Aktenzeichen: 2 Ss OWi 624/09 OLG Hamm |
Leitsatz: Ein Urteil ist aufzuheben, wenn die dort getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden sind, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören sowie wenn nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls die angeführten Schriftstücke nicht verlesen oder auf andere Weise in die Verhandlung eingeführt worden sind. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Rechtsbeschwerde |
Stichworte: Urteilsgründe, Umfang, Beweiswürdigung, Inbegriff der Hauptverhandlung |
Normen: StPO 261, StPO 267 |
Beschluss: Bußgeldsache wegen Ordnungswidrigkeit. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 08. Juni 2009 gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 02. Juni 2009 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 03. September 2009 durch nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen: Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung der Amtsgerichts Bochum zurückverwiesen. Gründe: I. Das Amtsgericht Bochum hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gem. §§ 378 Abgabenordnung, 25 Einkommenssteuergesetz zu einer Geldbuße von 2 000,00 verurteilt. Das Amtsgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen: Der Betroffene ist Kaufmann und betreibt einen Großhandel. Am 31.05.2001 reichte er eine Einkommenssteuererklärung für das Jahr 1999 vom 26.05.2001 ein. Es handelt sich um eine gemeinsame Steuererklärung mit seiner Ehefrau. Dabei gab er in der Anlage GSE für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb einen Verlust von 1 506,52 DM an. Aufgrund dieser Erklärung erging am 24.07.2001 ein Einkommenssteuerbescheid für das Ehepaar T., woraus sich ein Erstattungsanspruch zugunsten der Steuerpflichtigen von 5 853,00 DM ergab. Am 24.07.2001 übersandte der Betroffene seinerseits eine Berechnung (Journal), in der er ein Betriebsergebnis darstellte. Diese Aufstellung schloss mit einem Verlust von 9 350,75 DM. In dieser Berechnung waren Aufwendungen für die Anschaffung eines Fahrzeugs und für die Büroausstattung zum vollen Anschaffungspreis von insgesamt 45 115,00 DM als Kosten in Ansatz gebracht worden. Zusätzlich wären aber nur Abschreibungen in Höhe von 20 % für das Kraftfahrzeug und 10 % für die Büroeinrichtung gewesen. Dann hätte nur ein Abzug von 6 172,00 DM erfolgen dürfen. Der Einnahmeüberschuss ist also um 38 943,00 DM zu niedrig angesetzt worden. Selbst bei einem Steuersatz von 25 %, der angesichts des Arbeitseinkommens der Ehefrau von über 64 000,00 DM noch recht niedrig gegriffen ist, sind also über 9 500,00 DM an Steuern verkürzt worden, also mehr als 4 500,00 DM. Bei einer Betriebsprüfung bei dem Betroffenen ist festgestellt worden, dass noch andere Positionen zu beanstanden waren. Dies führte dazu, dass aufgrund von Gewinnerhöhungen eine verkürzte Einkommenssteuer von 22 256,00 DM angenommen wurde. Ein entsprechend geänderter Einkommenssteuerbescheid ist rechtskräftig. Der Betroffene hat hinsichtlich des Steuerschadens vorliegend geht es nur um die über 9 000,00 DM auch fahrlässig gehandelt. Der Betrffene hat in der ersten Hauptverhandlung angegeben, ihm sei bekannt, dass die genannten Anschaffungen nur zu einem bestimmten Prozentsatz abgesetzt werden können. War also das Journal bereits Grundlage der Steuererklärung vom 26.05.2001, hat er schon insoweit leichtfertig gehandelt, wenn er entgegen seinem Wissen den vollen Betrag in Abzug bringt. Lag dieses Journal der Steuererklärung noch nicht zugrunde, ist der Vorwurf der Leichtfertigkeit erst recht gegeben, weil er dann offensichtlich auf Geradewohl die nicht näher berechnete Summe von 1 506,00 DM als Verlust angegeben hat. Soweit er früher vorgetragen hat und nunmehr vortragen lässt, er habe nicht alle Posten aus dem Journal übernommen, da dieses ja einen Verlust von über 9 000,00 DM aufweist, ändert