aus VRR 3/2024, 5
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VRR" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VRR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
Die Justiz ist in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis umfassend digitalisiert worden. Insbesondere der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten ist ausgebaut worden. Nun hat die Bundesregierung am 6.3.2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der durch weitere Rechtsanpassungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung die bereits fortgeschrittene Digitalisierung in der Justiz in allen Verfahrensordnungen weiter fördern soll (https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RegE/RegE_weitere_Digitalisierung_Justiz.pdf?__blob=publicationFile&v=3). Wir stellen Ihnen in einem Überblick die wesentlichen geplanten Änderungen vor.
Allgemein ist vorgesehen, dass Papierakten, die vor dem 1.1.2026 angelegt wurden, als Hybridakte derart weitergeführt werden dürfen, dass in Papier angelegte Aktenteile weiterhin in Papier geführt werden, die Weiterführung der Akte elektronisch jedoch möglich ist (vgl. dazu z.B. § 32 Abs. 1a StPO-E).
Bestimmten Verfahrensbeteiligten soll es in allen Verfahrensordnungen ermöglicht werden, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichnete Anträge oder Erklärungen, z.B. Insolvenzanträge, durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren. Die Regelung im Straf- und Bußgeldverfahren soll auf professionelle Verfahrensbeteiligte, Verteidiger und Rechtsanwälte, beschränkt werden.
Die Nutzungspflicht des § 32d Satz 2 StPO soll auf die Rücknahme der Berufung und der Revision sowie den Einspruch gegen den Strafbefehl und dessen Rücknahme erstreckt werden. Die Nutzungspflicht wird jedoch nicht auf den Verzicht auf Berufung oder Revision (in der Hauptverhandlung) erstreckt.
Für die Stellung eines Strafantrages/einer Strafanzeige soll in Zukunft gelten:
Die derzeit u.a. noch für die Einwilligungen in Maßnahmen nach den §§ 81f, 81g und 81h StPO, die Bestätigung des Erhalts der Belehrung nach § 114b Abs. 1 StPO oder der Verzicht auf Einwendungen gegen die Einziehung nach § 424 Abs. 2 StPO geltenden Schriftformerfordernisse sollen in der StPO entfallen. Künftig soll die Möglichkeit bestehen, dass die Dokumentation der Abgabe der Erklärung durch die Strafverfolgungsbehörden eine Unterschrift entbehrlich macht. Durch die zu dokumentierende Anwesenheit der erklärenden Person kann sichergestellt werden, dass die Identität der Person verlässlich festgestellt wird.
An der Revisionshauptverhandlung (§ 350 StPO) sollen künftig Angeklagte, ihre gesetzlichen Vertretern, Verteidiger sowie die Sitzungsvertretung der Staatsanwaltschaft auf ihren jeweiligen Antrag hin durch die Nutzung von Videokonferenztechnik auch von einem anderen Ort aus teilnehmen können. Das gleiche soll gelten für Nebenkläger, Nebenklageberechtigte sowie die Personen, die nach § 397 Abs. 2 Satz 3, § 404 Abs. 3 und § 406h Abs. 2 Satz 2 sowie § 429 Abs. 1 und § 444 Abs. 2 Satz 1 StPO von dem Termin zu benachrichtigen sind.
In der Praxis hatte es um den Anwendungsbereich des § 110c OWiG Streit gegeben. Dabei ist es insbesondere um die Frage gegangen, ob § 32d Satz 2 StPO, auf den § 110c OWiG verweist, auch für den durch einen Rechtsanwalt eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gilt.
Diese Rechtsunsicherheit soll dadurch beseitigt werden, dass die Regelung in § 110c OWiG besser an die Besonderheiten des Bußgeldverfahrens angepasst wird. Künftig soll ausdrücklich geregelt werden, dass auch der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid unter die Nutzungspflicht fällt. Entsprechendes soll für die Rücknahme und den Verzicht auf den Einspruch gelten.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG kann der Rechtsanwalt seine Vergütung bisher nur aufgrund einer von ihm unterzeichneten und dem Auftraggeber mitgeteilten Berechnung einfordern. Diese Form des Einforderns ist in der Praxis unter Hinweis darauf, dass seitens der Anwalt- und auch der Mandantschaft ein Bedürfnis nach einer möglichst einfachen und barrierefreien elektronischen Übermittlung der Berechnung besteht und nicht der Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich sein soll, kritisiert worden.
Vor diesem Hintergrund soll für die Vergütungsberechnung künftig die Textform genügen. Die zivil-, straf- und standesrechtliche Verantwortung von Rechtsanwälten für die Richtigkeit der Vergütungsberechnung bleibt von der vorgeschlagenen Änderung unberührt. Dies soll in der Formulierung in § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG-E zum Ausdruck kommen, wonach (nur) der Rechtsanwalt die Vergütung fordern kann und er die Mitteilung der Berechnung an den Auftraggeber veranlassen muss, sofern er sie nicht selbst vornimmt. Einer eigenhändigen Unterschrift des Rechtsanwalts unter die Berechnung bedarf es jedoch zur Dokumentation der Verantwortungsübernahme nicht mehr.
Durch einen neuen § 130e ZPO-E bzw. § 46h ArbGG-E sollen die wirksame Abgabe und der wirksame Zugang von empfangsbedürftigen Willenserklärungen erleichtert werden, die in bei Gericht elektronisch eingereichten Schriftsätzen enthalten sind.
Eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die der gesetzlich oder rechtsgeschäftlich bestimmten materiell-rechtlichen Schriftform (§§ 126, 127 Abs. 1 und 2 BGB) oder elektronischen Form (§§ 126a, 127 Abs. 1 u. 3 BGB) bedarf, soll als in dieser Form zugegangen gelten, wenn sie in einem Schriftsatz nach Maßgabe der prozessualen Vorgaben des § 130a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht und dem Empfänger zugestellt oder formlos mitgeteilt (vergleiche § 270 ZPO) wird.
Die Regelung ist tatbestandlich auf vorbereitende Schriftsätze i.S. der §§ 129, 130 ZPO bezogen. Über die Verweise insbesondere in §§ 70 Abs. 2, 253 Abs. 4, 519 Abs. 4, 520 Abs.5, 549 Abs. 2 § 551 Abs. 4 und § 575 Abs. 4 ZPO ist sie aber auch auf bestimmende Schriftsätze anwendbar.
Vergleichbare Regelungen finden sich im ArbGG.
Der Entwurf befindet sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren.
RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg
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