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Rechtsprechung

Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 209/09 (385/09) OLG Hamm

Leitsatz: Die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft eines Ausländers sind unter anderem dann gegeben, wenn gegen den Betroffenen ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn er schwerwiegende Straftaten begangen hat, angesichts der Höhe der noch zu vollstreckenden Reststrafe Fluchtgefahr besteht und zudem nicht zu erwarten ist, dass sich der Betroffene ohne die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft der Vollstreckung den örtlichen Behörden stellt.

Senat: 2

Gegenstand: Auslieferungssache

Stichworte: Ausliferungsverfahren, schwerwiegende Straftaten, Fluchtgefahr

Normen: IRG 15; IRG 83a, IRG 83b

Beschluss:

Auslieferungssache
(förmlicher Auslieferungshaftbefehl)
betreffend den italienischen Staatsangehörigen P.

wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland nach Italien zum Zwecke der Strafvollstreckung wegen Geldwäsche
Auf den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 21. Oktober 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 10. 2009 durch

beschlossen:
Gegen den Verfolgten wird die förmliche Auslieferungshaft angeordnet.
Gründe:
Die italienischen Behörden haben den Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung nach Art. 95 SDÜ im Schengener Informationssystem zur Festnahme und Auslieferung ausgeschrieben.
Der Verfolgte ist am 07. Oktober 2009 aufgrund Vollstreckungshaftbefehls der Staatsanwaltschaft Bielefeld vom 01. Oktober 2009 (12 Js 434/08) zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe von 53 Tagen festgenommen worden und befindet sich seither in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede I.
Auf Grundlage der Fahndungsnotierung in vorliegender Sache hat das Amtsgericht Gütersloh am 08. Oktober 2009 nach einer persönlichen Anhörung des Verfolgten eine Festhalteanordnung erlassen. Diesbezüglich ist Überhaft notiert.
Im Rahmen der Anhörung hat der Verfolgte die Tatbegehung in Abrede gestellt und Einwendungen erhoben. Er hat angegeben, seit 1969, mit Ausnahme eines Zeitraums von 10 Jahren, in Deutschland zu leben. Seine ganzen Kinder lebten hier.
Die Voraussetzungen für die Anordnung der Auslieferungshaft gemäß § 15 IRG sind gegeben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, die förmliche Auslieferungshaft anzuordnen, wie folgt begründet:
„a)
Im Rahmen des bei der Generalstaatsanwaltschaft Bremen anhängig gewesenen Auslieferungsverfahrens (vgl. Beiakten AusI. 5/07) war der Verfolgte nach Bewilligung seiner Auslieferung zur Strafverfolgung auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls des Landgerichts (Tribunale) Ariano irpino vom 28. Februar 2007 (Aktenzeichen: 1013/04/R Gip) am 03.04.2007 den italienischen Behörden übergeben worden (vgl. BI. 98 d. BA). Ihm wurden seinerzeit schwerwiegende Straftaten der Bildung einer kriminellen Vereinigung, der betrügerischen Zerstörung von Sachen, der Unterschlagung, der Geldwäsche, der mittelbaren Falschbeurkundung und der Fälschung von amtlichen und durch Datenverarbeitungsanlagen hergestellten Dokumenten zur Last gelegt. Dem Verfolgten wurde im Einzelnen vorgeworfen, in dem Zeitraum August 2002 bis Februar 2005 im Zusammenwirken mit Mittätern, die u.a. aus Weißrussland und Russland stammten, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, deren Zweck und Tätigkeit darauf gerichtet gewesen sei, Straftaten der angeführten Art zu begehen, und zwar im Rahmen einer international im Bereich des illegalen Autohandels operierenden Organisation (Vereinigung), verbunden mit dem Diebstahl von Fahrzeugen, der Vortäuschung von Fahrzeugdiebstählen, der Begehung von Versicherungsbetrügerein sowie der Hehlerei in Bezug auf entwendete und später mit gefälschten Papieren ins Ausland, und zwar u.a. nach Russland und Weißrussland, überführten Kraftfahrzeuge. Hierbei soll der Verfolgte die deliktischen Aktivitäten der Organisation im Zusammenhang mit einem illegalen und betrügerischen Autohandel und der Wäsche von Erträgen aus den Straftaten koordiniert haben, und zwar u.a. durch Auswahl der betreffenden Fahrzeuge und Umsetzung ihrer Ausführung ins Ausland und des Verkaufs.
