Aktenzeichen: 2 Ws 84 und 85/09 OLG Hamm |
Leitsatz: 1. Nach der Rechtsprechung des BVerfG bleibt eine an sich wegen prozessualer Überholung unzulässige Beschwerde nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grund-rechtseingriffe, wenn sich die Belastung durch die Maß-nahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeit-spanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gericht-liche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlan-gen kann. 2. Zur Anwendung dieser Grundsätze auf die Ablehnung der bedingten Entlassung des Verurteilten. |
Senat: 2 |
Gegenstand: Beschwerde |
Stichworte: Rechtsmittel, Überholung, Zulässigkeit, Beschwerde, gegenstandslose, |
Normen: GG Art. 19 |
Beschluss: Strafsache gegen pp. wegen gefährlicher Körperverletzung, (hier: sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung der bedingten Entlassung in zwei Verfahren). Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 05. Februar 2009 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 27. Januar 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch pp. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 30. 03. 2009 beschlossen: Die sofortige Beschwerde ist erledigt, soweit sie das Verfahren 155 Js 1643/03 Staatsanwaltschaft Duisburg betrifft. Sie wird aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses, die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden, auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen, soweit sie das Verfahren 293 Js 817/00 Staatsanwaltschaft Duisburg - betrifft. Zusatz: Die gemäß §§ 454 Abs. 3 StPO, 57 Abs. 1 StGB statthafte und innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 1 StPO eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 05. Februar 2009, eingegangen beim Landgericht Hagen am 09. Februar 2009, ist hinsichtlich der Ablehnung der bedingten Entlassung aus der Strafhaft in dem Verfahren 155 Js 1643/03 Staatsanwaltschaft Duisburg nach vollständiger Verbüßung der in diesem Verfahren verhängten Freiheitsstrafe prozessual überholt (Senatsbeschluss vom 30. April 1998 2 Ws 189/98 -, zitiert nach juris Rn. 5). Sie war indes nicht als unzulässig zu verwerfen, sondern wegen Gegenstandslosigkeit für erledigt zu erklären (Senatsbeschluss vom 30. April 1998 2 Ws 189/98 -, zitiert nach juris Rn. 5; OLG Hamm, Beschluss vom 01. September 2003 1 Ws 266/2003 -; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, vor § 296 Rn. 17; vergleiche auch: OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1998 3 Ws 11/98 -, zitiert nach juris Rn. 5 und Tenor, wonach die sofortige Beschwerde für gegenstandslos zu erklären ist). Denn die Strafe aus diesem Verfahren war erst am 22. Februar 2009 und damit nach der Einlegung der sofortigen Beschwerde vollständig verbüßt. Wird ein Rechtsmittel erst nach seiner Einlegung gegenstandslos, so ist es durch Beschluss für erledigt zu erklären. In diesem Fall ist eine Kostenentscheidung nicht zu treffen (OLG Hamm, Beschluss vom 01. September 2003 1 Ws 266/2003 -; Meyer-Goßner, StPO, 51. Auflage, vor § 296 Rn. 17). Lediglich dann, wenn das Rechtsmittel bereits im Zeitpunkt seiner Einlegung prozessual überholt war, ist es mangels aktueller Beschwer des Beschwerdeführers - als unzulässig mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen (Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2003 2 Ws 239 und 240/2003 -; Meyer-Goßner. StPO, 51. Auflage, vor § 296 Rn. 17 m.w.N.). Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rechtschutz gegen erledigte richterliche Durchsuchungsanordnungen (BVerfG, NJW 1997, 2163 ff.) ergibt sich nichts anderes. Danach bleibt eine an sich wegen prozessualer Überholung unzulässige Beschwerde nach Art. 19 Abs. 4 GG zulässig in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe, wenn sich die Belastung durch die Maßnahme nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung im Beschwerdeverfahren kaum erlangen kann. Die Beschwerde darf in diesen Fällen nicht wegen prozessualer Überholung als unzulässig verworfen werden, sondern es ist vielmehr die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zu überprüfen und gegebenenfalls ihre Rechtswidrigkeit festzustellen. Zwar ist nicht anzuzweifeln, dass die Ablehnung der bedingten Entlassung das Freiheitsrecht eines Verurteilten tatsächlich beeinträchtigt. Es ist aber schon zweifelhaft, ob nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen eine die bedingte Entlassung ablehnende Entscheidung selbst einen tiefgreifenden Grundsrechtseingriff in diesem Sinne darstellt. Denn Grundlage der gesamten Strafvollstreckung ist stets das zugrundeliegende Urteil, das aufgrund des Strafausspruches die Strafhöhe festlegt, durch die angefochtene Entscheidung hinsichtlich eines Strafrestes nicht suspendiert wird und damit letztlich den Grundrechtseingriff bewirkt (Senatsbeschluss vom 30. April 1998 2 Ws 189/98 -, zitiert nach juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1998 3 Ws 11/98 -, zitiert nach juris Rn. 10). Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Begründung auch darauf abgestellt, dass in Fällen der richterlichen Durchsuchungsanordnung die Entscheidung gemäß § 33 Abs. 4 StPO in aller Regel ohne vorherige Anhörung des Betroffenen und damit ohne die Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG getroffen werde, so dass kein vollgültiger richterlicher Rechtschutz erreicht werde (BVerfG, NJW 1997, 2163, 2164). Im Falle der die bedingte Entlassung ablehnenden Entscheidung ist der Verurteilte jedoch zuvor gemäß § 454 Abs. 1 S. 3 StPO mündlich anzuhören (OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1998 3 Ws 11/98 -, zitiert nach juris Rn.13). Darüber hinaus steht dem Verurteilten im Gegensatz zu Fällen der Durchführung von Durchsuchungen bei einer bedingten Entlassung grundsätzlich ein ausreichender Zeitraum zur Verfügung, in dem er eine gerichtliche Überprüfung erreichen kann. Dass eine derartige Überprüfung vorliegend ausnahmsweise aufgrund des kurz bevorstehenden Endstrafentermins nicht möglich war, ändert nichts, da nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf den typischen Verfahrensablauf abzustellen ist (Senatsbeschluss vom 30. April 1998 2 Ws 189/98 -, zitiert nach juris Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1998 3 Ws 11/98 -, zitiert nach juris Rn. 11). Auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr, für den das Bundesverfassungsgericht unter anderem ebenfalls ein fortwirkendes Rechtschutzinteresse trotz prozessualer Überholung angenommen hat (BVerfG, Urteil vom 31. Mai 2005 2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04 -, zitiert nach juris Rn. 32; Beschluss vom 03. März 2004 1 BvR 461/03 -, zitiert nach juris Rn. 27; Beschluss vom 05. Dezember 2001 2 BvR 527/99, 2 BvR 1337/00, 2 BvR 1777/00 -, zitiert nach juris Rn. 35; Beschluss vom 24. Juni 1996 2 BvR 2137/95 -, zitiert nach juris Rn. 21 jeweils m. w. N.), ergibt sich nichts anderes. Denn die vorliegend angegriffene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 27. Januar 2009 hätte im Falle erneuter über den Verurteilten zu treffender Entscheidungen nach § 57 StGB in anderen Verfahren - keine Bedeutung (vergleiche dazu auch: OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 1998 3 Ws 11/98 -, zitiert nach juris Rn. 7). |
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