Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

aus Verkehrsrecht Aktuell (VA) 2004, 140

(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "VA" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "VA" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)

Aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot

von RiOLG Detlef Burhoff, Münster/Hamm

Bei einem Verkehrsverstoß ist für den Mandanten die Frage, ob ein Fahrverbot droht, häufig wichtiger als die Höhe der zu erwartenden Geldbuße. Mit dem Thema "Fahrverbot abwenden" muss sich der Verteidiger rechtzeitig beschäftigen. Wir stellen Ihnen die aktuelle Rechtsprechung zum Fahrverbot vor und zeigen auf, wann der Mandant eine Chance hat, dem Fahrverbot zu entgehen (s. auch die Rspr.-Nachweise in VA 02, 132, und VA 03, 89).

1. Vollstreckung mehrerer Fahrverbote

Mit Einlegung/Rücknahme des Einspruchs oder der Rechtsbeschwerde können mehrere Fahrverbote so gesteuert werden, dass deren Rechtskraft gleichzeitig eintritt. Dann sind die Fahrverbote gleichzeitig und nicht nacheinander zu vollstrecken, wenn kein Fall des § 25 Abs. 2a StVG vorliegt (4-Monatsfrist).

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Vollstreckung mehrerer Fahrverbote

Fallen die mehreren Fahrverbote nicht unter § 25 Abs. 2a StVG, werden sie gleichzeitig und nicht nacheinander vollstreckt

AG Leipzig 29.4.04,
223 OWi Js 0858/04,
Abruf-Nr. 041465

2. Geschwindigkeitsüberschreitung

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Der Zweck/der Anlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung ist für einen Kraftfahrer nicht ohne weiteres sofort erkennbar

Dadurch wird ein Sonderfall, der ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen würde, nicht begründet

OLG Hamm 18.3.04,
3 Ss OWi 11/04
,
Abruf-Nr. 041466

Der Runderlass des Innenministers zum Blitzen am Ortseingang ist nicht eingehalten worden (dazu Burhoff VA 03, 14)

Ja, wenn eine grobe Pflichtverletzung vorliegt (bejaht, wenn auch die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten ist)

OLG Hamm VA 04, 52, Abruf-Nr. 040153

3. Rotlichtverstoß

Gerade bei einem Rotlichtverstoß können die Tatumstände dazu führen, dass ein Fahrverbot schon tatbestandsmäßig ausgeschlossen ist (dazu VA 00, 46). Allerdings besteht in der Rspr. Streit, ob es (schon) ausreicht, wenn im konkreten Fall die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war oder ob auch eine bloß abstrakte Gefährdung ausgeschlossen sein muss (siehe die Rspr.-Nachweise in VA 00, 47).

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot: ja oder nein?

Fundstelle

Es ist auf Grund des Rotlichtverstoßes nicht zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen

Str., ob ja oder nein

Ja: BayObLG NZV 03, 350; DAR 03, 280.
Nein: OLG Karlsruhe NJW 03, 3720

Betroffene fährt bei Grün 1 m über Haltelinie, muss dann an-halten. Fährt bei Rot weiter, als auch für die Fußgänger Rot gilt

Nein, auf Grund der Gesamt-umstände einfacher Verstoß

OLG Stuttgart
DAR 03, 574

Betroffene ist ggf. abgelenkt wg. der Erkrankung ihres Sohnes und durch die Suche nach einer Apotheke. Mitzieheffekt

Ggf. nein

OLG Koblenz
NJW 04, 1400

Baustellenampel

Nein

OLG Brandenburg
zfs 03, 471

Rotlichtverstoß um 1.10 Uhr in ländlicher Gegend ohne großen Verkehrsfluss

Nein

OLG Brandenburg
zfs 03, 471

Rotlicht wg. Übermüdung über-sehen

Ja

OLG Celle
DAR 03, 569

4. Beharrlicher Verstoß

Umstände des Einzelfalls

Fahrverbot ja oder nein?

