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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 242/09 OLG Hamm

Leitsatz: Die Festsetzung von Ordnungsgeld gegen einen Angeklagten wegen Ungebühr ist formal rechtswidrig, wenn laut Protokoll keine Beratung darüber stattgefunden hat und der Beschluss daher vom Vorsitzenden der Kammer und nicht vom Gericht verkündet wurde.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Ordnungsmittelbeschluss; Hauptverhandlung; Erlass; rechtliches Gehör;

Normen: GVG 178; GVG 177; GVG 176

Beschluss:

Strafsache
gegen pp.
wegen Steuerhinterziehung,
(hier: Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Angeklagten).
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 07. August 2009 gegen den Beschluss des Landgerichts – 1. kleine Wirtschaftsstrafkammer – Hagen vom 04. August 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14.09.2009 durch

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Hagen hat gegen den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 21 Fällen unter dem 10. September 2004 Anklage vor dem Amtsgericht – Schöffengericht – Hagen erhoben, das durch Urteil vom 10. September 2008 gegen den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 10 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und drei Monaten verhängt und die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat.
Gegen dieses Urteil haben sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Hagen frist- und formgerecht Berufung eingelegt; die Staatsanwaltschaft Hagen hat ihr Rechtsmittel mit Verfügung vom 24. April 2009 auf den Straffolgenausspruch beschränkt.
Mit Verfügung vom 02. Juni 2009 hat der Vorsitzende der 1. kleinen Wirtschaftsstrafkammer als zuständiger Berufungskammer Hauptverhandlungstermin bestimmt auf den 20. Juli 2009 mit mehreren Fortsetzungsterminen. Die Hauptverhandlung hat am 20. Juli 2009 begonnen und es wird derzeit noch verhandelt.
In der Sitzungsniederschrift vom 04. August 2009 heißt es u.a.:
„Bei Eintritt des Gerichts erhob sich der Angeklagte F. nicht. Auf Bitte des Vorsitzenden sich zu erheben erklärte er: Heute nicht. Auch nachdem der Vorsitzende nunmehr auf die Möglichkeit eines Ordnungsgeldes hinwies, blieb der Angeklagte sitzen.“

Der Angeklagte wurde zu einem etwaigen Ordnungsmittel angehört.
Er erklärte dazu:
Sie wissen doch woran das liegt. Im übrigen ist das offensichtlich tagesabhängig. Ich musste heute die Akten ins Gericht tragen, weshalb es mir heute wieder schlechter geht.
Der Verteidiger erklärte dazu:
Ich hatte dem Angeklagten nach dem letzten Hauptverhandlungstag die Akten mitgegeben, da der Angeklagte moniert hatte, sie von mir nicht erhalten zu haben. Er hat sie heute wieder mitgebracht. Es handelt sich dabei um 3 DIN-A4 Ordner.
Der Vertreter der Staatsanwaltschaft beantragte, gegen den Angeklagten wegen Missachtung des Gerichts ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 € ersatzweise 2 Tage Ordnungshaft zu verhängen.

Es wurde sodann der Beschluss verkündet, der als Anlage III zum Protokoll genommen wurde.
Beschluss
Gegen den Angeklagten F. wird wegen Ungebühr ein Ordnungsgeld von 200 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von zwei Tagen festgesetzt.
Gründe:
Der Angeklagte F. hat heute bei Eintritt des Gerichts sich nicht erhoben und hat so den Gerichtsfrieden verletzt. Aus dem Verhalten des Angeklagten ergibt sich, dass Grund für sein Sitzenbleiben nicht eine etwaige gesundheitliche Beeinträchtigung, sondern eine bewusste Missachtung des Gerichts ist. So ist der Angeklagte bei sämtlichen Sitzungspausen während der bisherigen Berufungshauptverhandlung ohne Weiteres aufgestanden und hat den Sitzungssaal verlassen, ohne dass dies erforderlich gewesen oder er dazu aufgefordert worden wäre. Insbesondere hierdurch bringt er zum Ausdruck, dass für sein Verhalten eine Provokation und Missachtung des Gerichts maßgeblich ist.
Rechtsmittelbelehrung wurde erteilt.“
Mit Schreiben vom 07. August 2009, beim Landgericht per Telefax am 10. August 2009 eingegangen, hat der Angeklagte gegen den Beschluss (Festsetzung eines Ordnungsgeldes) Beschwerde eingelegt und gleichzeitig beantragt, die Vollziehung gemäß § 302 Abs. 2 StPO auszusetzen.
Das Landgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 27. August 2009 nicht abgeholfen und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.
II.
Die gemäß § 181 Abs. 1 GVG statthafte (sofortige) Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht innerhalb einer Woche eingelegt.
Die Beschwerde hat aus formalen Gründen Erfolg.
Der angefochtene Ordnungsmittelbeschluss dürfte in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sein; er ist jedoch in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen. Gemäß § 178 Abs. 2 GVG entscheidet über die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.
Demgemäß hätte das Gericht – nicht allein der Vorsitzende der 1. kleinen Wirtschaftstrafkammer – über die Festsetzung des Ordnungsgeldes gegen den Angeklagten entscheiden müssen. In der Anordnung des Vorsitzenden anstelle des Kollegiums liegt ein Verfahrensverstoß.
Wie der oben zitierten Protokollierung gemäß § 182 GVG zu entnehmen ist, hat eine Beratung des Gerichts über das Ordnungsmittel nicht stattgefunden. Demzufolge hat der Vorsitzende das von ihm beschlossene Ordnungsgeld verkündet.
Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelung stellt einen formellen Mangel dar, der zur Aufhebung des Beschlusses führt.
Eine Zurückverweisung der Sache zur Nachholung des Gerichtsbeschlusses kommt nicht in Betracht, weil die sitzungspolizeiliche Gewalt des Gerichts grundsätzlich mit Abschluss der Sitzung beendet ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 181 GVG Rdnr. 6). Ein Ordnungsgeldbeschluss dient in erster Linie der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung und ist daher in der Sitzung über die Sache zu verkünden, in der die Störung geschieht. Bei mehrtägigen Verhandlungen kann das Ordnungsmittel gegen den Angeklagten zwar auch am auf die Ungebühr folgenden Verhandlungstag festgesetzt werden, wenn die Festsetzung am selben Verhandlungstag aus Zeitgründen oder wegen vordringlicher Erledigung anderer Verfahrensangelegenheiten nicht möglich ist (vgl. OLG Schleswig, MDR 1980, 76). Dieser Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
Ebenso scheidet eine Anordnung des Vorsitzenden außerhalb der Hauptverhandlung (vgl. § 30 Abs. 2 GVG) aus (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 178 GVG Rdnr. 16; vgl. auch Beschluss des Senats vom 23. Januar 1992 – 2 Ws 417/91 – ).
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.




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