dies nichts an dem Sachverhalt. Zum einen soll es sich dabei um Skonti gehandelt haben, die mit der hier in Rede stehenden Position nichts zu tun haben. Zum anderen ist zu bedenken, selbst wenn die Differenz zwischen Steuererklärung und Journal von rund 8 000,00 DM dem Betroffenen zugute gebracht wird, ist immer noch der Gewinn um 30 000,00 DM erhöht und damit ein Steuerschaden von 7 500,00 DM bzw. 3 800,00 gegeben. Weitere Nachforschung und Aufklärung hinsichtlich der Unterschiede in den beiden Verlustbeträgen waren daher nicht geboten. Der inzwischen bestandskräftige Steuerbescheid mit einer um 22 000,00 DM höheren Steuer zeigt auch, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Position nicht um ein vereinzeltes Versehen gehandelt hat, sondern dass der Betroffene insgesamt bei der Erstellung der Steuererklärung vom 26.05.2001 mit erheblicher Nachlässigkeit vorgegangen ist. Diese hat mit dem Steuerbescheid vom 24.07.2001 auch zu einer Steuerverkürzung geführt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie erkannt beantragt. II. Der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde ist ein erneuter zumindest vorläufiger Erfolg nicht zu versagen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift hierzu folgendes ausgeführt: Die formelle Rüge der Verletzung des § 261 StPO. ist auch ohne Beifügung des Hauptverhandlungsprotokolls in der gem. § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG gebotenen Form (zu vgl. BGH, NStZ 2007, 235 f.; Meyer-Goßner, StPO., 52 Auflg., § 249 Rdnr. 30, § 261 Rdnr. 38a, § 344 Rdnr. 20 ff.) ausgeführt worden und somit zulässig. Die Rüge, dass weder die von dem Betroffenen eingereichte Berechnung (Journal), noch die Einkommenssteuererklärung vom 26.05.2001 mit der Anlage GSE, noch der Einkommenssteuerbescheid vom 24.07.2001 sowie ein weiterer geänderter Einkommenssteuerbescheid verlesen worden sind, ist auch begründet. Denn auch ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme kann der Nachweis geführt werden, dass die im Urteil vom 02.06.2009 getroffenen Feststellungen nicht durch die in der Hauptverhandlung verwendeten Beweismittel und nicht durch Vorgänge gewonnen worden sind, die zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehören. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls sind die von der Verteidigerin des Betroffenen angeführten Schriftstücke nicht verlesen oder auf andere Weise in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Es lässt sich auch nicht entnehmen, dass die in Rede stehenden Dokumente aus reichend in der Hauptverhandlung erörtert worden sind, so dass auch derzeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Verlesung beruht (zu vgl. insoweit BGH, a.a.O., m.w.N.). Darüber hinaus wäre das Urteil auf die erhobene Sachrüge hin aufzuheben, da die Entscheidung keinerlei Beweiswürdigung enthält und damit lückenhaft ist. Es bleibt auch unter Zuhilfenahme des Hauptverhandlungsprotokolls unklar, aufgrund welcher in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise das Amtsgericht zu den getroffenen Feststellungen hat gelangen können. Bemerkenswert ist dabei auch, dass der Bußgeldbescheid nicht verlesen worden ist und zur Begründung fahrlässigen Handelns des Betroffenen, der in der Hauptverhandlung vom 02.06.2009 vom persönlichen Erscheinen befreit gewesen ist, unter anderem auf dessen Einlassung aus der ersten Hauptverhandlung vom 19.02.2008 Bezug genommen wird. Es ist nicht erkennbar, dass diese Einlassung in irgendeiner Form in das Verfahren eingeführt worden wäre. Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich das Gericht nach eigener Sachprüfung an. Das Urteil war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen erneut aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Bochum zurückzuverweisen. |
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