Fundstelle

Ein Fahrverbot wg. beharrlicher Pflichtverletzung kann schon verhängt werden, wenn der Pflichtverletzung das Gewicht des Regelfalls von § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV gleichkommt, ohne dass es auf eine schon zuvor verhängte erhöhte Geldbuße ankommt

Ja. Zur Feststellung der Beharrlichkeit genügt es i.d.R., dass das Verkehrszentralregister Vorahn-dungen enthält (BayObLG, VA 04, 28, Abruf-Nr. 040146). Diese müssen grds. im Urteil mitgeteilt werden (OLG Hamm VA 04, 54, Abruf-Nr. 040221)

BayObLG VA 04, 84, Abruf-Nr. 0404722;
ähnlich OLG Hamm VA 04, 54, Abruf-Nr. 040221

Mehrfacher Wiederholungstäter

Ja

OLG Hamm 1.7.03,
4 Ss OWi 416/03
,
Abruf-Nr. 041467

Beharrlicher Verstoß ergibt sich nicht aus § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV

Ggf. nein, aber nur unter den Voraussetzungen, die auch bei Vorliegen des Regelfalles laut BKatV ein Absehen rechtfertigen

BayObLG VRS 105, 31 = DAR 03, 231

5. Augenblicksversagen

Ein Fahrverbot kommt nicht in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit lediglich auf einem "Augenblicksversagen" (= leichter Fahrlässigkeit) beruht (BGH 11.9.97, NZV 95, 525; OLG Köln VRS 105, 28). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schwerpunktbeitrag in VA 01, 169, verwiesen.

Umstände des Einzelfalls

Augenblicksversagen
ja oder nein?

Fundstelle

Der Betroffene übersieht das die Geschwindigkeit beschränkende Schild

Ja, aber nur, wenn er die ohne das Vorschriftzeichen maßgebliche Höchstgeschwindigkeit einhält

OLG Frankfurt VA 03, 135, Abruf-Nr. 031643; kritisch Deutscher NZV 03, 173, 174

Der Betroffene übersieht das die Geschwindigkeit beschränkende Schild, weil er telefoniert (Handy)

Nein

OLG Hamm VA 03, 168, Abruf-Nr. 032213; OLG Karlsruhe NStZ-RR 03, 279

Das Verkehrsschild ist nur 1 x vor der Messstelle aufgestellt. Der Grund für die Geschwindigkeits-beschränkung ist erkennbar weg-gefallen (kein Rollsplitt mehr)

Ja

OLG Celle DAR 03, 323

Der Betroffene sucht eine verkehrsberuhigt Zone zunächst als Fußgänger auf, um seinen dort von einem anderen abgestellten Pkw abzuholen

Ja. Bei Verneinung des Augenblicksversagen muss im Urteil stehen, warum der Betroffene die Geschwindigkeitsbegrenzung hätte erkennen können

BayObLG VA 04, 49,
Abruf-Nr. 040147

Geschwindigkeitsüberschreitung innerorts zur Nachtzeit. Der Tatort erweckt bereits am Tag den Eindruck der Außerörtlichkeit

Ja

AG Meißen zfs 03, 570

Praxishinweis: Der Tatrichter muss sich mit der Frage, ob ein "Augenblicksversagen" vorgelegen hat, nur dann näher beschäftigen, wenn sich der Betroffene auf ein solches berufen hat (OLG Hamm VA 03, 108, Abruf-Nr. 031349; OLG Schleswig Rspr.-Übersicht in SchlHA 03, 211).

6. Absehen vom Fahrverbot aus beruflichen Gründen?

Von einem Fahrverbot kann abgesehen werden, wenn es für den Betroffenen wegen der mit dem Fahrverbot verbundenen Folgen als besondere Härte unzumutbar ist (dazu VA 01, 104 ff.). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn der Arbeitsplatz oder die Existenz des Betroffenen gefährdet ist.