b)
Nunmehr ist der zum Auslieferungsersuchen angehörte Verfolgte (vgl. BI. 40 ff. d.A.) von den italienischen Behörden zum Zwecke der Strafvollstreckung nach Art. 95 SDÜ im Schengener Informationssystem zur Festnahme ausgeschrieben. Diese Ausschreibung ist gestützt auf den – noch nicht in Urschrift vorliegenden, indes angeforderten – Europäischen Haftbefehl der Staatsanwaltschaft beim Landgericht in Genova vom 22. Februar 2009 (Aktenzeichen 184/09) in Verbindung mit dem rechtskräftige Urteil des Landgerichts in Genova vom 08. Januar 2009 (Aktenzeichen: 3390/02 RG), durch das der Verfolgte wegen gemeinschaftlicher „KfZ-Verschiebung“, strafbewehrt als gemeinschaftliche Geldwäsche nach Art. 110, 648 bis des italienischen Strafgesetzbuches, zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist, so dass den Anforderungen des § 83a Abs. 1 IRG entsprochen ist. Die dem vorbezeichneten Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegende Straftat ist, unabhängig davon, dass es sich um eine Katalogtat im Sinne des Art. 2 Abs. 2 neunter Spiegelstrich des Rahmenbeschlusses des Europäischen Rates über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union vom 13.06.2002 handelt, nach italienischem Recht – wie sich bereits aus der Höhe der verhängten Strafe ergibt – und auch nach deutschem Recht (§ 261 StGB) mit Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr strafbewehrt (§ 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 81 Ziff. 1 IRG). Vollstreckungsverjährung ist nach italienischem Recht ersichtlich noch nicht eingetreten. Der Verfolgte besitzt nach den bisherigen Erkenntnissen ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit (§ 2 IRG). Der Europäische Haftbefehl stützt sich auf eine rechtskräftige Verurteilung. Das Maß der noch zu vollstreckenden Freiheitsstrafe (vgl. dazu BI. 4 d.A.) beträgt mindestens vier Monate (§ 3 Abs. 3 IRG). Vor diesem Hintergrund erscheint die Auslieferung nicht von vornherein unzulässig (§ 15 Abs. 2 IRG).
Damit liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft vor. Die Anordnung der Auslieferungshaft ist geboten. Angesichts der Höhe der noch zu vollstreckenden Reststrafe besteht Fluchtgefahr. Es ist auch nicht zu erwarten, dass er sich ohne die Anordnung der förmlichen Auslieferungshaft der Vollstreckung des italienischen Erkenntnisses stellt. Die Anordnung der Auslieferungshaft steht auch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der in Italien zu vollstreckenden Reststrafe.“
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Aus der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft geht nicht hervor, dass sie beabsichtigt, Bewilligungshindernisse geltend zu machen. Die Voraussetzungen des § 83b IRG liegen auch nicht vor, insbesondere ist kein Hindernis nach § 83b Abs. 2 lit. b IRG gegeben. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an einer Strafvollstreckung im Inland ist nicht ersichtlich. Namentlich erscheinen die familiären Belange, insbesondere was die offenbar volljährigen Kinder anbelangt, bei einer Vollstreckung in Italien im wesentlichen vergleichbar beeinträchtigt, wie bei einer solchen im Inland.
Der Annahme von Fluchtgefahr steht auch nicht entgegen, dass der Verfolgte sich derzeit für das Verfahren 12 Js 434/08 V – Staatsanwaltschaft Bielefeld – in Strafhaft befindet. Die Beurteilung des Haftgrundes der Fluchtgefahr richtet sich ausschließlich aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens, gegebenenfalls in anderen Verfahren angeordnete oder verhängte freiheitsentziehende Maßnahmen sind unbeachtlich. Denn es ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass die in dem/den weiteren Verfahren angeordnete Untersuchungshaft beendet bzw. die verhängte Strafhaft vorzeitig beendet oder gelockert und infolgedessen die Durchführung des Auslieferungsverfahrens gefährdet wird (vergleiche zu alle dem: OLG Hamm, Beschluss vom 24. April 2006 – 1 Ws 273/06; Senatsbeschluss vom 30. April 2009, (2) 4 Ausl.A 32/09 (124/09)). Die gilt vorliegend umso mehr, als der Verfolgte die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jederzeit durch Zahlung des noch offenen Geldstrafenbetrages abwenden kann (§ 459e Abs. 4 StPO).




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