn 99 ff.

[2] Dazu Burhoff, AGS 2023, 532.

[3] Dazu Burhoff, AGS 2023, 385.

[4] AnwK-RVG/N. Schneider, 9. Aufl., 2021, Vor VV 5113 f. Rn 10.

[5] OLG Hamm AGS 2006, 547 [für die Revision]; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 26. Aufl., 2023; VV 5113, 5114 Rn 2; Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 5113 VV Rn 4 f.; s. auch OLG Karlsruhe AGS 2008, 19 für das Zivilrecht; sog. Abwicklungstätigkeiten

[6] OLG Jena JurBüro 2006, 365 für die Akteneinsicht in der Revisionsinstanz; LG Heidelberg, Beschl. v. 9.5.2023 – 12 Qs 16/23, AGS 2023, 270.

[7] S. Burhoff, AGS 2023, 532.

[8] S. Burhoff, AGS 2023, 532.

[9] Vgl. dazu für das Zivilrecht OLG Karlsruhe AGS 2008, 19.

[10] Vgl. dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 5 VV Rn 4 ff.

[11] Zur Einzeltätigkeit im Revisionsverfahren Burhoff, AGS 2023, 532.

[12] S. für das Strafverfahren die Nrn. 4300 ff. VV.

[13] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Teil 5 Bußgeldverfahren, Abschnitt 1 Unterabschnitt 4 VV Rn 13.

[14] Wegen der Einzelh. Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 5200 Rn 15 und Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Vorbem. 4.3 VV Rn 72 ff. m.w.N.

[15] Dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 35 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV Vorb. 4 Rn 9 ff.; Burhoff, AGS 2022, 1.

[16] Burhoff, AGS 2023, 532.

[17] Dazu Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Vorbem. 4 VV Rn 64 ff.; Burhoff, AGS 2022, 97.

[18] Dazu Burhoff, AGS 2023, 532.

[19] Burhoff, AGS 2021, 443.

[20] Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 4100 VV Rn 11 m. Beispiel; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 4100 Rn 6; AnwK-RVG/N. Schneider, a.a.O., VV 4100–4101 Rn 8; OLG Frankfurt NJW 2005, 377 = StV 2005, 76 = RVGreport 2005, 28 für Berufung; s. auch Burhoff, AGS 2023, ###.

[21] Burhoff, AGS 2023, 385.

[22] Burhoff, AGS 2023, 532.

[23] Wegen der allgemeinen Einzelh. zu dieser Gebühr Burhoff/Volpert/Burhoff, a.a.O., Nr. 5116 VV Rn 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., VV 5116 Rn 1 ff.

[24] Burhoff, AGS 2023, ###.

[25] Dazu die Kommentierung zu den Nrn. 7000 ff. VV bei Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O.

[26] Vgl. Burhoff/Volpert/Volpert, a.a.O., Teil A Rn 208 ff.


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