Praxishinweis: Allerdings muss sich der Tatrichter nur dann vertieft mit den Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen auseinandersetzen, wenn sich dieser auf schwerwiegende (berufliche) Folgen berufen hat (OLG Karlsruhe 2.3.04, 1 Ss 18/04, VA 04, 136; Abruf-Nr. 041193).

Umstände des Einzelfalls

Absehen: ja oder nein?

Fundstelle

Arzt, der geltend macht, nicht mehr am ärztlichen Notdienst teilnehmen zu können

Nein, da Vertretungsregelung möglich ist

OLG Hamm 20.1.04,
4 Ss OWi 585/03
,
Abruf-Nr. 041468

Versicherungsmakler, der seine Kunden zu Hause aufsucht

Nein. Berufstätige, die auf die Fahrerlaubnis angewiesen sind, können nicht generell vom Fahrverbot ausgenommen werden

OLG Hamm 2.12.03,
4 Ss OWi 719/03
,
Abruf-Nr. 041469)

Handelsvertreter

Nein

OLG Hamm 7.8.03,
3 Ss OWi 426/03,
Abruf-Nr. 041470

Selbstständiger Dachdeckermeister, der ständig zu Baustellen fahren muss

Nein

OLG Hamm 12.8.03,
4 Ss OWi 525/03
,
Abruf-Nr. 032481

Schwerbehinderter/bei Kündigung schwerer zu vermitteln

Ja

AG Wittenberg
DAR 03, 382

Selbständiger Transportunternehmer (Einmannbetrieb)

Ja. Der Tatrichter muss aber zum Ruin der Fa. Feststellungen treffen (auch OLG Hamm 3.7.03, 4 Ss OWi 442/03, Abruf-Nr. 041515)

OLG Zweibrücken zfs 03, 424; AG Bersenbrück NZV 03, 151

Rechtsanwalt

Nein

OLG Hamm 1.7.03, 4 Ss OWi 385/03, Abruf-Nr. 041471; OLG Schleswig SchlHA 03, 213

Sicherheitsingenieur

Ja, da Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht oder nur schwer erreichbar

AG Schwedt NZV 03, 205

Praxishinweis: Der Verteidiger muss auf jeden Fall in der Hauptverhandlung beim AG unter Beweisantritt eingehend darlegen, warum das drohende Fahrverbot zum Arbeitsplatzverlust bzw. zur Existenzvernichtung bei seinem Mandanten führt. Ein drohender Arbeitsplatzverlust führt allerdings nicht zwingend dazu, in jedem Fall von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen. Auch in einem solchen Fall muss geprüft werden, ob bei einem Verzicht auf ein Fahrverbot noch wirksam auf den Betroffenen eingewirkt werden kann. Ist der Betroffene gegenüber verkehrsrechtlichen Ge- und Verboten vollkommen uneinsichtig, hat ein Fahrverbot auch bei erheblichen Härten seine Berechtigung. Das gilt auch dann, wenn bei einem vorhergehenden Verkehrsverstoß bereits einmal unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen worden ist (OLG Karlsruhe 2.3.04, 1 Ss 18/04, VA 04, 136, Abruf-Nr. 041193).

7. Absehen vom Fahrverbot bei einem Verstoß gegen § 24a StVG

Bei einem Verstoß gegen § 24a StVG kommt das Absehen vom Fahrverbot grundsätzlich nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in Betracht. Die besonderen Umstände müssen im AG-Urteil erörtert werden. In der Regel wird ein Fahrverbot zu verhängen sein (OLG Saarbrücken VA 02, 169, Abruf-Nr. 021369; dazu auch BayObLG VRS 105, 33).

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Der Betroffene ist die einzige Arbeitskraft in dem Kfz-Betrieb seiner Ehefrau und deshalb auf die Fahrerlaubnis angewiesen

Nein

OLG Hamm 1.4.03, 3 Ss OWi 183/03, Abruf-Nr. 041472

8. Absehen vom Fahrverbot wg. langen Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil?

Die Obergerichte sehen i.d.R. bei einem langen Zeitraum zwischen Tat und Verurteilung von einem Fahrverbot ab. Allerdings ist die Länge des Zeitraums eine Frage des Einzelfalls, die einen Beurteilungsspielraum eröffnet. Angenommen wird hier in der OLG-Rspr. bislang meist ein Zeitrahmen von zwei Jahren. Jedoch ist auch diese Zeitspanne lediglich ein Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann, nahe liegt (BayObLG VA 04, 103, Abruf-Nr. 041185).

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Zeitraum: 1 Jahr und 9 Monate

Nein (s. aber den Praxishinweis unten)

OLG Hamm zfs 03, 521; s. aber OLG Schleswig SchlHA 03, 213

Zeitraum: mehr als 2 Jahre

Ja

OLG Dresden NStZ-RR, 03, 279; s. auch OLG Karlsruhe 23.4.04, 1 Ss 53/04, Abruf-Nr. 041462

Zeitraum: mehr als 2,5 Jahre

Ja

AG Leipzig zfs 04, 134

Zeitraum: mehr als 2,75 Jahre

Ja

OLG Rostock DAR 03, 530

 

Praxishinweis: Ob die OLG an dieser Rspr. festhalten, ist fraglich. Der BGH hat nämlich inzwischen zu einem Fahrverbot nach § 44 StGB ausgeführt, dass es für einen über 1 Jahr und 9 Monate zurückliegenden Verkehrsverstoß nicht mehr als Warnungs- und Besinnungsstrafe geeignet ist (BGH zfs 04, 133 mit zustimmender Anmerkung Bode).

9. Absehen vom Fahrverbot aus sonstigen Gründen

Umstände des Einzelfalls

Absehen ja oder nein?

Fundstelle

Irrtum über die rechtliche Bedeutung eines Verkehrszeichens (Verbotsirrtum)

Ja

BayObLG VA 03, 150, Abruf-Nr. 031640

Zweck/Anlass der Geschwindigkeitsbeschränkung ist nicht ohne weiteres sofort erkennbar

Nein

OLG Hamm 18.3.04,
3 Ss OWi 11/04
, Abruf-Nr. 041710

Der Betroffene ist unbelastet

Nein

OLG Koblenz VA 03, 176, Abruf-Nr. 032160

Zwischen Tat und Urteil nicht verkehrsrechtlich aufgefallen

Nein

OLG Koblenz VA 03, 176, Abruf-Nr. 032160

"Berufliche Stresssituation"

Nein

OLG Koblenz VA 03, 176, Abruf-Nr. 032160

Die Ehefrau (schwanger!) muss den Betroffenen jeden Tag zur Arbeit bringen

Nein

OLG Hamm VA 03, 178, Abruf-Nr. 032164 = VRS 105/447 = NZV 04, 99

Betroffener muss sich täglich um seine 89-jährige Großmutter kümmern, die er täglich besucht (Einkaufen und Kochen)

Ja. (Das Urteil ist ein Beweis für die Großzügigkeit der AG'e. Es kommt nicht auf Dritte, sondern auf den Betroffenen an.)

AG Mannheim zfs 04, 236

Geschwindigkeitsüberschreitung + 57 km/h. Geständnis. Arbeitsplatzverlust droht

Ja

AG Erlangen VA 04, 67, Abruf-Nr. 040522

Der Betroffene hat Aufklärungshilfe geleistet

Nein, allein deshalb nicht

OLG Hamm VA 04, 53 Abruf-Nr. 040219

Geschwindigkeitsüberschreitung
aus Lärmschutzgründen

Nein

OLG Karlsruhe VA 04, 136 Abruf-Nr. 041265

Literaturhinweis: Zur Entwicklung des "Regelfahrverbotes" bei Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstößen s. Deutscher in NZV 04, 173.


zurück zu Veröffentlichungen - Überblick


Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".